Militärforschung
  Ukraine-Krieg 2.0 - 52. Update
 

Ukraine-Krieg 2.0 – Update 52 vom 18. April (D+52)

Gerhard Piper

Lageentwicklung:

Der transatlantische Ex-Diplomat Wolfgang Ischinger betont in einem Gastbeitrag für den „Tagesspiegel“, dass es „entscheidend darauf ankommt, dass Putin diesen Angriffskrieg nicht siegreich für sich entscheiden kann“. Die Ukraine müsse daher „mit allen verfügbaren Mitteln so unterstützt werden, dass eine reale Chance auf den Erhalt der territorialen Integrität des Landes besteht“. Nur auf dieser Grundlage könne ein Friedensvertrag oder auch nur eine Waffenstillstandsvereinbarung für die Ukraine erzielt werden, „die nicht allzu sehr an eine Kapitulation erinnert“.

Aufgrund der Erklärungen von Putin vom Dezember 2021 müsse man davon ausgehen, dass außer der Ukraine und Georgien „auch der Status Polens, der baltischen Staaten sowie Rumäniens und Bulgariens unmittelbar bedroht ist“. Es ginge also um „wesentlich mehr“ als nur um die Beendigung eines Krieges in und um die Ukraine. Allerdings muss man an dieser Stelle als politischer Beobachter bezweifeln, dass Ischingers Bundesregierung bereit ist, zur Erreichung dieses schnöden Zieles der Ukraine nennenswerte Militärhilfe zu leisten.

Dessen ungeachtet betont Ischinger: „Es geht im Kern um die Abwehr eines Totalangriffs auf die Elemente euro-atlantischer Sicherheitsarchitektur“, die seit der Schlussakte von Helsinki habe errichtet werden können. Für diese Erkenntnis hat der frühere Top-Diplomat nur schlappe vier Monate gebraucht.

Auch die aktuelle Bedrohungslage Deutschlands durch Russland sei Teil einer neu auszuhandelnden Friedensordnung, die durch den russischen Angriff auf die Ukraine eine völlig neue Dimension erhalten hat. „Es ist künftig nicht hinnehmbar, dass Russland nuklearfähige Kurzstreckenraketen in Kaliningrad stationieren kann, die zum Beispiel Berlin in wenigen Minuten erreichen und vernichten könnten,“ meint der ex-Diplomat. Um dieses Ziel zu erreichen will der lschinger Putin einen faulen „Deal“ vorschlagen: „Russischer Verzicht auf Nuklearstationierung in Kaliningrad und Belarus gegen den westlichen Verzicht auf Nuklearstationierung in den neuen Nato-Mitgliedsstaaten wie Polen oder Rumänien.“ Die Russen sollen also auf etwas verzichten, was sie schon haben, und dafür verspricht die NATO auf etwas zu verzichten, was sie noch nicht hat und eigentlich auch nicht haben will. Für den militärpolitischen Dialog mit Russland soll eine alte Devise des Kalten Krieges etwas abgewandelt werden: „So viel Abschreckung wie möglich und Verteidigungskraft wie nötig, und so viel Angebot zu Dialog und Zusammenarbeit wie möglich.“ (https://www.focus.de/politik/ausland/ukraine-krise/kurzsichtig-und-gefaehrlich-das-steckt-hinter-gabriels-scharfer-warnung-an-die-ukraine_id_85366650.html)

Auch der frühere transatlantische Außenminister und „SPD“-Chef aus dem schmierigen Landesverband Niedersachsen, Sigmar Gabriel, meinte in einem Gastbeitrag für den „Spiegel“, man müsse Wladimir Putin unbedingt stoppen und Russland aufhalten:

„Russland dagegen war seit Langem zu einer revisionistischen Macht geworden, die notfalls mit Gewalt ihren Machtbereich auszudehnen bereit ist. Diesen Wandel Russlands nicht wahrgenommen und die Befürchtungen und Warnungen unserer osteuropäischen Nachbarn nicht ernst genommen zu haben, ist eine berechtigte Kritik, die sich die allermeisten von uns in der Politik gefallen lassen müssen. Es ist wahr: Den Blutzoll dafür zahlt derzeit die Ukraine. Wenn wir diesen Krieg nicht stoppen und Russland aufhalten, werden andere Länder hinzukommen. (…)

Führung in Europa heißt auch, sich die Konsequenzen einer Ausweitung dieses Krieges bewusst zu machen. Und deshalb ist es richtig, dass die deutsche Bundesregierung schwere Waffen – im Kern Panzer – nur in Abstimmung mit den Vereinigten Staaten von Amerika an die Ukraine liefern kann.“

Aber während die USA der Ukraine eine Militärhilfe in Höhe von drei Milliarden US-Dollar bewilligt hat und kurzfristig liefert, fallen die deutschen Waffenexporte – dank der SPD - doch deutlich bescheidener aus. (https://www.spiegel.de/politik/deutschland/sigmar-gabriel-wir-brauchen-zumindest-einen-kalten-frieden-gastbeitrag-a-411895f4-557e-42e7-9453-c62baa490d82)

Die Vorsitzende des Bundestagsverteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erneut kritisiert und dazu aufgefordert, Zusagen für die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine zu machen. Der Kanzler sage nach wie vor nicht wirklich, was er wolle, „und das bedauere ich sehr“. Sie könne nicht sagen, wo es hake. „Ich glaube nur, dass wir einfach keine Zeit haben, diese Diskussion zu führen.“ Es gehe um die Ukraine, aber auch um „uns in Europa“. (https://www.focus.de/politik/ausland/stimmen-zum-ukraine-krieg-selenskyj-wirft-russland-geplante-ausloeschung-des-gesamten-donbass-vor_id_57275780.html)

Kriegsverbrechen:

Der kranke Staatspräsident Wladimir Putin hat die 64. MotSchBrig aus Knyaze-Volkonskoye, bei Khabarovsk, für ihr Massaker in Butscha mit dem Ehrentitel „Garde“-Einheit ausgezeichnet. Er erklärte: „Das geschickte und entschlossene Vorgehen des ganzen Personals während der militärischen Spezialoperation in der Ukraine“ seien „Vorbild für die Ausführung der militärischen Pflichten, für Mut, Entschlossenheit und große Professionalität“. Die Brigade habe das „Mutterland und staatliche Interessen“ verteidigt. (https://www.spiegel.de/ausland/nach-den-graeueltaten-in-butscha-putin-verleiht-ehrentitel-an-brigade-a-66c838d7-717d-4cdc-a81f-67254ff02de2)

Der Nachrichtendienst des ukrainischen Verteidigungsministeriums veröffentlichte die Namen, Ränge und Passangaben der einzelnen Mitglieder der Brigade und kündigte an, sie vor Gericht zu stellen.

Gefechte:

Der australische Ex-Generalmajor Mick Ryan war früher „Director General Strategic Plans“ im Hautquartier des Heeres und danach Kommandeur der 1st Brigade in Darwin. (https://mwi.usma.edu/adjunct-scholars/mick-ryan/) In einer Analyse zeichnet er den Kriegsverlauf nach:

Die russischen Generäle hätten innerhalb von 48 Stunden nach Kriegsbeginn gemerkt, dass ihr Plan A, Eroberung von Kiew in wenigen Tagen, nicht aufgehen würde.

Der neue Plan B habe dann die Bombardierung kleinerer Städte vorgesehen, um ein „Exempel für Kiew“ zu statuieren. Gleichzeitig habe man versucht, am Boden weiter voranzukommen. Doch große Verluste bei gleichzeitig überschaubarem „Raumgewinn“ hätten auch diesen Plan scheitern lassen. Auch die Absicherung vor Angriffen auf einzelne Konvois habe nicht funktioniert. Stattdessen seien immer wieder russische Truppen und Militärwerkzeug von ukrainischen Überfällen überrascht worden. „Sie haben nur langsam an Boden gewonnen, mussten gleichzeitig aber große Verluste hinnehmen.“ Nun gebe es vereinzelte Angriffe auf einzelne Städte, der Vormarsch der russischen Armee stehe in mehreren Landesteilen so gut wie still. Ryan kommt daher zu dem Schluss: Die russische Kampagne steht eigentlich kurz vor einem Wendepunkt. Doch die Russen setzen unbeirrt ihren Angriff fort.

Mick Ryan nennt das „Plan C“. Dieser Plan sei „noch spontaner und brutaler als die beiden Pläne zuvor“. Und meint damit eine ganze Reihe von „Zielen“, die die russische Armee erreichen will. Darunter die „Beibehaltung der derzeitigen Gewinne“, den „Beschuss von Städten aus großer Entfernung“ oder die „Zerstörung von Infrastruktur und Produktionskapazitäten in größtmöglichem Umfang“. Auch wolle Putin den Krieg in Richtung Westen tragen, um ausländische Helfer abzuschrecken. Diese Vorgehensweise ermögliche es „beim Personal zu sparen“, „Ersatz“ und ausländische Söldner einzuschleusen und große Mengen „billiger Artillerie und Raketen“ einzusetzen, um damit ukrainische Zivilisten zu terrorisieren und so eine politische Einigung zu erzwingen. Aber: „Die russischen Streitkräfte haben immer noch zu viele Einsätze mit zu wenigen Kampfformationen.“

Beim Thema Führung kommt Ryan zu dem Schluss, dass „wir nur Beweise für ein korrumpiertes Militärsystem“ gesehen hätten. Heißt: Die Vorgesetzen geben ihre Propaganda an die Soldaten weiter, die sich dann in Gräueltaten wie in Butscha manifestiert. (https://www.focus.de/politik/ausland/militaerexperte-erklaert-wie-gut-sich-die-russen-an-die-neue-situation-angepasst-haben_id_84773016.html)

Ob Plan C erfolgreich sein wird, bleibt abzuwarten: Unter Putins Führung könne Russland länger durchhalten, „als es logisch wäre“. Und auch die Ukrainer würden nicht aufhören zu kämpfen. Ryan schlussfolgert dementsprechend: „Es wird ein langer Krieg werden.“ (https://www.focus.de/politik/ausland/ex-general-ueber-russische-armee_id_68261088.html)

Kiew-Umgebung:

Die Russen haben bei ihrem Abzug mehrere Hunderttausend Blindgänger und Minen hinterlassen. Die Aufräumarbeiten werden Jahrzehnte dauern, berichtet „t-online“. (https://www.t-online.de/tv/nachrichten/politik/id_92023056/russische-truppen-ziehen-ab-und-hinterlassen-eine-toedliche-gefahr.html)

Osten:

Der ukrainische Generalstab meldet, das russische Militär hat seine Vorbereitungen für eine neue Offensive im Donbass beendet: „Im östlichen Einsatzgebiet schließen die Streitkräfte der russischen Föderation die Bildung einer Angriffstruppe ab.“ Am Vormittag hieß es, das russische Militär versuche mit einzelnen Angriffen die Schwachstellen der ukrainischen Verteidigungslinien zu ertasten: „Die Hauptanstrengungen unternimmt der Feind im Bereich der Ortschaften Lyman, Kreminna, Popasna und Rubischne, zudem hat er versucht, die volle Kontrolle über Mariupol herzustellen.“ Kiewer Angaben zufolge konnten die Angriffe zunächst zurückgeschlagen werden. (https://www.n-tv.de/politik/10-16-Branchenchef-Embargo-macht-fliegen-teurer-fuehrt-aber-nicht-zu-grossen-Ausfaellen--article23143824.html)

Am Montagabend begann dann gegen 18.00 Uhr die erwartete „Oster-Offensive“. Dazu berichtete der „Spiegel“:

„Der Generalstab der ukrainischen Armee berichtete am Montagabend von „Anzeichen des Beginns der Offensive“, insbesondere in den Gebieten um die Großstädte Charkiw und Donezk. Später sagte auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, die Regierung in Kiew könne „nun bestätigen, dass die russischen Truppen den Kampf um den Donbass begonnen haben, auf den sie sich seit Langem vorbereiten“.“ (https://www.spiegel.de/ausland/russland-beginnt-offenbar-offensive-im-osten-der-ukraine-zweite-phase-hat-begonnen-a-42c6d413-cf2f-4f42-b20b-68527b7887f1)

- Kreminna:

Die Russen konnten in der Nacht von Sonntag auf Montag nach eineinhalb Monaten in die Stadt Kreminna eindringen. Mehrere Wohnhäuser und ein Sportkomplex wurden zerstört. Die Russen setzten umfassende Panzerkräfte ein. Von einst 18.000 Einwohnern harren noch etwa 4.000 Zivilisten in der Stadt aus.

- Sjewjerodonezk:

Das russische Militär hat vergeblich versucht, nördlich der Stadt Sjewjerodonezk einen Brückenkopf zu bilden.

Süden:

- Mariupol:

Nach Angaben des Chefs der Streifenpolizei von Mariupol, Michajlo Werschinin, halten sich auf dem Werksgelände von „Asowstal“ auch zahlreiche Zivilisten auf, die dort in den letzten Wochen Schutz vor den russischen Luft- und Artillerieangriffen gesucht haben.

Aus Mariupol wurden am Montagmorgen erneut Luftangriffe durch Tupolew Tu-22M3 (NATO-Code: BACKFIRE-C) gemeldet. Außerdem setzen die Russen in Mariupol den Flammenwerfer TOS-1 BURATINO (= Tyazholaya Ognemotnaya Sistema, dt.: schweres Flammenwerfersystem) ein. (https://www.t-online.de/tv/nachrichten/politik/id_92017722/ukraine-krieg-experte-putins-truppen-setzen-nun-besonders-toedliche-waffe-ein.html)
Bei diesem „Flammenwerfersystem“ handelt es sich eigentlich um einen Feldraketenwerfer auf Basis des Fahrgestells des Kampfpanzers T-72, der 24 bis 30 Raketen (220-mm) verschießt. Jede Rakete hat bei einer Länge von 3,3 m ein Gewicht von 173 kg. Es handelt sich dabei um Brandraketen mit einem thermobarischen Gefechtskopf aus einer Mischung von Isopropylnitrat und Magnesiumpulver. Bei seiner Detonation erzeugt der Gefechtskopf eine große Hitze und Druckwirkung. Die Feuergeschwindigkeit für die 30 Raketen liegt in der Regel bei 15 Sekunden, so dass dadurch eine große Fläche (200 x 400 m) zeitnah beschossen werden kann. (https://de.wikipedia.org/wiki/TOS-1)

Westen:

- Lwiw:

Die russischen Streitkräfte haben ihre Flugkörperangriffe wieder aufgenommen. Der Bürgermeister Andrij Sadowyj teilt mit, in der Stadt seien fünf Raketen eingeschlagen. Es gab mindestens sechs Tote und elf Verletzte. Unter anderem wurde ein Reifenservice getroffen, dabei wurden 40 Autos beschädigt, ein weiterer Einschlag beschädigte die Eisenbahngleise.

Psychologische Kriegsführung:

Die russischen Besatzer werden in der Ukraine inzwischen vielfach als Okkupanten bezeichnet, wie einst die Deutschen im Zweiten Weltkrieg. Vor allem aber nennt man sie „Raschisten“ - eine Mischung aus „Raschja“, wie Russland auf Englisch ausgesprochen wird, und „Faschist“. Damit kontern die Ukrainer auch eine von Moskaus Begründungen für den Angriffskrieg - dass ihr Land von angeblichen Faschisten gesäubert werden müsse.

Um den Kampf gegen Russland als Kampf von Gut gegen Böse zu kennzeichnen, wird von den eigenen Truppen als „Kämpfer des Guten“ gesprochen. Bereits vor Bekanntwerden der Gräueltaten in den Vororten der Hauptstadt wurden die russischen Soldaten als „Orks“ bezeichnet - also als plündernde Banden unmenschlicher Wesen und willige Vollstrecker des Bösen. Somit kommen die russischen Truppen vermeintlich aus „Mordor“, einer Brutstätte des Bösen in Anlehnung an die Fantasiewelt von J. R. R. Tolkien und seinem Roman „Herr der Ringe“. (https://www.n-tv.de/politik/10-16-Branchenchef-Embargo-macht-fliegen-teurer-fuehrt-aber-nicht-zu-grossen-Ausfaellen--article23143824.html)

Verluste:

Die russischen Streitkräfte haben in der letzten Nacht – nach eigenen Angaben - mehr als 100 Ziele beschossen. Mit ISKANDER habe man vier Zeughäuser zerstört. Generalmajor Igor Konaschenkow erklärte: „Die Heeresflieger haben acht Panzer und andere gepanzerte Fahrzeuge vernichtet sowie bis zu einer Kompanie an Mannstärke.“ Man haben zwei ukrainische Mikojan-Gurewitsch Mig-29 nahe der Stadt Isjum und eine Suchoi Su-25 nahe Awdijiwka, abgeschossen. Nach anderen Angaben haben die Russen gar 315 Ziele beschossen. (https://www.t-online.de/nachrichten/ausland/id_92001842/++-news-zum-ukraine-krieg-++-russische-truppen-ruecken-offenbar-in-kreminna-ein.html)

Der ukrainische Minister für Infrastruktur, Oleksander Kubrakow, teilte mit, 8.000 km Straßen müssten repariert werden, außerdem mehr als 300 Brücken. (https://www.spiegel.de/ausland/russischer-angriff-in-der-westukraine-raketen-schlagen-in-lwiw-ein-a-b9269499-6cb4-47c8-90fd-c219322d6319)

ABC-Waffen:

Chemiewaffen:

Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko sieht sein Land auch einem möglichen russischen ABC-Angriff ausgesetzt: „Wir rechnen mit allem: Chemischen Waffen, Atomwaffen. Wir haben schon einen Genozid gesehen.“ (https://www.focus.de/politik/ausland/stimmen-zum-ukraine-krieg-selenskyj-wirft-russland-geplante-ausloeschung-des-gesamten-donbass-vor_id_57275780.html) Aufgrund der Lage in Mariupol ist es durchaus möglich, dass die russischen Truppen Chemiewaffen gegen die ukrainischen Verteidiger im Stahlwerk „Asowstal“ einsetzten, wie Jan van Aken, Chemiewaffenexperte bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung und früherer Bundestagsabgeordneter der Linkpartei (2009-2017) einräumen musste:

„Mariupol ist so ein Szenario, für das die schrecklichen Chemiewaffen entwickelt wurden. Die Verteidiger verschanzen sich im Stahlwerk, es wird Wochen dauern, sie dort zu vertreiben. Giftgas wurde im Ersten Weltkrieg von Deutschen entwickelt, um die gegnerischen Soldaten in ihren Stellungen zu töten.“ (https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-04/chemiewaffen-einsatz-russland-ukraine-krieg/komplettansicht)

Wie umfangreich das sowjetische Chemiewaffenarsenal einmal war, konnte nie genau ermittelt werden. Wahrscheinlich hatten selbst die Russen ihren Überblick über das eigene Potential verloren. Es setzte sich aus in Waffen abgefüllten Kampfstoff und in Tanks eingelagerte Kampfstoffe zusammen. Aufgrund der langen Lagerungszeiten und der nicht immer vorschriftsmäßigen Unterbringung war ein Teil der Tanks kaputt und stellte daher eine Gefahr für Mensch und Umwelt dar. Neben Leckagen und anderen Unfällen wurden in der Sowjetunion in den Jahren 1930 bis 1998 etwa 300.000 Tonnen chemischer Abfälle unsachgemäß entsorgt. Sicher ist nur, dass das Chemiewaffenarsenal der UdSSR das mit Abstand umfangreichste Potential der Welt war.

Offiziell hat die russische Regierung im Rahmen der Vertragsverhandlungen einen Gesamtbestand von insgesamt 39.967 Tonnen deklariert. Ein Viertel des Bestandes waren Hautkampfstoffe (Senfgas und Lewisit), drei Viertel waren Nervenkampfstoffe. Damit war ihr Potential wesentlich größer als das der USA, dem mit – nach unterschiedlichen Angaben - ca. 25.000 bis 31.000 Tonnen zweitgrößten Besitzer. Allerdings gab es in den achtziger Jahren Gerüchte, wonach die Sowjetunion real über bis zu 70.000 Tonnen verfügte.

An chemischer Munition verfügte die Sowjetunion über Artilleriegranaten (122 bis 152 mm) (Lewisit, Sarin, VX), Feldraketen (122 bis 240 mm) (Sarin oder VX), Gefechtsköpfe für Boden-Boden-Raketen (VX), Flugzeugbomben (100 bis 250 kg) (Senfgas, Lewisit oder Sarin) und Sprühtanks (250 bis 1.500 kg) (Senfgas, Lewisit, Soman), usw.. Die sogenannten „chemischen Truppen“ hatten einen Personalbestand von 60.000 bis 80.000 Mann (zum Vergleich: die ABC-Truppe der Bundeswehr umfasste damals ca. 9.000 ABCisten). Es gab über hundert Labore, die sich mit der Erforschung und Entwicklung von Chemiewaffen beschäftigten.

Am 1. Juni 1990 unterzeichneten die USA und die damalige UdSSR in Washington das bilaterale Chemiewaffenabkommen (offz.: Agreement on Destruction and Non-production of Chemical Weapons and on Measures to Facilitate the Multilateral Convention on Banning Chemical Weapons). Darin verpflichteten sich beide Seiten, ihre Bestände bis 2012 vollständig zu vernichten. Allerdings erwies sich die sichere Delaborierung als schwieriger, zeitaufwendiger und kostspieliger, als von den Vertragsparteien ursprünglich angenommen, so dass sie sich wechselseitig eine Fristverlängerung genehmigten. Demnach meldete Russland am 27. September 2017 – vor dem Hintergrund der Chemiewaffeneinsätze in Syrien - die vollständige Vernichtung ihres Chemiewaffenpotentials, während die US-Regierung versicherte, sie werde bis 2023 ihre Restbestände abgeschafft haben. Um die Zerstörung der Chemiewaffen sicher zu stellen, wurden mit dem Abkommen wechselseitig Vor-Ort-Inspektionen vereinbart. Zur Vernichtung der Bestände wurden spezielle Entsorgungsanlagen mit finanzieller Unterstützung der USA und der BRD, etc. aufgebaut:

 

„Russia has stored its chemical weapons (or the required chemicals) which it declared within the CWC at 8 locations: in Gorny (Saratov Oblast) (2.9% of the declared stockpile by mass) and Kambarka (Udmurt Republic) (15.9%) stockpiles already have been destroyed. In Shchuchye (Kurgan Oblast) (13.6%), Maradykovsky (Kirov Oblast) (17.4%) and Leonidovka (Penza Oblast) (17.2%) destruction takes place, while installations are under construction in Pochep (Bryansk Oblast) (18.8%) and Kizner (Udmurt Republic) (14.2%).“ (https://en.wikipedia.org/wiki/Russia_and_weapons_of_mass_destruction)

Das amerikanisch-sowjetische Chemiewaffenabkommen öffnete den Weg für die internationale Chemiewaffenkonvention (offiz.: The Convention on the Prohibition of the Development, Production, Stockpiling and Use of Chemical Weapons and on their Destruction – CWC). Diese wurde am 3. September 1992 auf der Genfer Abrüstungskonferenz vereinbart, trat aber erst am 29. April 1997 in Kraft. Darin verpflichten sich die Unterzeichnerstaaten bis zum Jahr 2012 ihre Chemiewaffenbestände zu vernichten. Im Verifikationsanhang werden die Chemikalien in Abhängigkeit von ihrem Missbrauchsrisiko in den Listen 1, 2 und 3 aufgeführt. Ende November 2019 wurde die Liste erstmals erweitert. Neu aufgenommen wurden Kampfstoffe der Novitschok-Gruppe. Dabei gibt es für die Giftigkeit der chemischen Kampfstoffe kein absolutes Maß, da sie vom Körpergewicht, der Art der Aufnahme, der Dauer der Einwirkung, der gesundheitlichen Konstitution des Opfers etc. abhängt. In der Regel wird die Toxizität mit dem Wert „LD50“ angegeben, das ist die „letale Dosis“, bei der 50 Prozent der Probanden versterben.

Zur Überwachung der Einhaltung des Abkommens wurde die Organisation of the Prohibition of Chemical Weapons (OPCW) mit Sitz in Den Haag (Niederlande) beauftragt. Seit Inkrafttreten des CWC wurden nachweislich 70.000 Tonnen chemischer Waffen, d. h. knapp 97 Prozent der weltweit von den Vertragsstaaten deklarierten Bestände, vernichtet. Nach dem Giftanschlag auf den früheren GU-Oberst Sergei Skripal am 4. März 2018 in Salisbury (Großbritannien) wurde gegen Russland Ende August 2018 eine Sanktion ausgesprochen, daraufhin versuchte die russische Propaganda die Arbeit der OPCW zu desavouieren.

Da man nicht weiß, wieviel Kampfstoff die Sowjetunion einst besaß, kann man auch nicht sagen, wieviel davon nach dem amtlichen Vernichtungsprogramm noch vorhanden ist. So ist es möglich und möglicherweise auch wahrscheinlich, dass Russland noch ein geheimes Potential verschiedener Kampfstoffe unterhält und einsetzen könnte:

- Chlorgas: Chlor ist ein giftiges Gas, allerdings gilt es eigentlich nicht als „Giftgas“ im modernen Sinne. Im ersten Jahr des Ersten Weltkriegs, als noch keine anderen chemischen Waffen zur Verfügung standen, wurde es am 22. April 1915 erstmals von den deutschen Truppen bei Langemarck in der belgischen Provinz Ypern eingesetzt und ging damit in die Geschichte der Chemiewaffen ein.

Chlor entsteht als Abfallprodukt bei verschiedenen chemischen Prozessen und wird – normalerweise – als Desinfektionsmittel oder Bestandteil in Medikamenten eingesetzt. Chlor ist schwerer als Luft und sammelt sich daher in Kellergeschossen und Bunkern. Ab Temperaturen über 34 Grad ist es sehr flüchtig. Chlor bildet in der Lunge Säuren, die die Lungenbläschen verätzen und Bluthusten auslösen. Das Einatmen von Luft mit einem Prozent Chlorgehalt ist tödlich, drei Gramm Chlor pro Kubikmeter Luft führen schon nach wenigen Atomzügen zum Tod.

Weil die chemische Industrie in großen Mengen herstellt, sind Chlorgasbestände nur schwierig zu kontrollieren. Im Ukrainekrieg wurden mehrere Chemiefabriken von den russischen Truppen angegriffen und dabei in einem Fall Chlortanks beschädigt. Zuletzt wurde es 2017 und 2018 von den syrischen Truppen mittels „Fassbomben“ eingesetzt.

- Phosgen: „Phosgen“ ist der Trivialname für die Chlor-Verbindungen Kohlenoxiddichlorid oder Carbonylchlorid, (COCl2). Es ist ein farbloses, aber süßlich nach faulem Obst oder Heu riechendes Gas. Dieser Lungenkampfstoff wirkt wie Chlor auf die Lunge, ist aber schlechter wasserlöslich und daher effektiver. 1916-18 gingen die meisten Gas-Toten der insgesamt 90.000 Chemieopfer, auf den Einsatz von Phosgen (dt. Militärcode: GRÜNKREUZ) zurück.

- Senfgas: „Senfgas“ oder „Lost“ oder „Yperit“ sind die Trivialnamen für die Chemikalie Bis(2-chlorethyl)sulfid (C4H8Cl2S). Der Name „Senfgas“ stammt vom typischen Geruch des nicht hochgereinigten Produktes nach Senf oder Knoblauch, was auf Verunreinigungen durch Schwefelteilchen zurückzuführen ist. Der deutsche Militärcode lautete GELBKREUZ. Senfgas ist eigentlich kein Gas, sondern eine ölige Flüssigkeit, der Siedepunkt liegt erst bei 217 Grad. Dieser Hautkampfstoff durch die Haut und ist ein schweres Zellgift. Es bilden sich große, stark schmerzende Blasen (Läsionen). Die Verletzungen heilen schlecht und können Hautkrebs verursachen. Befallene Extremitäten müssen manchmal amputiert werden. Eingeatmet zerstört Senfgas die Bronchien. Von Lebensmitteln. Gummi-haltigen oder porösen Materialien wird es sehr gut aufgesaugt, daher ist es besonders sesshaft.

- Lewisit: Lewisit ist eine ebenfalls ölige und zudem nach Geranien riechende Flüssigkeit. Es handelt sich um. 2-Chlorvinyldichlorarsin (C2H2AsCl3). Der Hautkampfstoff wurde 1918 von dem amerikanischen Chemiker Winford Lee Lewis als Kampfstoff entdeckt und dringt durch Kleidung, Leder und Gummi. Es ist ein Kontaktgift mit einer ziemlich kurzen Einwirkzeit. Wie Senfgas führt es zu starken Blasenbildungen auf der Haut. Sofort setzt ein starkes Brennen ein, nach 30 Minuten bilden sich Erytheme (Hautrötungen); nach 12 Stunden werden daraus scharf begrenzte, oberflächliche Blasen, bis zu tiefen schmerzhaften Nekrosen (abgestorbenes, schwarzverfärbtes Gewebe). Die „mittlere letale Dosis“ beträgt 20 mg/kg KG.

- Sarin: Sarin ist der Trivialname für Methylfluorphosphonsäureisopropylester (C4H10FO2P), einen Nervenkampfstoff aus der Gruppe der Phosphonsäureester. Der Kampfstoff wurde in den dreißiger Jahren von der deutschen „I. G. Farben“ entwickelt. Es handelt sich um eine farblose Flüssigkeit, der Siedepunkt liegt bei 147 Grad.

Sarin ist ein Nervenkampfstoff: Der Name rührt daher, dass diese Substanzen die chemische Informationsübertragung blockieren: Befehle des Gehirns an die Muskulatur werden durch den Botenstoff Acetylcholin übertragen. Hat die Arm- oder Beinmuskulatur die angestrebte Bewegung ausgeführt, muss das Acetylcholin durch ein entsprechendes Enzym, die Acetylcholinesterase (AChE), wieder abgebaut werden. Die Nervenkampfstoffe blockieren dieses Enzym in den Synapsen des vegetativen Nervensystems und den motorischen Endplatten der Muskulatur, so dass der Körper in wenigen Minuten mit Acetylcholin überschwemmt wird. Die Folgen sind starke Speichelfluss. Erbrechen, Durchfall, Sehstörungen, Muskelkrämpfe, Muskelzittern. Es kommt schließlich zur Atemlähmung oder einem Kammerflimmern bis hin zum Herzstillstand.

Bei oraler Applikation führt eine Menge von 0,022 mg/kg (1,65 mg bei einer 75 kg schweren Person) zu milden Vergiftungssymptomen, bei einer Menge von insgesamt 2,1 mg bei einer gleichschweren Person sind die Vergiftungssymptome moderat. Die tödliche Dosis Sarin beträgt gerademal 10,5 mg bei einer 75 kg schweren Person.

Die Symptome beschrieb Mark Urban („Die Akte Skripal – Der neue Spionagekrieg und Russlands langer Arm in den Westen“, München, 2018, S. 247f) folgendermaßen:

„AChE reguliert das Zentralnervensystem als Hemmer für die nervenaktivierenden Impulse, die sein Pendant, das Acetylcholin, aussendet, es schaltet sie sozusagen aus. Ohne AChE bleiben bestimmte Körperfunktionen – Schwitzen oder Urinieren etwas – einfach „angeschaltet“. In kritischem Zustand wird das Zwerchfell potenziell mit Botschaften überfrachtet, woraufhin sich die Atmung so massiv beschleunigt, dass alle Muskeln versagen und schließlich auch die Atmung aussetzt. Bleibt jemand längere Zeit in diesem Zustand, wird das Gehirn regelrecht geflutet von Acetylcholin, das als Neurotransmitter fungiert und praktisch Kurzschlüsse im zentralen Nervensystem auslöst, was wiederum zu einer Dauerschädigung des Hirns führt. In dieser fatalen Lage, unter Fachleuten bekannt als cholinerge Krise, befanden sich die beiden Patienten (gemeint sind Sergei Skripal und seine Tochter Julia, G. P.).“

Als Medikation werden drei Mittel verabreicht: das Antidot Atropin, Pralidoximchlorid und Diazepam plus Sauerstoff, etc..

- VX: VX ist ein weiteres Nervengift, das in den 1950ern von schwedischen Chemikern zufällig entdeckt wurde. Der chemische Name lautet „(RS)-O-Ethyl-S-2-diisopropylamino-ethylmethylphosphonothiolat“, die Summenformel C11H26NO2PS. Es handelt sich um eine sirupartige Substanz. In reiner Form ist es farb- und geruchlose, aber durch Verunreinigungen oft leicht gelbliche, ölige Flüssigkeit. Je nach Herstellungsverfahren und Reinheit kann VX einen schwachen Geruch nach fauligem Fisch aufweisen.

Der sogenannte LD50-Wert, bei dem die Hälfte der Probanden versterben. Liegt für einen durchschnittlichen Erwachsenen liegt bei etwa 1 mg bei respiratorischer Aufnahme (über die Atemwege), beziehungsweise 10 mg bei Aufnahme über die Haut. Es sind jedoch auch Todesfälle bei Aufnahme deutlich geringerer Dosen (4 μg/kg oral) beschrieben worden. Lange Zeit galt die Substanz als der letalste Nervenkampfstoff, als sei eine weitere Steigerung der Toxizität nicht mehr möglich, bis in den siebziger Jahre Novitschok aufkam. VX lässt sich Binärkampfstoff einsetzen, d. h., der Stoff wird erst im Einsatzfall aus zwei relativ ungefährlichen Ausgangsstoffen zusammengemischt, das erhöht die Sicherheit bei der Lagerung und Handhabung dieses Kampfstoffs. Von dem Ultragift VX gibt es verschiedene Varianten: Das russische Derivat ist unter verschiedenen Namen bekannt: „VR“, „r-33“ oder „Substanz 33“. In der Sowjetunion wurde der Kampfstoff ab 1956 in Wolgograd (vormals Stalingrad) produziert. (https://www.faz.net/aktuell/wissen/physik-mehr/die-geschichte-und-gegenwart-der-chemischen-kampfstoffe-13571422.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2)

- Novitschok: Unter dem Namen „Novitschok“ wird eine Gruppe verschiedener Kampfstoffe zusammengefasst. Es handelt sich dabei weniger um Chemiewaffen für den gefechtsmäßigen Gebrauch, sondern vielmehr um Sabotagegifte, die gezielt gegen einzelne Personen oder eine kleine Gruppe eingesetzt werden. Es ist ein fünf- bis zehnmal giftigeres Gift als „VX“. Der Kampfstoff wurde in Russland vom Staatlichen Forschungsinstitut für Organische Chemie und Technologie (Gosudarstvennyy nauchno-issledovatel'skiy institut organicheskoy khimii i tekhnologii – GosNIIOHkT oder NIIOChT) entwickelt. Das Institut hat seinen Sitz in Moskau (Entuziastov Chaussee 23). Allerdings bestreitet die russische Regierung bis heute, was jeder weiß, dass Novitschok existiert.

Erst ab Oktober 1991 wurde die Existenz von Novitschok einer größeren Öffentlichkeit bekannt, als Wil S. Mirsajanow, der früher am sowjetischen Chemiewaffenprogramm beteiligt war, davon berichtete. Die russische Staatsanwaltschaft leitete gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen Geheimnisverrats ein. Am 24. Januar 1994 kam es zum Prozess. Im Jahr 1995 wanderte Mirsajanow in die USA aus, später gab er weitere Details über den „neuen“ Kampfstoff bekannt:

Seit 1971 wurden mehrere hundert Organophosphate im Rahmen des Programms FOLIANT auf ihre Toxizität getestet, ein paar erwiesen sich als Ultragifte: Die Novitschok-Gruppe setzt sich aus mehreren Substanzen zusammen, allerdings ist die Namenszuordnung aufgrund der extremen Geheimhaltung in den verschiedenen Quellen nicht einheitlich., daher sind Abweichungen gegenüber der folgenden Darstellung möglich:

A-230: Die „Novitschok“-Nummerierung ist unbekannt. Die chemische Formel lautet C3H4Cl2F2NO3P. Der chemische Name lautet [[(2-chloroethoxy)fluorohydroxyphosphinyl]oxy]carbonimidic chloride fluoride. Allein von A-230 gibt es über 100 Varianten, aber die meisten sind instabil. Es wurde insbesondere für den Einsatz bei tiefen Außentemperaturen entwickelt.

A-232: Die „Novitschok“-Nummerierung ist unbekannt, gelegentlich wird sie mit „Nowitschok-5“ angegeben. Die chemische Formel lautet C4H6Cl2F2NO3P. Der chemische Name lautet [[(2-chloro-1-methylethoxy)fluorohydroxyphosphinyl]oxy]carbonimidic chloride fluoride.

A-234: Die „Nowitschok“-Nummerierung ist unbekannt, gelegentlich wird sie mit „Nowitschok-7“ angegeben. Seine chemische Formel ist C5H8Cl2F2NO3P. Seine chemische Bezeichnung lautet [[(2-chloro-1-methylpropoxy)fluorohydroxyphosphinyl]oxy]carbonimidic chloride fluoride. Im Jahr 1998 konnte der Bundesnachrichtendienst (BND) in Pullach einen Überläufer aus dem russischen Chemiewaffenprogramm anwerben. Er lieferte eine kleine Menge Nowitschok der Variante A-234.

A-242: Bei A-242 handelt es sich um die binäre Variante von A-232, die 1987 entwickelt wurde und ab 1991 unter der Bezeichnung „Novitschok-5“ bei den Streitkräften eingeführt wurde.

A-262: A-262 ist auch als „Novitschok-7“ bekannt. Es wurde 1993 von Prof. Georgi Drozd entwickelt.

Auch an der Entwicklung der binären Kampfstoffe „Novitschok-8“ und „Novitschok-9“ arbeitete man, in wie weit diese Projekte abgeschlossen werden konnten, ist hier nicht bekannt. Novitschok gibt es als Pulver, (zähflüssige) Flüssigkeit und Aersosol.

Eine Besonderheit von Novitschok ist, dass das Gift starke Angstgefühle auslöst. Es kommt schließlich zu einer Atemlähmung oder einem Kammerflimmern bis hin zum Herzstillstand. Unklar ist, wie der Körper versucht das Gift durch Metabolisierung loszuwerden. Die Putin-Regierung hat den Kampfstoff gegen verschiedene Oppositionelle im In- und Ausland eingesetzt. Da Novitschok ein relativ neuer Kampfstoff ist, über den bisher nur in Einzelfällen (Iwan Kiwelidi und seine Sekretärin Zara Ismailowa (1995), Emilian Gebrew (2015), Sergej und Julia Skripal (2018) sowie Alexej Nawalny (2020) Einsatzerfahrungen vorliegen, betritt die Medizin hier absolutes Neuland. Dr. Duncan Murray, Leiter der Intensivstation vom Salisbury District Hospital, wo die Sergej und Julia Skripal therapiert wurden, berichtete:

„Man weiß ja nicht Bescheid über die sogenannte Reaktionskinetik des Giftes: wann seine Wirkung den Gipfelpunkt erreicht, wie lange sie andauert, wann mit einer Besserung zu rechnen ist … welche Stoffwechselprodukte des Giftes welche Langzeiteffekte verursachen, ja die Langzeiteffekte überhaupt.“

Da die verschiedenen Giftgase mehr oder weniger flüchtig sind, vom Wind verweht werden und sich unter UV-Sonneneinstrahlung zersetzen, könnte es nach einem Chemieangriff schwierig sein, einen solchen im Nachhinein zweifelsfrei nachzuweisen. Bei Sabotagegiften wie Novitschok ist ein Nachweis schwierig, da der Kampfstoff nur in geringsten Mengen appliziert wird, deren Abbauprodukte im Blut nur dann nachweisbar sind, wenn man gezielt danach sucht und über die entsprechenden HighTech-Analysegeräte verfügt.

USA:

Angesichts der barbarischen Aggressivität und Kriminalität der Russen hat die US-Regierung ihre Konsequenzen gezogen und setzt diese nun um. Die USA wollen Russlands Rüstungsindustrie zerstören: „Die nächste Phase unserer Arbeit wird darin bestehen, Russlands Kriegsmaschinerie Stück für Stück zu zerlegen, indem wir den militärisch-industriellen Komplex und seine Lieferkette zerstören“, kündigte Vize-Finanzminister Adewale O. „Wally“ Adeyemo an. Mithilfe weiterer Sanktionen und Exportkontrollen solle verhindert werden, dass das russische Militär seine Vorräte aufstocke. Die Strafmaßnahmen zielten daher besonders auf Schlüsselsektoren wie Luft- und Raumfahrt und Elektrotechnik. Es bleibt abzuwarten, welche Folgen dies für die globalen Machtverhältnisse haben wird. (https://www.spiegel.de/ausland/russischer-angriff-in-der-westukraine-raketen-schlagen-in-lwiw-ein-a-b9269499-6cb4-47c8-90fd-c219322d6319)

BRD:

Medizinische Hilfe: Mehr als 1.100 Ärzte haben sich nach Angaben der Bundesärztekammer in einem Online-Portal registriert, um in der Ukraine oder ihren Nachbarstaaten bei der Behandlung von Kranken und Kriegsverletzten zu helfen.

Russophilie: Polizei und Staatsanwaltschaften in mehreren Bundesländern haben mehr als 140 Ermittlungsverfahren wegen der Befürwortung des russischen Angriffskriegs (§ 140 StGB) eingeleitet. In der Mehrheit der Fälle geht es um die Verwendung des "Z"-Symbols („Za Pobedu“, dt.: „Für den Sieg“): Hamburg (17 Verstöße) Nordrhein-Westfalen (37), Sachsen-Anhalt (mindestens 19), … Bayern hat keine entsprechenden Daten erhoben. Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) betonte jedoch, die bayerischen Staatsanwaltschaften gingen konsequent gegen Personen vor, die den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg öffentlich billigten. (https://www.n-tv.de/panorama/140-Verfahren-gegen-Befuerworter-des-russischen-Einmarsches-article23273425.html)

An der Ganztagsgrundschule Nord in Hildesheim (Justus-Jonas-Straße 3) haben unbekannte Täter zwei Hakenkreuze und das Z-Symbol auf Holztafeln aufgesprüht, die an der Umzäunung befestigt sind. (https://www.braunschweiger-zeitung.de/niedersachsen/article235104691/Z-Symbol-an-Schule-in-Hildesheim-Staatsschutz-errmittelt.html)

Serbien:

Serbien beschuldigt die Ukraine und einen ungenannten EU-Staat, den Flugverkehr von „Air Serbia“ zwischen Belgrad und Moskau mit falschen Bombenalarmen zu hintertreiben. In den vergangenen Wochen mussten Passagiermaschinen nach Bombendrohungen wiederholt umkehren, der Flughafen von Belgrad wurde mehrmals evakuiert. Der serbische Präsident Aleksandar Vucic erklärte: „Ausländische Dienste von zwei Ländern tun das. Eines ist ein EU-Land, und die Ukraine ist das andere Land.“ Belege dafür nennt er nicht. (https://www.n-tv.de/politik/10-16-Branchenchef-Embargo-macht-fliegen-teurer-fuehrt-aber-nicht-zu-grossen-Ausfaellen--article23143824.html)

EU:

Putins hauseigener Apokalypse-Clown, Dmitri Medwedew, macht sich Sorgen um den ökonomischen Untergang der verarmten EU: „Die Zahlungsunfähigkeit Russlands könnte zur Zahlungsunfähigkeit Europas werden“, schrieb der Vizechef des russischen Sicherheitsrats. Die EU wolle „sein“ Land in den Bankrott treiben. Das sei die „geheime Absicht der Masochisten aus Brüssel“.

Medwedew warnte die Europäer zudem vor weiteren Folgen der Sanktionen, die wegen des Angriffskriegs auf die Ukraine gegen sein Land verhängt wurden. Als Beispiele nannte er eine Hyperinflation, die dann „nicht länger den bösen Russen zugeschrieben werden“ könne, sowie einen Mangel an Grundnahrungsmitteln. Nicht zuletzt würden die vielen, bösen Ukrainer eine „Welle von Gewaltverbrechen“ entfachen. (https://www.focus.de/politik/ausland/stimmen-zum-ukraine-krieg-selenskyj-wirft-russland-geplante-ausloeschung-des-gesamten-donbass-vor_id_57275780.html)