Militärforschung
  Russischer Aufmarsch gegen Ukraine
 

Russischer Truppenaufmarsch gegen die Ukraine

Gerhard Piper

8. Dezember 2021

Die Russen haben rund 100.000 Soldaten an ihrer Grenze zur Ukraine zusammengezogen. Die US-Geheimdienste rechnen mit einem möglichen Angriff im Januar oder Februar 2022. Mit seiner Drohpolitik will sich Putin Einfluss auf die Militärpolitik des Nachbarlandes sichern.

Vorgeschichte

Zu den politischen Rahmenbedingungen und Hintergründen der aktuellen Krise gehört der Niedergang der NATO-Russland-Beziehungen: Nach dem Ende des Kalten Krieges kam es zunächst zu einer Annäherung beider Seiten: Im Jahr 1994 vereinbarte die NATO mit Russland eine Partnerschaft für den Frieden (PfP), im Mai 1997 folgte die Unterzeichnung einer „Grundakte über gegenseitige Beziehungen, Zusammenarbeit und Sicherheit“. Im Jahr 2001 eröffnete die russische Regierung eine ständige Vertretung in der NATO-Zentrale in Brüssel und beim Hauptquartier SHAPE in Mons und im Mai 2002 wurde der „NATO-Russland-Rat“ (NRR) gebildet. Zeitweise war sogar davon die Rede, dass Russland der NATO beitreten wolle.

Enttäuschte Erwartungen und Fehleinschätzungen auf beiden Seiten mündeten erneut in einer konfrontativen Konstellation. Vor dem Hintergrund des russisch-georgischen Kurzkrieges im August 2014 stellte die NATO die Arbeit des NRR vorübergehend ein. Mit dem Machtantritt von Barack Obama als US-Präsident im Januar 2009 sollte zwar ein „reset“ der Beziehungen eingeleitet werden, dieser kam aber nicht zu Stande. Mit dem russischen Einmarsch in die Ukraine im August 2014 wurden die NATO-Russland-Beziehungen dann weitgehend eingefroren, der obsolete NRR trat kaum noch zusammen.

Nach dem Mordanschlag auf Oberst a. D. Sergej Wiktorowitsch Skripal, einem früheren Agenten des russischen Militärgeheimdienstes Glawnoje Uprawlenije und Doppelagenten des britischen Secret Intelligence Service, in Großbritannien am 4. März 2018, musste die russische Regierung – im Rahmen der vom Westen verhängten – Sanktionen das Personal ihrer ständigen Vertretung von 30 auf 20 Personen reduzieren. Seit damals hat die russische Seite keinen Ständigen Vertreter mehr offiziell ernannt.

Im Oktober 2021 ordnete NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg die Ausweisung von acht weiteren Russen wegen Spionageverdacht an und forderte eine Reduzierung des Personals der Ständigen Vertretung auf maximal zehn Personen. Daraufhin gab die russische Regierung im November 2021 bekannt, dass sie ihre Ständige Vertretung(en) bei der NATO vollständig schließen werde. Zugleich ordnete sie die Schließung des NATO-Informationsbüros in Moskau an. Zur Begründung gab Moskau bekannt, dass es einen Dialog in den letzten zwanzig Jahren sowieso nicht gegeben habe. (1)

Im Gegenzug sind sich die Beziehungen zwischen der NATO und der Ukraine gut, aber nicht von „Erfolg“ gekrönt: Am 3. Dezember 2008 gab die NATO bekannt, sie wolle die Ukraine noch nicht in den Membership Action Plan (MAP) aufnehmen, sondern vertröstete die Vertreter der Ukraine mit Verabschiedung eines „Annual National Programme“, das zur Aufnahme in den MAP führen solle. An diesem Lavieren hat sich bis heute nichts geändert. Beim NATO-Gipfel im Juni 2021 in Brüssel bestätigten die NATO-Mitgliedsstaaten noch einmal ihre Absicht, die Ukraine irgendwann in das Bündnis aufzunehmen. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg erklärte:


„Each country chooses its own path, and this also applies to joining NATO. It is up to Ukraine and the 30 NATO members to decide whether it aspires to be a member of the Alliance. Russia has no say in whether Ukraine should be a member of the Alliance. They cannot veto the decisions of their neighbors. We will not return to the era of spheres of interest, when large countries decide what to do with smaller ones.“ (2)

Bereits am 12. Februar 2008 erklärte der russische Präsident Wladimir Putin unzweideutig, er werde seine Raketen auf die Ukraine richten, wenn das Land der NATO beitrete. Kurz darauf drohte er damit, die Ostprovinzen der Ukraine in einem solchen Fall zu annektieren. Später forderte die russische Regierung wiederholt die „Sicherheitsgarantie“, dass die NATO die Ukraine niemals aufnehmen werde.

Déjà vu

Es ist acht Jahre her, seit die russische Regierung mit ihren „grünen Männchen“ (so Putin) die Ukraine überfiel, die Halbinsel Krim annektierte und in den ost-ukrainischen Provinzen Donezk und Luhansk ein Quisling-Regime institutionalisierte. Seitdem kommt es an der inner-ukrainischen Grenze immer wieder zu kleineren Scharmützeln.

Die Konzentration der russischen Militäreinheiten im weiteren russisch-ukrainischen Grenzbereich war im Verlauf des Jahres 2021 starken Schwankungen unterlegen. Am 18. März 2018 begann auf der Halbinsel Krim eine Militärübung, die bis Ende April dauerte und schließlich in das Großmanöver ZAPAD-21 im September 2021 mündete. Dazu wurden in der Grenzregion vorübergehend ca. 105.000 Soldaten in 56 taktischen Bataillonsgruppen stationiert, die nach Übungsende erheblich reduziert bzw. in ihre Heimatstandorte zurückverlegt wurden. Allerdings verblieb ein Teil ihres Waffenbestandes in den Depots vor Ort.

Im Oktober 2021 bemerkten die US-Nachrichtendienste eine erneute Verstärkung der Verbände vor Ort, die bis heute anhält. Damals wurden mehrere Satellitenaufnahmen des Privatunternehmens „Maxar Technologies“ in Westminster (USA) von neuen Feldlagern des russischen Heeres veröffentlicht: Mehrere Aufnahmen zeigten, dass allein bei Jelnja (ca. 250 km nördlich der Ukraine) über 1.335 Stück Großgerät (Kampfpanzer T-80U, Haubitzen 2S1 Gvozdika und 2S19 Msta, Boden-Boden-Raketen Iskander, Feldraketenwerfer BM-21, Unterstützungsfahrzeuge, …) deponiert wurden. Es handelt sich um Material der 41. Feldarmee (Nowosibirsk), der 1. Garde-Panzer-Armee aus Odinzowo bei Moskau, der 4. Panzerdivision aus Bryansk und der 144. Garde-Motorisierte-Schützendivision (144. MotSchDiv), die in Jelnja ihr Hauptquartier hat. (3) Der Aufmarsch vollzog sich insbesondere in vier Großräumen in der erweiterten Grenzregion (Jelnja, Boevo, Persianovka und Nowooserne auf der Krim).

Überraschender Weise dementierte der ukrainische Verteidigungsminister zunächst die ersten US-Meldungen über eine Massierung russischer Truppen. Demgegenüber erklärte Sprecher des US-Verteidigungsministeriums Oberstleutnant Anton Semelroth:


“We are aware of public reports of unusual Russian military activity near Ukraine but cannot speak to Russian intentions.(…) We continue to support de-escalation in the region and a diplomatic resolution to the conflict in eastern Ukraine. As we’ve said, our support for Ukraine’s sovereignty and territorial integrity is unwavering.” (4)

Am 20. November waren – nach ukrainischen Angaben - in der Region ca. 94.000 Russen disloziert, Anfang Dezember stieg die Zahl der Soldaten auf rund 100.000 bis 115.000 Mann an. Demgegenüber berichtete die „Neue Zürcher Zeitung“ am 5. Dezember von 70.000 Soldaten. (5)

Die US-Nachrichtendienste rechnen damit, dass das Truppenkontingent bis Januar/Februar 2022 auf ca. 175.000 Mann in rund 100 taktischen Bataillonsgruppen anwachsen wird. (6) Hinzu könnten 100.000 Reservisten mobilisiert werden. Am 20. November umfasste deren Waffenausstattung u. a. 1.200 Panzer, 2.900 Panzerfahrzeuge, 28 Werfer für Boden-Boden-Raketen und 1.600 Stück Rohrartillerie (Kanonen und Haubitzen). Hinzu kommen 330 Flugzeuge und 240 Hubschrauber, 75 Überwasserschiffe und 6 U-Boote. (7)

Es ist nicht bekannt, ob der russische Präsident und Oberbefehlshaber Wladimir Wladimirowitsch Putin in Abstimmung mit Verteidigungsminister „General“ Sergei Kuschugetowitsch Schoigu und Generalstabschef Armeegeneral Walerij Wassiljewitsch Gerassimow die Westerweiterung Russlands durch einen erneuten Angriff auf die Ukraine anstrebt, oder ob der Truppenaufmarsch „nur“ als Säbelrasseln dient, um militärpolitischen Forderungen gegenüber der NATO und ihrer Osterweiterungspolitik durchzusetzen. Ende November versuchte Putin die Befürchtungen der NATO vor einem möglichen Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine abzuwiegeln: „Es geht nicht darum, Truppen dorthin zu schicken oder nicht zu schicken, zu kämpfen oder nicht zu kämpfen, sondern darum, die Beziehungen zu verbessern.“ Diese Erklärung ist nicht nur in sich widersprüchlich, und, natürlich geht es genau um die Frage des russischen Truppenaufmarsches an den Grenzen der Ukraine.

Die russischen Streitkräfte (Wooruschjonnyje sily Rossii) sind gegenüber den ukrainischen Truppen (Zbroini syly Ukrainy) mehrfach überlegen und hätten kaum Probleme, große Teile des Landes zu besetzen. Allerdings dürfte die Errichtung eines Besatzungsregimes der russischen Führung dauerhaft Probleme bereiten und enorme Kosten verursachen. Dabei war schon die Besatzung der ostukrainischen Provinzen Donezk und Luhansk mit ihrer maroden Wirtschaftsstruktur im Jahr 2014 für die russische Regierung eine kostspielige Investition.

Während die NATO-Staaten sich angesichts des russischen Truppenaufmarsches äußerst beunruhigt zeigen, propagiert die russische Regierung die übliche Schuldumkehr: nicht Russland, sondern der Westen plane militärische Abenteuer in der Ukraine! Nicht Russland würde durch seine Truppenaufmarsch eine Drohkulisse aufbauen, vielmehr würde die NATO „die Spannung an den Grenzen Russlands eskalieren“, erklärte Putin bei einer Ansprache vor ausländischen Diplomaten in Moskau. Nicht Russland wolle der NATO Vorschriften machen, welche Waffensysteme in der Ukraine stationiert werden dürften, sondern die NATO wolle bestimmen, wo Russland seine Truppen in welcher Stärke dislozieren dürfe. So kritisierte Außenminister Sergej Lawrow, der Westen wolle Moskau „diktieren, wie sich die russischen Streitkräfte auf ihrem eigenen Territorium zu verhalten haben". (8)

Außerdem fordert die russische Regierung, dass das Regime in Kiew gezwungen wird, das Minsker-Abkommen von 2015 durchzusetzen. Dieses sieht eine Autonomielösung für die Region Donezk vor. Dies lehnt die Regierung in Kiew weiterhin ab, zumal sich auch Russland nicht an das Abkommen hält. Die von Russland mit Waffen versorgten Separatisten verletzen tagtäglich den Waffenstillstand und weigern sich nach wie vor, ihre schweren Waffen von der Frontlinie abzuziehen.

Der deutsche Politologe Prof. Dr. Thomas Jäger (Köln) umschrieb das Ziel der russischen Drohpolitik im „Focus“:


„Aus russischer Sicht geht es im Kern darum, den bestimmenden Einfluss auf die Ukraine wieder herzustellen. Deshalb erwartet Präsident Putin zur „Lösung“ der bestehenden Lage auch ein Abkommen mit den USA, dass in der Ukraine keine Waffen aufgestellt werden, die Russland bedrohen können und sich die Nato von der Ukraine fernhält. Die Ukraine soll nach russischen Vorstellungen geopolitisches Niemandsland bleiben, um in Zukunft wieder russischem Einfluss zuzufallen. Die kontrollierte Eskalation im Grenzgebiet, die Drohungen Außenminister Lawrows und die Bedenken der Nato-Staaten dienen dabei als Mittel, um mit den USA in Verhandlungen zu kommen – über die Ukraine.“ (9)

Anscheinend strebt Putin eine Neuordnung des euro-asiatischen Raumes an. Auf der einen Seite ein erweitertes NATO-Gebiet, auf der anderen Seite eine von Russland dominierte Sphäre mit Belarus, der Ukraine, Moldawien und dem Transkaukasus.

Russische Dislozierung

- Russland

Das Vereinigte Strategische Kommando Mitte des russischen Heeres hat sein Hauptquartier in Jekatarinenburg. Es verfügt über die 2. Armee in Samara und die 41. Armee in Nowosibirsk.

Die regionalen Luftstreitkräfte sind in der 14. Luft- und Luftverteidigungsarmee (14-ya armiya VVS i PVO) zusammengefasst.

Die Luftlandetruppen (VDV) gehören nicht mehr zu den Landstreitkräften, sondern stellen eine eigene Teilstreitkraft dar. Diese umfasst vier Divisionen, vier Luftsturmbrigaden und eine selbstständige Spetsnaz-Brigade (Nr. 45) in Kubinka.

- Belarus

In Belarus waren bisher nur 800 Mann der 37. Strategischen Luftarmee regulär in Baranawitschy stationiert. Soweit bekannt, hat nun die russische Regierung Teile ihrer Fallschirmjägertruppe in Belarus stationiert. Schon beim Manöver ZAPAD-2021 führten beide Seiten eine gemeinsame Luftlandeübung durch.

- Halbinsel Krim

Auf der Halbinsel Krim ist das 22. Armeekorps disloziert. Zu seinen Truppenteilen gehört das 17. Fallschirmjägerbataillon und das 56. Fallschirmjägerregiment.

Zum Luftwaffenkontingent gehört die 4. Luft- und Luftverteidigungsarmee (4-ya armiya VVS i PVO) u. a. mit ihrer 27. Luftdivision (HQ Belbek) und der 31. Luftabwehrdivision in Sewastopol. (10)

Zum russischen Aufgebot gehört auch die Schwarzmeerflotte mit Hauptquartier in Sewastopol auf der Krim mit der 30. Kriegsschiffdivision, der 197. Amphibischen Brigade und dem 247. U-Boot-Bataillon, etc.. (11) Ihr Schiffsbestand besteht z. Zt. aus 75 Überwasserschiffen (u.a. den Raketenkreuzer „Moskwa“, eine Lenkfregatte der Admiral-Grigorovich-Klasse, zwei Fregatten der Krivak-Klasse, drei Korvetten der Buyan-M-Klasse, drei Landungsschiffe der Alligator-Klasse und vier Landungsschiffe der Ropuchka-Klasse) und 6 U-Boote der Kilo-I/II-Klasse. Hinzu kommt die 2. Garde-Marinefliegerdivision.

Mit der Annexion der Krim wurden die dortigen Militäranlagen ausgebaut und saniert. Dies betrifft die Standorte Baherove, Belbek, Dzhankoy, Fedosiya, Gvardeyskoye, Kacha, Kirovskoye, Myrnyi, Novofedorivka, Sewastopol, Simferopol und Yevpatoriya. Außerdem wurde das frühere Atomwaffendepot in Krasnokamenka modernisiert.

- Ostukraine

Zum russischen Kontingent gehören auch die halbstaatlichen Rebellentruppen in den beiden separatistischen Regionen Donezk und Luhansk. Es handelt sich um das 1. und das 2 Korps. (12)

Außerdem stellt sich die Frage, ob Russland – allein wegen der politischen Kosmetik – bei der möglichen Invasion eine Militärallianz mit Belarus und Transnistrien anstrebt.

Ukrainische Streitkräfte

Oberbefehlshaber der ZSU ist z. Zt. Staatspräsident Wolodymir Selenskyj, als Verteidigungsminister amtiert Oleksii Yuriyovych Reznikov, dessen Generalstabschef ist seit Juli 2021 Generalleutnant Valerii Zaluzhnyi. Amtsvorgänger, Generaloberst Ruslan Boryssowytsch Chomtschak, wurde am 27. Juli 2021 zum Ersten Stellvertretenden Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrat (Rada natsionalʹnoyi bezpeky i oborony Ukrayiny) weggelobt. Leiter des RNBO (U) ist Oleksij Mjatscheslawowytsch Danilow. Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes ist z. Zt. Brigadegeneral Kyrylo Budanov. (13)

Die ukrainischen Streitkräfte haben seit 2014 massiv aufgerüstet. So erhöhte sich der Personalbestand von 168.000 auf fast 250.000 Soldaten. Das Aufrüstungsprogramm soll im kommenden Jahr zudem massiv ausgeweitet werden.

Die US-Regierung unterstützt im Rahmen ihres „Excess Defense Articles Programme“ (EDA) die ukrainische Aufrüstung: Am 23. November 2021 lieferte die US-Regierung zwei frühere Patrouillenboote der „Island“-Klasse der US Coast Guard an die Ukraine aus. Es handelte sich um die „Sumy“ (ex-„Ocracoke) und die „Fastiv“ (ex-„Washington“). Außerdem erhielten die ukrainischen Streitkräfte in den letzten Jahren Artillerieortungsradargeräte AN/TPQ-53 Quick Reaction Capability Radar und Flugabwehrraketen Javelin (*) mit einer Reichweite von 5,5 km. Beschafft wurden auch türkische Kampfdrohnen vom Typ Bayrakter TB2, die gegen die pro-russischen Rebellen eingesetzt werden. Nicht zuletzt haben die ukrainischen Streitkräfte 2021 zahlreiche kleinere Manöver und Übungen mit westlichen Partnern durchgeführt. (z. B. SEA BREEZE im Juni 2021).

Die ukrainischen Bodentruppen verteilen sich auf das allgemeine Heereskommando in Kiew und vier Regionalkommandos (Nord [Chernihiv], Ost [Dnipro], Süd [Odessa] und West [Rivne]). Hinzu kommt das 4. Heeresreservekorps. Am weitesten im Osten disloziert sind die folgenden Einheiten, die bei einem russischen Angriff wohl als erste „Feindkontakt“ hätten:
53. Panzergrenadierbrigade (Sieveierodonetsk)
54. Panzergrenadierbrigade (Bakhmut)
92. Panzergrenadierbrigade (Chukhuiv)
74. Aufklärungsbataillon (Cherkaske) (14)

Mittlerweile hat das Heer seine Einheiten in der Ostukraine an den Grenzen zu den beiden Separatisten-Republiken Donezk und Luhansk massiert. Nach Angaben der russischen Regierung vom 1. Dezember handelt es sich angeblich um 120.000 Soldaten (westliche Schätzungen sind wesentlich niedriger). Kreml-Sprecher Dmitri Peskow behauptete, die ukrainische Regierung wolle die beiden separatistischen Republiken zurückerobern.

Hinzu kommen die ukrainischen Fallschirmjäger- und Sondereinheiten. Ihr Kommando befindet sich in Zhytomyr. Sie stehen als strategische Reserve bereit; außerdem könnten die Einzelkämpfer in Kommandoaktionen gegen die russischen Truppen auch im Hinterland des Gegners eingesetzt werden. (15)

Die Luftwaffe hat rund 36.000 Soldaten. Sie gliedert sich in das Luftwaffenkommando in Vinnytsia, vier Regionalkommandos (West [Lviv], Zentrum [Vasylkiv], )Süd [Odessa] und Ost [Dnipro]). Zur Ausstattung gehören u. a. 110 Flugzeuge, darunter 24 Jäger MiG-29 und fast sechzig Jagdbomber (Su-24,-25,-27), 15 Transporthubschrauber Mi-8 und 78 Drohnen (amerikanische RQ-11B Raven und türkische Bayraktar TB2. Aber nur ein Drittel der Flugzeuge und die Hälfte der Hubschrauber gilt – aufgrund von Ersatzteilmangel – tatsächlich als einsatzfähig. Es gibt zwei QRA-Alarmstaffeln: eine Staffel MiG-29 FULCRUM befindet sich auf dem Fliegerhorst in Dnipro, die zweite Staffel gehört zur 204. Taktischen Luftbrigade „Sewastopol“ auf dem Fliegerhorst Kulbakino und ist mit Su-27 FLANKER ausgerüstet. Die terrestrische Luftabwehr besteht aus über 500 Raketenwerfern (S-300, Tor, Buk, Kub und Neva). (16)

Mit der russischen Annexion der Krim hat die Ukraine einen Großteil ihrer Küstenlinie verloren. Die Kriegsschiffe der ukrainischen Marine waren 2014 von den russischen Besatzungstruppen z. T. beschlagnahmt worden, ein Teil der Schiffe wurde inzwischen an die Ukraine zurückgegeben, darunter drei Korvetten der Grisha-V-Klasse. Hauptquartier der Marine ist die Hafenstadt Odessa. Sie verfügt nur mehr über 6.500 Matrosen. Über die Einsatzbereitschaft der Schiffe liegen keine verlässlichen Angaben vor. Die Marineflieger verfügen über zwei amphibische Aufklärungsflugzeuge und vier Transportflugzeuge, vier U-Jagd-Hubschrauber und zehn Transporthelikopter plus drei Drohnen Bayraktar TB2.

Die paramilitärischen Grenztruppen umfassen mehr als 42.000 Angehörige, die Zivilverteidigung könnte über 10.000 Katastrophenhelfer mobilisieren.

Krisendiplomatie

Die Ukraine ist kein Mitglied der NATO und daher besteht für die befreundeten NATO-Staaten auch keine Bündnisverpflichtung, im Falle eines feindlichen Angriffs der Russen auf die Ukraine dieser militärischen Beistand zu leisten. Es existieren auch keine bilateralen Beistandsverpflichtungen zwischen einem NATO-Staat und der Ukraine. Man könnte daher sagen, Putin habe aufgrund der vielfachen Überlegenheit seiner Truppen bei einem Feldzug „leichtes Spiel“. Während sich die NATO-Staaten 2014 vom russischen Angriff auf die Ukraine peinlich überrascht zeigen, wollen sie diesmal zumindest besser vorbereitet sein. Sie setzen auf Krisenmanagement und Sanktionsdrohungen, die angesichts der gravierenden Wirtschafts- und Sozialprobleme in Russland ihre Wirkung nicht v. Auch die Europäische Union bereitet sich auf ökonomische Strafmaßnahmen vor, wie Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am 7. Dezember 2021 bekanntgab. (17)

Im Juni 2021 kam es zum ersten Treffen des neuen US-Präsidenten Joe Biden und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Genf (Schweiz). Bei dem Gespräch ging es u. a. um die Wahrung der „strategischen Stabilität“ und Cybersecurity.

Am 21. Oktober kamen die NATO-Verteidigungsminister in Brüssel zusammen, um ein neues „Konzept für die Abschreckung und Ve rteidigung im Euro-Atlantischen Raum“ zur Abwehr einer russischen Aggression abzustimmen. Die Strategie ziele darauf ab, auf gleichzeitige Angriffe Russlands im Baltikum und in der Schwarzmeer-Region vorbereitet zu sein. Allerdings betonten die NATO-Vertreter, dass sie nicht davon ausgingen, dass ein russischer Angriff unmittelbar bevorstehe. „Wir sehen insbesondere Verletzungen des Luftraums über den baltischen Staaten, aber auch zunehmende Übergriffigkeiten rund um das Schwarze Meer,“ erklärte die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer." (18)

Im Oktober besuchte der US-Verteidigungsminister Lloyd James Austin die Ukraine.

Anfang November 2021 reiste der amtierende CIA-Direktor William J. Burns nach Moskau, um seinen russischen Amtskollegen mitzuteilen, im Falle eines russischen Angriffs auf die Ukraine wurde man umfangreiche wirtschaftliche und finanzpolitische Sanktionen verhängen.

Am 10. November 2021 vereinbarten US-Außenminister Antony Blinken und der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba eine verstärkte strategische Zusammenarbeit.

Für eine friedliche Konfliktbeilegung war es sicherlich nicht hilfreich, dass der NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg am 19. November bei einer Konferenz der Deutsch-Atlantischen Gesellschaft erklärte, wenn die Ampel-Koalition einen Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland fordern würde, was de facto nicht der Fall ist, könnte man die Bomben auch in Polen stationieren. Damit würde die NATO ihre Atomwaffen so nah an Russland herführen, wie die Russen ihrerseits ihre Atomwaffen längst an das NATO-Gebiet herangebracht haben.


„We just a few weeks ago had a meeting of the NATO Nuclear Planning Group, where Allies are sitting together and taking important decisions on nuclear issues. And therefore, of course, I expect that Germany will continue to be part of nuclear sharing, because it is so important for the whole of Europe and it’s a multilateral framework.

The alternative to NATO nuclear sharing is different kinds of bilateral arrangements and also the risk of having, you know, nuclear weapons also … so, of course, Germany can, of course, decide whether there will be nuclear weapons in your country, but the alternative is that we easily end up with nuclear weapons in other countries in Europe, also to the east of Germany.“ (19)

Am 30. November fand ein Gipfeltreffen der NATO-Außenminister in Riga (Lettland) statt. Daran nahm u. a. der US-Außenminister Blinken teil. Dieser erklärte, die USA seien besorgt, die russische Pläne beschrieben „erhebliche aggressive Handlungen“ gegen die Ukraine. Dazu zählten „Bestrebungen zur Destabilisierung der Ukraine von innen und groß angelegte Militäroperationen“. Er drohte der russischen Regierung im Falle eines Angriffs mit „high-impact“-Wirtschaftssanktionen. So soll Russland aus dem internationalen Bankenzahlungssystem der Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication (SWIFT) ausgeschlossen werden. (20) Außerdem erwägt die US-Regierung, ihre Truppenstärke in Osteuropa zu erhöhen.

Am 30. November warnte der russische Präsident Putin davor, die NATO dürfte in der Ukraine keine „roten Linien“ überschreiten. Als solche nannte er nicht nur die Aufnahme der Ukraine in die NATO, sondern bereits die Stationierung von militärischem Großgerät in dem Land. Am 1. Dezember ergänzte Putin.

„Im Dialog mit den USA und ihren Verbündeten werden wir darauf bestehen, dass konkrete Vereinbarungen ausgearbeitet werden, die jedwedes weitere Vorschreiten der NATO nach Osten und die Stationierung von bedrohlichen Waffensystemen in unmittelbarer Nähe des Gebiets der Russischen Föderation ausschließen.“

Der US-Präsident Biden wies die russische Forderung umgehend zurück: Russland habe kein Recht, Vorschriften zu machen, vielmehr sei die Ukraine ein souveräner Staat und könne über ihre Militärpolitik selbst entscheiden.

Am 6. Dezember 2021 hielt der NATO Military Council eine Video-Konferenz der Generalstabschefs der Mitgliedstaaten ab, um über den russischen Militäraufmarsch zu beraten.

Am 7. Dezember 2021 führten die Präsidenten beider Länder eine zweistündige Video-Konferenz durch.

Am 9. Dezember wird sich der amerikanische Außenminister Blinken mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow zu einem bilateralen Dialog am Rande der OSZE-Tagung in Stockholm treffen.

Für die neue Ampel-Regierung in Berlin und ihre Außenministerpraktikantin Annalena Baerbock (Bündnis 90 / Die Grünen) wird die Ukraine-Krise zu ihrer ersten Bewährungsprobe. So stellt sich die Frage, ob die neue Gaspipeline der Nord Stream 2 AG in Betrieb genommen wird oder nicht. Da die bisherige Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit dem russischen Präsidenten Putin ein kontroverses aber enges Verhältnis verband, dürfte der Einfluss der neuen deutschen Regierung auf Moskau in Zukunft eher geringer ausfallen.

Zwischenfälle

Wiederholt kam es in der letzten Zeit zu Zwischenfällen:

- Sabotageanschläge auf Mun-Depots

Seit 2015 hat die Sonderheit mit der Feldpostnummer 29155 des russischen Militärgeheimdienstes Glawnoje Uprawlenije mehrere Sabotageangriffe auf Munitionslager der NATO-Staaten Tschechien und Bulgarien und in der Ukraine verübt: Munitionslager in Swatowo (Oktober 2015), Balaklia (Dezember 2015, 23. März 2017 und 3. Mai 2018), Kalyniwka (26. September 2017) und Druschba (9. Oktober 2018).

Zum Beispiel: Beim mutmaßlichen Anschlag auf das Munitionsdepot Balaklia am 23. März 2017 brachen gegen 2:30 Uhr mehrere Feuer gleichzeitig an verschiedenen Stellen im Bereich A-1352 aus. In dem Depot befanden sich rund 138.000 Tonnen Munition (Panzergranaten, Artilleriegranaten 125 mm und 152 mm, etc.). Eine Anwohnerin wurde getötet, 250 Gebäude zerstört. Aus der Umgebung von 7 km mussten 20.000 Menschen evakuiert werden. Die Gas- und Stromversorgung in der Region wurde unterbrochen. Die ukrainische Regierung wandte sich mit der Bitte um Unterstützung der Aufräumarbeiten an die NATO. Damals wurde ein Sabotageakt vermutet. So erklärte Militärstaatsanwalt Anatoly Matios: „According to preliminary data ... as a result of sabotage … fire and explosions caused the detonation of ammunition at several sites storing rockets and artillery weapons.“ (21) Der ukrainische Sicherheitsdienst Sluschba Bespeky Ukrajiny (SBU) vermutete, dass eine Drohne mit einer russischen Thermit-Handgranate das Feuer ausgelöst habe. Demgegenüber sprachen die pro-russischen Rebellen davon, die Explosion sei ein Ergebnis der Korruption und der Unfähigkeit innerhalb des ukrainischen Militärs.

Dr. Robert J. Bunker vom US Army War College meinte dazu:


"On a number of occasions, starting in October 2015, incendiary drone attacks have been identified as taking place against Ukrainian arms depots as a component of Russian linked antimateriel operations." (22)

- Zwischenfälle auf dem Schwarzen Meer

Mindestens zweimal kam es zu einem Zwischenfall auf See, als Schiffe aus NATO-Staaten die von Russland beanspruchten Gewässer bzw. die Straße von Kerch durchkreuzten, so der britische Zerstörer „Defender“ (21. Juni 2021) und die niederländische Fregatte „Evertsen“ (30. Juni 2021). (23)

- Zwischenfälle im Luftraum

Nach russischen Angaben musste am 5. Dezember eine Passagiermaschine der „Aeroflot“ auf dem Flug von Tel Aviv nach Moskau einem NATO-Militärflugzeug vom Typ Bombardier Challenger CL-600 ausweichen, um eine Kollision zu vermeiden. Dieser Typ wird innerhalb der NATO nur von Kanada, Dänemark, Tschechien und dem türkischen Geheimdienst MIT betrieben.

Generalproben

Bereits seit März 2021 führten die russischen Streitkräfte ein Manöver auf der ukrainischen Halbinsel Krim durch, die als Generalprobe für den möglichen Angriff gilt. Über den Übungsverlauf berichtete Vladimir Trendafilovski:


„Participation was not limited to the two local MDs – YuVO and ZVO (gemeint sind der Südliche Militärbezirk [YuSO] und der Westliche Militärbezirk [Zapadnyy Voyennyy Okrug - ZVO], G. P.) – some of the units arrrived from other MDs or higher-echelon formations. For example, infantry units oft he Central MD (TsVO) were part of the ground forces elements. In addition to local Black Sea Fleet (ChF) assets, the exercise fleet at sea included ships from the Baltic and Northern Fleets, as well as from the Caspian Flotilla. The Russian Airborne Forces (VDV) also took an active part – their equipment arriving in Crimea aboard Il-76 transports from the Miitary Transport Aviation (VKS), as well as aboard large train convoys via the Crimean Bridge over the Kerch Strait.

According to official VS RF sources, Crimea saw the arrival of additional units oft he 58th Army (which has its HQ in Vladikavkaz ) from YuVO and 41st Army (which has its HQ in Novosibirsk) from TsVO, as well as from the 7th Guards Mountain Air Assault Division (its HQ in Novorossiysk), 76th Guards Air Assault Division (its HQ is in Pskov) and 98th Guards Airborne Division (its HQ is in Ivanovo) of the VDV.

By mid-April, the exercises forces had settled in their designated exercise areas and began conducting large-scale combined forces manoeurvres. The culmination came on April 22, wtht the major exercise event that took place at the Opuk range in the Crimea, where – in addition to conventional ground forces – the VDV troops and their armoured vehicles were paradropped by Il-76 transports, while ChF marines executed an amphibious landing operation. (…)

According to official sources, more than 10,000 troops and some 1,200 weapons systems were involved in the exercise that took part in Crimea – including more than 60 vessels and 200 aircraft.

By the end of April, most of the participating personnel and their equipment had returned or were in the process of returning – as was the case with the forces from the YuVO in Crimea. Some of the forces in the ZVO area were still in the field in early May – their departure being expected by May 12. Ukraine and the West voiced concerns over these manoeuvres, especially after the VF RF announced the 41st Army would remain at the Pogonovo training range near Voronezh, to participate in the upcoming Zapad-2021 (West-2021) joint exercise with Belarus, scheduled for September.

Unlike the ground forces and naval elements, aviation units participating in this exercise were predominantly from organic aviation elements oft he YuVO and ZVO. More precisely, the 4th and 6th Air Force and Air Defence Armies of the VKS, and the Crimea-based ChF naval aviation, which reports directly tot he YuVO. (…) Among others, both the 1st and 4th Composite Aviation Divisions contributed their aircraft – including Su-24M and Su-34 bombers, Su-25Sm attack aircraft and Su-27SM and Su-30SM fighters. (…)“ (24)

An die Übung auf der Krim schloss sich das Großmanöver ZAPAD-2021 im September an. Über den Umfang der Militärübung berichtete die „Europäische Sicherheit“:


„Die Militärübungen Russlands und Weißrusslands mit dem Namen Zapad 2021 haben nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums gleichzeitig auf 14 Truppenübungsplätzen begonnen. Die Übungen finden an neun russischen Standorten – von der Ostsee bis zu den Regionen Woronesch und Nischni Nowgorod (Struga Krasnych, Mulino, Pogonowo, Chmelewka, Dorogobusch, Kirilowski, Prawdinski, Dobrowolski und Wolski) sowie an fünf belarussischen Standorten (Obus-Lesnowski, Brestki, Tschepelewo, Domanowski und Ruschanski) – statt.

Insgesamt sind rund 200.000 Soldaten, über 80 Flugzeuge und Hubschrauber, bis zu 760 Einheiten militärischer Ausrüstung, darunter Panzer, Raketenwerfer und Mörser, sowie bis zu 15 Schiffe an den Übungen beteiligt.

Davon waren 12.800 Soldaten an der Übung auf dem Territorium der Republik Belarus beteiligt, darunter bis zu 2.500 russische Militärangehörige, mehr als 30 Flugzeuge und Hubschrauber, bis zu 350 Einheiten militärischer Ausrüstung, darunter etwa 140 Panzer, bis zu 110 Geschütze, Mehrfachraketen und Mörser, wie das russische Verteidigungsministerium in einer Erklärung schreibt. (…)

Am 13. September besuchte Russlands Präsident Wladimir Putin den Truppenübungsplatz Mulino in der Region Nischni Nowgorod, von wo er die Manöver beobachtete. Der Generalstabschef der russischen Streitkräfte, Waleri Gerassimow, berichtete dem Präsidenten, dass an den Übungen in der Region Nischni Nowgorod etwa 20.000 Soldaten, 5.600 Einheiten von Waffen und militärischer Ausrüstung, etwa 160 Panzer, mehr als 100 Flugzeuge sowie über 100 Hubschrauber beteiligt sind. Dem russischen Staatsoberhaupt wurden Kampfrobotereinheiten und das neueste BMP B-19 mit dem Epoch-Kampfmodul vorgeführt. Außerdem wurde der Einsatz von Bombern, Artillerie und Luftlandetruppen demonstriert sowie gemeinsame Manöver zur Blockade und Einnahme von Ortschaften ausgearbeitet, basierend auf den Erfahrungen der militärischen Operationen in Syrien. (25)

Am 1. Dezember 2021 begangen die russischen Truppen des Vereinigten Strategischen Kommandos Süd (HQ Rostow) mit einem Herbstmanöver. Daran beteiligt waren auch die russischen Truppenkontingente auf der Krim und die Rebellenverbände in Donezk und Luhansk. Die Gesamtstärke der beteiligten Truppenteile belief sich auf 10.000 Mann. Das Kommando beabsichtigt in den kommenden Tagen eine gemeinsame Konferenz seiner 300 höchsten Militärführer durchzuführen.

Die Übungen wurden damals durch die NATO aufmerksam verfolgt. Zum Einsatz kamen u. a. Aufklärungsflugzeuge RC-135W Rivet Joint vom Fliegerhorst RAF Waddington (UK) und Drohnen des Typs RQ-48B vom Fliegerhorst Sigonella (Italien).

Kriegsszenarien

Über das drohende Kriegsszenario sprach die amerikanische „Military Times“ mit dem Brigadegeneral Budanov, Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes:


„Such an attack would likely involve airstrikes, artillery and armor attacks followed by airborne assaults in the east, amphibious assaults in Odessa and Mariupul and a smaller incursion through neighboring Belarus, Ukraine Brig. Gen. Kyrylo Budanov told Military Times Saturday morning in an exclusive interview.

Russia’s large-scale Zapad 21 military exercise earlier this year proved, for instance, that they can drop upwards of 3,500 airborne and special operations troops at once, he said.

The attack Russia is preparing, said Budanov, would be far more devastating than anything before seen in the conflict that began in 2014 that has seen some 14,000 Ukrainians killed. (…)

Any such attack, however, would first follow a series of psychological operations currently underway designed to destabilize Ukraine and undermine its ability to fight, said Budanov, speaking through an interpreter.

“They want to foment unrest, through protests and meetings, that show the people are against the government,” he said.

Those efforts include ongoing anti-COVID-19 vaccination protests that Budanov said have been organized by Russia, which is also trying to stoke unrest related to the economy and energy supplies.

In addition, Budanov said Russia is trying to whip up anti-government sentiment over an incident dubbed “Wagnergate” — a controversy involving about 30 members of the Russian private military group responsible for attacks inside Ukraine. The Wagner group members, who made their way to Belarus, were supposed to be brought back to Ukraine to be detained, but instead wound up being sent to Russia with the help of the Belarus KGB, Budanov said.

Russian psychological operations are being used to show “our authorities betrayed the people,” said Budanov.

The ongoing border conflict between Poland and Belarus, which is trying to send refugees into Europe through Poland’s border, is part of that effort, he said.“ (26)

Am 4. Dezember veröffentlichte Julian Röpcke unter dem Titel „Putins geheimer Angriffsplan für die Ukraine“ und unter Berufung auf anonyme Geheimdienst- und Militärkreise die beiden folgenden Szenarien in der „BILD“-Zeitung:


„Nach BILD-Recherchen sind Russlands „Maximal-Pläne“ für einen Krieg gegen die Ukraine seit Mitte Oktober bekannt. Der US-Auslandsgeheimdienst CIA fing sie aus russischen Militärkommunikationen ab, informierte zunächst die eigene Regierung, die im November die Nato unterrichtete. (…)

Nun hat BILD brisante Details über die russischen Pläne erfahren, die nach Worten eines hochrangigen Offiziers „in der Schublade liegen, ohne dass Putin bislang entschieden hat, ob sie umgesetzt werden oder nicht“. Allerdings zeigten die Truppenverlegungen seit April, dass der Kreml in Richtung Umsetzung der Angriffspläne zu tendieren scheine. (…)

Laut einer hochrangigen Sicherheitsquelle würde die russische Armee – sollte Putin es befehlen – „einen simultanen Angriff vom Norden der Krim, durch die Separatisten-Gebiete im Osten und von Norden aus“ angreifen. Dies sei sowohl die Einschätzung der Nato als auch des ukrainischen Militärgeheimdienstes. Der Angriff könnte demnach „Ende Januar, Anfang Februar“ erfolgen – sollten Ukraine und Nato nicht auf Putins Forderungen eingehen.

Andere Insider aus dem Umfeld der Nato sehen dagegen einen Angriff in drei Phasen, wobei jede Phase auch die letzte der Operation sein könnte, sollte die westliche Reaktion auf die Invasion zu einer Neubewertung der Lage führen.

Phase 1: Der Süden

In einer ersten Phase würde der Süden der Ukraine erobert, „um sowohl die Versorgung der Krim zu sichern, als auch die Ukraine vom Meer und damit vom Nachschub abzuschneiden“, erklärte ein Sicherheitsbeamter gegenüber BILD.

Russland plane, mit den im Frühjahr aus der Ostsee in die Region verlegten Landungsschiffen „Panzer und Truppen von der Krim aus in das Gebiet rund um Odessa zu befördern“, sagte ein hochrangiger westlicher Geheimdienstler.

Ein anderer hochrangiger Militär wurde noch konkreter. Demnach sähen die russischen Pläne vor, „östlich von Odessa, zwischen den Städten Fontanka und Koblewe, eine amphibische Landeoperation“ durchzuführen. Russische Truppen würden „östlich der Stadt nach Norden vorrücken, dann nach links abbiegen und bis nach Transnistrien vorstoßen“. Damit wäre Odessa eingekesselt.

Gleichzeitig würde es in der Region Cherson entlang des Flusses Dnepr „Luftlandeoperationen von Speznas-Spezialeinheiten“ geben, die die Brücken über den wichtigsten Fluss des Landes blockieren und den Ukrainern damit den Nachschub abschneiden würden. „Von der Krim aus würde es zunächst ‚nur‘ Artilleriefeuer auf die starken ukrainischen Stellungen geben. Damit wären die ukrainischen Truppen hier gebunden und könnten die Brücken hinter sich nicht zurückerobern“.

Ebenfalls würden russische Panzerverbände, wiederum unterstützt von Marine und Luftwaffe, vom besetzten Gebiet Donbass in der Ost-Ukraine nach Westen vorstoßen, sich dann teilen und einerseits nach Saporischschja vordringen (dem wichtigsten militärischen Zentrum im Süden der Ukraine) sowie andererseits in Richtung Krim vorstoßen.

Sollte das gelingen, wäre der gesamte Süden der Ukraine unter russischer Kontrolle und Putin hätte einen Korridor von Russland bis an die Grenze der Nato nach Rumänien geschlagen.

Phase 2: Der Nordosten

Parallel zur ersten Phase des Krieges würden Putins Luftwaffe und ballistische Raketen die militärischen Kapazitäten der Ukraine im ganzen Land schwächen.

Sollte der Kreml die Bedingungen dafür erfüllt sehen, könnten daraufhin russische Panzerverbände die Grenze in den Regionen Lugansk und Charkiw überqueren und bis zu den Großstädten Dnipro bzw. Poltawa vorstoßen.

„Die Städte würden sie erst mal umrunden bzw. einkesseln und ihnen Strom, Gas und Nahrungsversorgung abstellen. Nach ein paar Wochen können sich die Russen dann als Retter der Zivilisten feiern, in die kapitulierenden Städte eindringen und die ukrainische Bevölkerung vor dem Hunger- oder Kältetod bewahren“, erklärt ein Offizier.

Phase 3: Kiew

In einer dritten Phase würde die Kreml-Armee von Norden aus in Richtung Kiew vorstoßen. „Natürlich könnte das auch schon zu Beginn des Krieges passieren, wenn es die Umstände erfordern“, sagte eine Quelle zu BILD. (…)

Für die Verteidigung der Ukraine sehen die Militärs derweil schwarz. „Die Ukrainer würden kämpfen, aber sie würden einem Großangriff der Russen nicht standhalten können“, sagte ein hochrangiger Beamter zu BILD. „Wenn sie nicht komplett vernichtet werden“, würden sich die Streitkräfte Kiews in den Westen des Landes zurückziehen.“ (27)

Der Präsident der Ukraine, Wolodymir Selenskyj, warnte am 26. November, die russische Regierung strebe im Rahmen ihrer hybriden Kriegführung einen politischen Umsturz in seinem Land an. Als Zeitpunkt nannte er konkret den 1. oder 2. Dezember 2021. Verwickelt in die Umsturzpläne wäre auch der ukrainische Oligarch Rinat Achmetow. Dies ergebe sich aus abgehörten Telefongesprächen. In Presseberichten wurde darauf hingewiesen, diese Meldung könnte bloß Ausdruck einer inner-ukrainische Machtprobe sein. (28)

(*) Berichtigung 11. Dezember 2021: Es handelt sich nicht um die britischen Flugabwehrraketen vom Typ Javelin, sondern um die amerikanischen Panzerabwehrraketen Javelin mit einer Reichweite von 2 bis 4 Kilometer.

Quellen:

(1) Siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/NATO-Russland-Rat

(2) Siehe: https://en.wikipedia.org/wiki/Ukraine%E2%80%93NATO_relations

(3) Jones, Seth G. / Macander, Michelle / Bermudez, Joseph S.: Moscow´s Continuing Ukrainian Buildup, Center for Strategic and International Studies, USA, 17. November 2021, o. S., Online: www.csis.org/analysis/moscows-continuing-ukrainian-buildup (Download am 6. Dezember 2021)

(4) Swan, Betsy Woodruff / McLeary, Paul: Satellite images show new Russian military buildup near Ukraine, Politico Online, Arlington, USA, 1. November 2021, o. S., Online: www.politico.com/news/2021/11/01/satellite-russia-ukraine-military-518337 (Download am 6. Dezember 2021)

(5) Rüesch, Andreas: Krise um die Ukraine, NZZ Online, Zürich, Schweiz, 5. Dezember 2021, o. S., Online: www.nzz.ch/international/russland-und-ukraine-das-wichtigste-zum-konflikt-im-ueberblick-ld.1613540?reduced=true (Download am 6. Dezember 2021

(6) Harris, Shane / Sonne, Paul: Russia planning massive mililtary offensive against Ukraine involving 175,000 troops, U. S. intelligence warns, Washington Post Online, Washington, USA, 3. Dezember 2021, o. S., Online: www.washingtonpost.com/national-security/russia-ukraine-invasion/2021/12/03/98a3760e-546b-11ec-8769-2f4ecdf7a2ad_story.html (Download am 6. Dezember 2021)

(7) Altman, Howard: Russia Preparing to attack Ukraine by late January: Ukraine defense intelligence agency chief, Military Times Online, Vienna, USA, 21. November 2021, o. S., Online: www.militarytimes.com/flashpoints/2021/11/20/russia-preparing-to-attack-ukraine-by-late-january-ukraine-defense-intelligence-agency-chief/ (Download am 6. Dezember 2021)

(8) N.N.: Die Spannungen nehmen zu, Norddeutscher Rundfunk, Tagesschau Online, Hamburg, 1. Dezember 2021, o. S., Online: www.tagesschau.de/ausland/nato-russland-ukraine-101.html (Download am 6. Dezember 2021)

(9) Jäger, Thomas: 100.000 Soldaten stehen bereit: Was Putin jetzt an der Grenze zur Ukraine plant, Focus Online, München, 4. Dezember 2021, o. S., Online: www.focus.de/politik/ausland/gastbeitrag-von-thomas-jaeger-100-000-soldaten-stehen-bereit-was-putin-derzeit-an-der-grenze-zur-ukraine-plant_id_24481793.html (Download am 6. Dezember 2021

(10) Siehe: https://en.wikipedia.org/wiki/4th_Air_and_Air_Defence_Forces_Army

(11) Siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Schwarzmeerflotte

(12) Siehe: https://en.wikipedia.org/wiki/Russo-Ukrainian_War

(13) Siehe: www.mil.gov.ua/en/ministry-of-defence-leader/

(14) Siehe: https://en.wikipedia.org/wiki/Ukrainian_Ground_Forces

(15) Siehe: https://en.wikipedia.org/wiki/Ukrainian_Air_Assault_Forces

(16) Siehe: https://en.wikipedia.org/wiki/Ukrainian_Air_Assault_Forces

(17) N.N.: Von der Leyen drohte Russland mit neuen Sanktionen, Spiegel Online, Hamburg, 7. Dezember 2021, o. S., Online: www.spiegel.de/ausland/ursula-von-der-leyen-droht-russland-mit-neuen-sanktionen-im-ukraine-konflikt-a-bd0c1b8b-d084-4b27-8e79-c4860bd4d29d (Download am 7. Dezember 2012)

(18) N.N.: Neuer Masterplan zur Abschreckung Russlands, Norddeutscher Rundfunk, Tagesschau Online, Hamburg, 21. Oktober 2021, o. S., Online: www.tagesschau.de/ausland/europa/russland-nato-ukraine-103.html (Download am 6. Dezember 2021)

(19) Stoltenberg, Jens: Speech by NATO Secretary General Jens Stoltenberg at the German Atlantic Association 'NATO Talk' Conference 2021, NATO Online, Brüssel, Belgien, 23. November 2021, o. S., Online: www.nato.int/cps/en/natohq/opinions_188772.htm (Download am 6. Dezember 2021)

(20) N.N.: Eskalation der Ukraine-Krise: Biden droht Putin jetzt offen mit harten Sanktionen, Focus Online, München, 7. Dezember 2021, o. S., Online: www.focus.de/politik/ausland/vor-videogipfel-ukraine-konflikt-biden-und-putin-kommen-zu-videogipfel-zusammen_id_24493660.html (Download am 7. Dezember 2021)

(21) N.N.: Ukraine: Arms depot explodes in act of 'sabotage', Deutsche Welle Online, Bonn, 23. Marz 2017, o. S., Online: www.dw.com/en/ukraine-arms-depot-explodes-in-act-of-sabotage/a-38083509 (Download am 30. April 2021)

(22) Wesolowsky, Tony: Ukraine's Exploding Munition Depots Give Ammunition To Security Concerns, Radio Free Europe / Radio Liberty Online, Washington D. C., USA, 6. Oktober 2017, o. S., Online: www.rferl.org/a/ukraine-exploding-munitions-security-concerns-russia/28777991.html (Download am 30. April 2021)

(23) Siehe: https://en.wikipedia.org/wiki/2021_Black_Sea_incident

(24) Trendafilovski, Vladimir: At Ukraine´s Door, Air Forces Monthly, Stamford, United Kingdom Juli 2021, S. 42-45

(25) Laskin, Yuri: Zapad-2021 – Russland und Weißrussland veranstalten gemeinsame Übungen, Europäische Sicherheit und Technik Online, Bonn, 15. September 2021, o. S., Online: https://esut.de/2021/09/meldungen/29720/zapad-2021-russland-und-weissrussland-veranstalten-gemeinsame-uebungen/ (Download am 8. Dezember 2021)

(26) Altman, Howard: Russia Preparing to attack Ukraine by late January: Ukraine defense intelligence agency chief, Military Times Online, Vienna, USA, 21. November 2021, o. S., Online: www.militarytimes.com/flashpoints/2021/11/20/russia-preparing-to-attack-ukraine-by-late-january-ukraine-defense-intelligence-agency-chief/ (Download am 6. Dezember 2021

(27) Röpcke, Julian: So könnte Putin die Ukraine vernichten, Bild Online, Berlin, 4. Dezember 2021, o. S., Online: www.bild.de/politik/ausland/politik-ausland/bild-exklusiv-russlands-kriegsplaene-so-koennte-putin-die-ukraine-vernichten-78425518.bild.html (Download am 6. Dezember 2021)

(28) N.N.: Präsident Selenskyi wirft Russland Planung eines Staatsstreichs in der Ukraine vor, Spiegel Online, Hamburg, 26. November 2021, o. S., Online: www.spiegel.de/ausland/ukraine-praesident-selenskyj-wirft-russland-planung-eines-staatsstreichs-in-der-ukraine-vor-a-187376f2-4fe9-45a7-abef-b13d0ac93bb1 (Download am 6. Dezember 2021)