Spanien: Adios NATO?
Gerhard Piper
10. Oktober 2025
Die politischen Krämpfe im Weißen Haus setzen sich unvermindert fort. Während der russische Präsident Wladimir Putin die NATO aus Europa rausschmeißen möchte, begnügt sich der amerikanische Präsident Donald Trump erst einmal damit, die Spanier aus der NATO rauszuschmeißen, denn die Spanier zahlen nicht genug für ihre Verteidigung. Daher ist Trump ganz traurig, richtig traurig. Aber er selbst hat sich zumindest vorrübergehend entschieden, in der NATO zu bleiben. Vermutlich werden die Spanier zu dem Plänen der Amerikaner sagen: „No!“
NATO-Streitereien um Geld und Beistandspflichten
Von Winston Churchill stammt der Satz: „There is only one thing worse than fighting with allies, and this is fighting without them.“ Zwar waren die USA die treibende Kraft bei der Gründung der NATO am 4. April 1949, aber spätestens seit Mitte der sechziger Jahre, als die USA immer mehr in den kostspieligen Vietnamkrieg verstrickt wurden, gibt es zwischen Amerikanern und Europäern Streit über ein faires „burden sharing“ innerhalb der North Atlantic Treaty Organization (NATO, span. Bez.: Organización del Tratado del Atlántico Norte – OTAN).
Die Kritik von Donald Trump am Verteidigungshaushalt der NATO ist keineswegs neu: Schon am 2. September 1987, kurz nach seinem ersten Moskaubesuch, schaltete Trump am 2. September in der „New York Times“, der „Washington Post“ und dem „Boston Globe“ eine ganzseitige Anzeige mit dem Titel „There's nothing wrong with America's Foreign Defense Policy that a little backbone can't cure. - An open letter from Donald J. Trump on why America should stop paying to defend countries that can afford to defend themselves.“ Darin behauptete er, die US-Regierung würde zuviel Geld für die Verteidigung ihrer europäischen Verbündeten ausgeben, die Partnerländer sollten für ihre eigene Verteidigung selbst bezahlen:
„Why are these nations not paying the United States for the human lives and billions of dollars we are losing to protect their interests? (...) The world is laughing at America’s politicians as we protect ships we don’t own, carrying oil we don’t need, destined for allies who won’t help.“[1]
Immerhin hatten die Regierungschefs der NATO-Staaten beim Gipfel am 4./5. September 2014 in Newport (Wales) das „Defence Investment Pledge“ (DIP) vereinbart, eine Erhöhung der nationalen Verteidigungsausgaben auf 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) innerhalb von zehn Jahren.[2] Die fiskalpolitische Selbstverpflichtung war nicht rechtlich bindend formuliert, sondern nur eine politische Absichtserklärung, zumal die NATO eine internationale und keine supranationale Organisation ist, so dass die Mitgliedsstaaten in ihrer nationalen Souveränität selbst über die Höhe ihres Militärhaushaltes entscheiden. Tatsächlich sollte es elf Jahre bis 2025 dauern, bis nahezu jeder einzelne NATO-Staat dieses Ziel in die Praxis umgesetzt hat.[3] Immerhin gaben die europäischen NATO-Staaten bereits 2024 eine ungeheuerliche Gesamtsumme von 485 Milliarden Dollar für ihre Kriegsvorbereitungen gegenüber der drohenden russischen Aggression aus. Das ganze Politgetöse des U.S.-Präsidenten wegen der mangelnden Bündnistreue der Europäer erwies sich als allzu überzogenes Drohgelaber.
Während des Präsidentschaftswahlkampfes im März 2017 beklagte Trump erneut, die europäischen NATO-Staaten würden nicht „their fair share“ für die gemeinsamen Verteidigungsaufwendungen aufbringen. Außerdem stellte Trump fest, die NATO sei „obsolete“.
Beim NATO-Gipfel am 11./12. Juli 2017 in Brüssel wollte Trump „spontan“ aus der NATO austreten. Der ehemalige National Security Advisor John Robert Bolton (Amtszeit: 9.4.2018 - 10.9.2019) konnte Trump quasi in letzter Minute davon abhalten. In seinen Memoiren „The Room Where It Happened: A White House Memoir“ berichtete Bolton 2020, was Trump damals sagte:
„Am Mittwochmorgen (12. Juli 2017, G. P.) ging ich vor dem Frühstück mit Stoltenberg (gemeint ist Jens Stoltenberg, Generalsekretär der NATO [Amtszeit: 1.10.2014 – 1.10.2024], G. P.) und seinen Beratern zur Vorbesprechung mit Trump. Dieser betrat einen kleinen Speisesaal im zweiten Stock der Residenz, wo Mattis, Pompeo, Kelly, Hutchison und ich warteten, und sagte: (…)
„Es ist sehr traurig, wenn Deutschland ein massives Öl- und Gasgeschäft mit Russland macht. Wir schützen all diese Länder, und sie schließen ein solches Geschäft ab. Wir sollen sie schützen und doch zahlen sie all dieses Geld an Russland. Deutschland wird von den Russen vollständig kontrolliert. Deutschland zahlt etwas mehr als ein Prozent, wir zahlen über vier Prozent. Das geht schon seit Jahrzehnten so … Wir werden etwas tun müssen, denn wir werden uns das nicht gefallen lassen. Deutschland wird von Russland gefangen genommen.“ (…)
Ich möchte draußen sagen, dass wir gehen, weil wir sehr unglücklich sind“, fuhr er fort, wandte sich an Pompeo und trug ihm auf: „Ich möchte, dass Sie das hinbekommen.“ (...)
Trump winkte mich zu sich und fragte: „Werden wir es tun?“ Ich drängte ihn, es nicht zu tun, und sagte, er solle straffällige Mitglieder dafür bestrafen dass sie nicht ausreichend für die Verteidigung ausgeben, aber nicht mit einem Rückzug oder einer Kürzung der US-Finanzierung drohen, „Also gehen Sie auf die Linie zu, aber überschreiten Sie sie nicht“, beendete ich meinen Vorschlag. Trump nickte, sagte aber nichts. (…) Die USA hielten die NATO für wichtig, sagte Trump, aber sie sei wichtiger für Europa, das weit entfernt sei. (…)
Trotz der fassungslosen Reaktion im riesigen Tagungsraum des Nordatlantikrates hatte Trump gesagt, er unterstütze die NATO, was es schwer machte, seine Bemerkungen als eine direkte Drohung auszulegen, das Bündnis zu verlassen. (…)
Der Kanadier Trudeau (Justin Pierre James Trudeau, kanadischer Premierminister [Amtszeit: 4.11.2015 – 14.3.2025], G. P.) fragte, „Nun, John, wird das hier auch explodieren?“ Ich antwortete: „Es bleibt noch viel Zeit, was könnte schiefgehen“, und wir beide lachten. Ich gab Trump eine Notiz über die Kürzung der Ausgaben für den gemeinsamen Fonds, die er an Stoltenberg weitergab, der bleich wurde, als er sie sah.“[4]
Als NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg im Mai 2018 das Weiße Haus besuchte, schlug ihm Trump vor, einen Teil der NATO-Mitgliedsstaaten aus der Allianz rauszuschmeißen. Dazu schreibt Stoltenberg in seinen Memoiren:
„Wie gewöhnlich sprang Trump von einem Thema zum anderen und unterbrach mit permanent. Aber er hatte gute Laune und beurteilte die Nato sehr positiv, obwohl er sich beschwerte, dass viele Länder och immer weit weniger als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung aufwandten. Vor allem Deutschland führte er an, aber auch Dänemark, die Niederlande und Norwegen wurden erwähnt. Reiche Länder, die eine moralische Pflicht hatten, mehr beizusteuern.
„Können wir sie rausschmeißen? Wäre Norwegen nicht besser mit einem schwedischen Modell gedient, wenn sie nicht bezahlen?“ erkundigte sich Trump. Sein Denken als Geschäftsmann schlug durch.“[5]
Am 30. August 2019 erklärte Trump bei einer Sitzung des National Security Council (NSC): „Die NATO ist mir scheißegal. Ich bin bereit zu sagen: „Wenn Sie nicht zahlen, werden wir sie nicht verteidigen.“
Im Februar 2024 drohte Trump im Präsidentschaftswahlkampf damit, Russland zum Angriff gegen Verbündete zu animieren, wenn diese nicht genügend Mittel für ihre Landesverteidigung aufbringen: „You didn´t pay? You´re delinquent? (…) No I would not protect you, in fact I would encourage them to do whatever they want. You gotta pay.“ Anschließend beklagte kein europäischer Vasall einen Fall von Hochverrat.
Beim NATO-Gipfel in Den Haag (Niederlande) am 24./25. Juni 2025 einigten sich die europäischen NATO-Vasallen mit ihrem transatlantischen Führer auf eine Erhöhung ihrer jährlichen Militäretats auf 5 Prozent ihres jeweiligen Bruttoinlandsproduktes (BIP) ab dem Jahr 2032. Genau genommen sind es „nur“ 3,5 Prozent, aber durch Buchungstricks werden auch 1,5 Prozent „verteidigungsrelevante Ausgaben“ addiert. Dabei handelt es sich um zivile Infrastrukturmaßnahmen. So wird die Tragfähigkeit ziviler Straßenbrücken so ausgelegt, dass sie auch durch schwere Kampfpanzer befahren werden können.
Der spanische Regierungschef Pedro Sánchez Pérez-Castejón erklärte, die neue Ausgabenzielsetzung sei „unangemessen“ und „kontraproduktiv“ und forderte sogleich eine Ausnahme von der neuen Vereinbarung und eine „flexiblere Lösung“. Das Ausgabenziel von 5 Prozent sei „incompatible with our welfare state and our world vision“. Man wolle es bei dem bisherigen BIP-Anteil von ca. 2,1 Prozent belassen, das sind im Jahr 2025 immerhin 33,1 Milliarden Euro. Dies wurde von U.S.-Präsident Trump sogleich ablehnt: „Spanien war immer ein sehr schwacher Beitragszahler. Ich denke, Spanien muss zahlen, was alle anderen bezahlen müssen.“ [6]
Zugleich genehmigte sich Trump für die USA eine Ausnahme von der neuen Vereinbarung: „Ich denke, sie sollten das machen. Ich denke nicht, dass wir das sollten. Aber ich denke, sie sollten,“ erklärte Trump.[7] Da Trump die Russen schon früher ermuntert hatte, sie sollten jeden NATO-Staat angreifen, der seinen Bündnisverpflichtungen nicht nachkommt, stellt sich nun die Frage, ob dieser Appell an die Russen umgekehrt auch für die USA gilt.
Am 15. Juli 2025 erklärte Trump gegenüber der britischen „BBC“: „Eines der Probleme mit der Nato ist, wie ich bereits sagte, dass wir für sie kämpfen müssen, aber würden sie auch für uns kämpfen, wenn wir in einen Krieg geraten würden?“ Und: „Ich bin mir nicht sicher, ob ich das sagen kann: Aber ich glaube, dass Großbritannien an unserer Seite kämpfen würde.“[8] So machte Trump aus dem internationalen Bündnis von 32 Staaten auf drei Kontinenten eine bilaterale Verabredung zwischen zwei Nationen beidseits des Atlantiks.
Bereits im Juli 2018 hatte Trump schon mal die Seiten der Weltpolitik gewechselt: In einem „CBS“-Interview erklärte er: „Nun, ich denke, wir haben eine Menge Feinde. (…) Ich denke, die Europäische Union in ein Feind, was sie uns im Handel antun. (…) Man würde jetzt nicht unbedingt an die EU denken, aber sie sind ein Feind." Das von Trump benutzte englische Wort „foe“ kann mit „Feind“ oder „Gegner“ übersetzt werden.[9] Und im Dezember 2024 drohte Trump mit einem Angriff auf die dänische Insel Grönland: „Im Interesse der nationalen Sicherheit und der Freiheit in der Welt sind die USA der Ansicht, dass der Besitz und die Kontrolle von Grönland eine absolute Notwendigkeit sind.“
Am 15. Oktober 2025 kommen die Verteidigungsminister der 32 NATO-Staaten in Brüssel zusammen, um über den Fortgang der Militärausgaben zu debattieren.
NATO-Rauswurf?
Donald Trump ist nach wie vor verbittert darüber, dass die bösen Spanier sich nicht seinen Anweisungen unterwerfen wollen. Bei einem Treffen mit dem finnischen Präsidenten Cai-Göran Alexander „Alex“ Stubb erklärte drohte der U.S. Präsident den Iberern am 9. Oktober 2025 mit einem Rauswurf aus der NATO:
“As you know, I requested that they pay five percent, not two percent. And most people thought that was not going to happen, and it happened virtually unanimously. We had one laggard. It was Spain. Spain. (…) You have to call them and find why are they a laggard. (…) They are doing well too, because of a lot of things we’ve done. They’re doing fine. They have no excuse not to do this, but that's alright. Maybe you should throw 'em out of NATO frankly. (…)
I think Spain is terrible, what they’ve done. (…) That economy could be blown right out of the water with something bad happening.”
Zwar enthält der Nordatlantikvertrag von 1949 in Artikel 10 Bestimmungen für einen Beitritt zur NATO, und gemäß Artikel 13 ist es auch möglich, aus dem Bündnis auszutreten, allerdings weist der Vertrag keinerlei Festlegungen bzgl. eines Rauswurfs aus der NATO auf. Eine solche Möglichkeit ist politisch nicht gewünscht und im Vertrag schlicht nicht vorgesehen.
Allerdings behaupteten die „Wissenschaftlichen Dienste“ des Bundestages in ihrem Rechtsgutachten „Rechtliche Möglichkeiten des Ausschlusses eines NATO-Mitgliedsstaates aus dem NATO-Bündnis“ (8 Seiten) vom 25. Januar 2018, dass nach dem Völkergewohnheitsrecht der Ausschluss eines Mitgliedes gemäß der Ausschlussklausel der „Wiener Vertragsrechtskonvention“ (WVRK) vom 23. Mai 1969 prinzipiell möglich wäre, wenn man unterstellt, dass die WVRK auf den NATO-Vertrag anwendbar sei. Dann wäre ein Rauswurf möglich, wenn schwere Verstöße gegen wesentliche Vertragsbestimmungen vorliegen würden. Dies wäre z. B. dann gegeben, wenn ein Mitgliedsstaat einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg beginnt, gegen Demokratie- und Rechtsstaatsprinzipien verstößt oder der Verteidigungsfähigkeit der NATO schadet. In der Geschichte der NATO hat ein solches Fehlverhalten – z. B. seitens der U.S. Regierung – noch nie praktische Konsequenzen gehabt.
Dennoch schließt das Rechtsgutachten des Bundestages solche Folgen nicht aus:
„Für einen „Vertragsbruch“ ist eine „erhebliche Verletzung“ des Vertrages seitens einer Vertragspartei erforderlich. Dabei geht es um die Verletzung einer für die Erreichung des Vertragszieles wesentlichen Bestimmung (sog. „object and purpose test“), welche Ziel und Zweck des Vertrages als Ganzes ernsthaft gefährdet.
Nach den Vorstellungen der International Law Commission, deren Vorarbeiten für die Kodifikation der WVRK maßgeblich waren, geht es dabei (nur) um Bestimmungen, „which might have been very material for a State´s decision to become a party because it considered them as essential to the effective execution of the treaty.”
Abzugrenzen sind „erhebliche“ Vertragsverletzungen von „geringeren“, „trivialen“ bzw. „einfachen“ Verletzungen von Vertragspflichten, die den Vertrag als Ganzen nicht in gleicher Weise berühren.“[10]
Damit wäre ein jahrelanger Rechtsstreit vorprogrammiert, den das Bündnis nicht unbeschadet überstehen dürfte.
Europäisches Bündnissystem
Ein Rauswurf Spaniens aus der NATO wäre keineswegs ein Ausschluss Spaniens aus der europäischen Verteidigung, schließlich gibt es in Europa – nach wie vor – ein System sich überlappender Militärorganisationen:
Nach den Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg schlossen sich das Vereinigte Königreich, Niederlande, Belgien, Luxemburg und Frankreich am 17. März 1948 zum „Brüsseler Pakt“ zusammen, der alle Mitgliedsstaaten automatisch im Kriegsfall zu militärischem Beistand im Sinne einer kollektiven Selbstverteidigung verpflichtete:
„Sollte einer der Hohen Vertragschließenden Teile das Ziel eines Angriffs in Europa werden, so werden ihm die anderen Hohen Vertragschließenden Teile im Einklang mit den Bestimmungen des Artikels 51 der Satzung der Vereinten Nationen alle in ihrer Macht stehende militärische und sonstige Hilfe und Unterstützung leisten.“[11]
Aus dem „Brüsseler Pakt“ ging am 23. Oktober 1954 die Westeuropäische Union (WEU), der auch Italien und die Bundesrepublik Deutschland 1955 beitraten. Im Jahr 1990 kamen noch Portugal und Spanien hinzu. Die WEU stand aber immer im Schatten der pro-amerikanischen NATO. Sie wurde im Juni 2011 aufgelöst. Zuvor verabschiedete die Europäische Union 2009 den Artikel 42 des EU-Vertrages. Dieser bestimmt in Absatz 7:
„Im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats schulden die anderen Mitgliedstaaten ihm alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung, im Einklang mit Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen. Dies lässt den besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedstaaten unberührt.“[12]
Das Königreich Spanien ist seit dem 1. Januar 1986 Mitglied der Europäischen Union und unterliegt damit deren militärpolitischen Bestimmungen, Verpflichtungen und Garantien.
Die Amerikaner hatten 1935 bis 1939 mehrere „neutrality acts“ verabschiedet, in denen sie bestimmten, dass sie sich aus einem bewaffneten Konflikt in Europa heraushalten wollten. So beteiligten sich die USA zunächst nicht am Zweiten Weltkrieg, sondern intervenierten erst im Juli 1943 in Sizilien (Operation HUSKY) und im Juni 1944 in der Normandie (Operation OVERLORD). Nach dem Zweiten Weltkrieg wollten die USA dem „Brüsseler Pakt“ nicht beitreten, da sie vorab eine automatische Beistandszusage im Kriegsfall strikt ablehnten. Stattdessen beharrte der U. S. Kongress auf seinem Recht, gemäß seiner „war powers“ einzig und allein über eine Kriegserklärung und größere Militäreinsätze der U.S. Streitkräfte zu befinden. Dies wurde mit der „war powers resolution“ vom 7. November 1973 noch einmal bekräftigt.[13]
Stattdessen favorisierten die USA die Gründung eines transatlantischen Militärbündnisses, dass im Kriegsfall keine Beistandsverpflichtung, sondern nur eine Konsultationsverpflichtung im sogenannten „Bündnisfall“ (Casus Foederis) bestimmte, der erst von allen Mitgliedsstaaten einstimmig festgestellt werden müsste. Dies ist eine doppelte Absicherung der Amerikaner gegenüber einer „drohenden“ U.S. Bündnisverpflichtung. So kam es am 4. April 1949 zur Gründung der NATO durch zwölf Staaten. In Artikel 5 des “Washingtoner Vertrages” heißt es:
„Die Parteien vereinbaren, dass ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen wird; sie vereinbaren daher, dass im Falle eines solchen bewaffneten Angriffs jede von ihnen in Ausübung des in Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nationen anerkannten Rechts der individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung der Partei oder den Parteien, die angegriffen werden, Beistand leistet, indem jede von ihnen unverzüglich für sich und im Zusammenwirken mit den anderen Parteien die Maßnahmen, einschließlich der Anwendung von Waffengewalt, trifft, die sie für erforderlich erachtet, um die Sicherheit des nordatlantischen Gebiets wiederherzustellen und zu erhalten.“[14]
Somit ist die NATO ein militärpolitisches Bündnis, aber weder ein Militärbündnis noch ein System kollektiver Sicherheit.
Der erste NATO-Generalsekretär Lord Hastings Ismay, bekannte als wahren Grund zur Gründung der NATO: „The only purpose was to keep the United States in, to keep the Russians out and to keep Germany down.“ So gibt es seit Gründung der NATO Zweifel an der U.S.-Beistandsbeteuerung.
NATO-Mitglied Spanien
Von 1936 bis zu seinem Tod am 20. November 1975 wurde Spanien von dem tyrannischen Psychopathen und General Francisco Paulino Hermenegildo Teódulo Franco Salgado y Bahamonde Pardo regiert. Erst nach den Jahren der „Transición“ trat Spanien unter Führung des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Felipe González Márquez (Amtszeit: Dezember 1982 bis Mai 1996) am 30. Mai 1982 als 16. Mitgliedsstaat der NATO bei.
Wegen eines territorialen Dauerstreits zwischen Spanien und dem Vereinigten Königreich um die britische Kronkolonie Gibraltar war die Mitgliedschaft Spaniens zunächst stark reglementiert. Erst als die Regierung in Madrid am 10. Juli 1998 zustimmte, dass NATO-Manöver auch in Gibraltar unter britischer Beteiligung stattfinden dürften, wurden die Beschränkungen aufgehoben. Im Rahmen einer Reform der NATO-Kommandostrukturen wurde am 30. September 1999 erstmals in Spanien ein eigenes NATO-Kommando der Befehlsebene „Joint Subregional Commands“ (JSRCs) aufgestellt. Es handelte sich um das „Joint Headquarters Southwest“. Es wurde von einem spanischen General geführt und hatte sein Hauptquartier im Stadtteil Pozuelo de Alarcón von Madrid. Der Stab umfasste ca. 450 Mitarbeiter und rekrutierte sich aus 16 NATO-Staaten. Es hielt für den Kriegsfall ein „Deployable Joint Staff Element“ (DJSE) bereit.
Das Kommando wurde zunächst in „Land Component Command HQ Madrid“ (CC-Land HQ MD) und 2010 schließlich in „Allied Force Command Madrid“ (FC Madrid) umbenannt. Es wurde am 1. Juli 2013 aufgelöst. Seine Funktion übernahm das „Allied Land Command“ in Izmir (Türkei).
Im Rahmen späterer Reformen der NATO-Kommandostruktur beherbergt Spanien heute noch ein „Combined Air Operations Centre“ (CAOC) auf dem Fliegerhorst in Torrejón de Ardoz (Ctra. N-II Km. 22,5 – Edificio 201) nordwestlich von Madrid. Das CAOC wird von dem spanischen Generalleutnant Juan Pablo Sanchez De Lara kommandiert. Dieser verfügt über 185 Mitarbeiter aus 17 NATO-Staaten. Das Hauptquartier verfügt über eine Ausweichzentrale im italienischen Poggio Renatico (Via Ponte Rosso 1), das „Deployable Air Command and Control Centre“ (DACCC). Das spanische Kommando ist für die Überwachung des Luftraums in der Region zuständig. Es identifiziert unbekannte Flugzeuge und reagiert auf unklare oder potenziell unsichere Luftlagen, um die Luftraumsicherheit der NATO zu gewährleisten. Darüber hinaus ist es für die Planung, Koordinierung, Überwachung und Durchführung der Luftverteidigungsoperationen im südeuropäischen Mittelmeerraum zuständig.
Welche praktischen Konsequenzen hätte ein Rauswurf aus der NATO für Spanien? Im hypothetischen Fall eines Angriffs könnte das Land seine „Angelegenheit“ nicht mehr im Nordatlantikrat vortragen, um sein Vorgehen mit den Bündnispartnern abzustimmen. Zwar könnte es nicht mehr irgendwelche NATO-Konsultationsrechte einfordern, aber natürlich würden sich die Spanier mit ihren Nachbarstaaten – nach wie vor - abstimmen.
Bei einem Ausschluss Spaniens müsste die ohnehin schwache NATO auf das Potential der „Fuerzas Armadas de España“ verzichten. Immerhin handelt es sich um 121.802 aktive Soldaten, 24.033 Reservisten und mehr als 80.000 Mann der paramilitärischen „Guardia Civil“ (Stand: 2023). Ein Ausschluss Spaniens hätte allenfalls geringfügige Folgen für die multinationale Rüstungsproduktion der europäischen Staaten im Panzer- und Flugzeugbau.
Spanisch-Amerikanische Beziehungen
Zwar blieb Spanien während des gesamten Kalten Krieges außen vor, war aber über amerikanisch-spanische Militärabkommen an die NATO-Verteidigung Westeuropas angebunden. Am 26. September 1952 unterzeichneten U.S.-Präsident General a. D. Dwight Delano Eisenhower und der spanische Diktator „Generalissimo“ Francisco Franco die sogenannten „Madrid Pacts“ mit einem „Mutual Defence Assistance Agreement“ (MDAA). Für U.S.-Militär- und Wirtschaftshilfe gewährte Spanien den Amerikanern umfassende Stützpunkterechte, was zugleich eine mittelbare Anbindung Spaniens an die NATO bedeutete. Zwei Jahre später folgte das amerikanisch-spanische Stützpunktabkommen vom 26. September 1953. Die U.S. Streitkräfte unterhielten seitdem die Luftstützpunkte Morón de la Frontera, Muntados, Parajas, Rota, San Pablo, Saragossa und Torrejón de Ardoz, die Marinebasis Rota, vereinzelte logistische Basen (z. B. Cartagena) und Fernmeldeeinrichtungen (z. B. Torreta de Guardamar). Außerdem gewährten die Spanier den Amerikanern Überflugrechte, so die „CHROME DOME Southern Route“ über Saragossa bzw. Palomares für die strategischen Bomber (B-47 STRATOJET und B-52 STRATOFORTRESS) für den Fall eines Nuklearkrieges. Das Truppenstationierungsabkommen wurden mehrfach verlängert. Am 4. Mai 1989 trat ein „Agreement on Defense Cooperation” (ADC, span.: „Convenio de Cooperación para la Defensa“) in Kraft. Am 10. April 2002 folgte ein geheimes Änderungsabkommen („Protocol of Amendment“ bzw. „Protocolo de Enmienda“).
Die beiden Basen Morón und Rota sind bis heute in Betrieb. Auf der Naval Station (NAVSTA) in Rota, einer früheren Basis für strategische Atom-U-Boote befindet sich das Hauptquartier des „Commander, U.S. Naval Activities Spain“ (COMNAVACTSPAIN). In Morón sind gemäß einem Abkommen von 2015 bis zu 3.000 GIs und 40 Flugzeuge disloziert. Gelegentlich leisten Überwasserschiffe der U.S. Navy dem alten Marinestützpunkt Rota einen Truppenbesuch ab.
Zuletzt hatten die Amerikaner ihre Stützpunkte beim U.S. Angriff auf den Iran (Operation MIDNIGHT HAMMER) in der Nacht vom 21. auf den 22. Juni 2025 genutzt. So waren in Morón und Rota Tankflugzeuge disloziert, die die Bomber B-2A SPIRIT bei ihrem Angriffsflug auftanken mussten.
Allerdings verbot die spanische Regierung den Amerikanern 2025 die Nutzung ihrer Luftstützpunkte für Waffentransporte nach Israel.[15]
Unklar ist, ob Trump aus Kritik an der spanischen Regierung seine Militärstreitkräfte aus Spanien abziehen will. Dies gilt als eher unwahrscheinlich, da für Transatlantikflüge keine geeigneten Ausweichbasen zur Verfügung stehen.
Kriegsplanungen
In der Kriegsplanung der NATO spielte Spanien aufgrund seiner abgelegenen Lage ins Südwesteuropa keine nennenswerte Rolle:
Der Operationsplan DRUMBEAT vom 4. August 1947 sah eine Verteidigung der iberischen Halbinsel durch spanische, portugiesische, britische und amerikanische Truppen vor.
Bei Gründung der NATO folgte der „Short-Range Defense Plan“ der Amerikaner vom 18. April 1949. Dieser sah allerdings noch keine nennenswerte Verteidigung des NATO-Gebietes vor. Stattdessen wollten sich die U.S.-Truppen in einer präsenten Kampfstärke von mehreren hunderttausend Mann im Kriegsfall schrittweise nach Spanien, das damals noch kein Mitglied der NATO war, zurückziehen. Danach sollten sie die „Verteidigung“ des Bündnisgebietes durch die Verteidigung der Halbinsel Gibraltar (6,5 qkm mit damals 22.000 Einwohnern), die als britische Kronkolonie zum NATO-Gebiet zählte, aufnehmen. Es sei dahingestellt, ob es dabei um einen echten Verteidigungsplan oder lediglich einen verdeckten Plan zur Evakuierung der U.S.-Truppen aus Europa handelte.
Erst im Oktober 1949 forderte die NATO in ihrem Dokument „MC 3 Strategic Concept“, dass sich die NATO-Truppen bis an die Pyrenäen zurückziehen sollten, um erst von dort aus die die Verteidigung des NATO-Bündnisgebietes aufzunehmen; aber dies war nur eine allgemeine, strategische Forderung und kein Operationsplan. Eine für den Bereich Südeuropa zugeschnittene Ausgabe des „Southern Europe/Western Mediterranean Regional Short-Term Defense Plan“ des „Commander-in-Chief US Naval Forces Eastern Atlantic and Mediterranean“ (CINCNELM), datiert vom 28. September 1950.
Spätere Planungen sahen eine Evakuierung der NATO-Truppen aus Europa über Spanien vor. Zu nennen ist hier die „Noncombatant Evacuation Operations“ „NEO 2-53-3“ vom 1. Juli 1953. Später arbeitete das „European Command“ (EUCOM) in Stuttgart den „CONPLAN 4311-95 Contingency Noncombatant Evacuation Operations“ aus, der am 28. Mai 1993 in Kraft trat. NATO-Operationspläne (OPLANs) zur Verteidigung des spanischen Territoriums nach dem Beitritt des Landes zum Bündnis ab 1982 wurden nicht bekannt.
Angesichts eines kleineren, marokkanischen Angriffs auf die unbewohnte Insel Perejil (11. bis 18. Juli 2002) meldete Spanien diesen sogenannten „Petersilienkrieg“ der NATO, aber sie deklarierte den Vorfall nicht als Bündnisfall, obwohl es in der Tat zu Kampfhandlungen kam. Dabei blieb unklar, ob es sich bei der marokkanischen Operation tatsächlich um einen militärischen Angriff im völkerrechtlichen Sinne handelte:
„Am 11. Juli 2002 besetzten marokkanische Soldaten die Insel unter dem Vorwand, einen Posten zur besseren Überwachung illegaler Migranten und des Drogenschmuggels sowie zur Abwehr des Terrorismus zu errichten. Außerdem erklärte Marokko die Insel zu seinem Besitz, da sie im spanisch-marokkanischen Vertrag über die Unabhängigkeit Marokkos von 1956 nicht erwähnt war. Spanien seinerseits warf Marokko daraufhin den Bruch einer stillschweigenden Vereinbarung aus den 1960er Jahren vor, mit der geregelt worden sei, dass die Insel von keinem der beiden Staaten militärisch besetzt werden dürfe. (…)
Nach dem 13. Juli 2002 folgten spanische Truppenverstärkungen in die Region um Ceuta und Melilla durch 1.200 Marineinfanteristen sowie Verstärkung der Flotte in der Straße von Gibraltar. Die Lenkwaffenfregatten NAVARRA und NUMANCIA trafen in Ceuta am 15. Juli 2002 ein. Zur Verstärkung wurden auch die zur amphibischen Kriegsführung ausgerüsteten Schiffe L52 CASTILLA, und die ältere Korvette, später als Patrouillenschiff klassifizierte P78 CAZADORA sowie eine Flugabwehrraketen-Batterie nach Ceuta beordert. Zur Verstärkung wurden in die Straße von Gibraltar die Mehrzweckfregatte BALEARES (F71), die Korvette INFANTA ELENA (P76) und zwei U-Boote verlegt. Es begannen zahlreiche Aufklärungsflüge durch Hubschrauber vom Typ AS.532 COUGAR und Kampfflugzeuge vom Typ F-18 HORNET. (…)
Am 17. Juli 2002 stürmten rund 28 Soldaten der Eliteeinheit „Bandera de Operaciones Especiales Legionarias“ (BOEL) aus Alicante, unterstützt durch sechs Hubschrauber, die Insel und nahmen sechs marokkanische Soldaten kurzzeitig in Haft. Auch Kampfflugzeuge vom Typ F-18 unterstützten die Wiedereroberung. Spanien habe zuvor den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, die Arabische Liga und die Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) sowie seine NATO-Verbündeten informiert. Diese Militäraktion kam vollkommen überraschend, zumal die spanische Regierung noch wenige Tage zuvor erklärt hatte, den Konflikt diplomatisch regeln zu wollen. Da es Spanien aber nicht gelang, seine Ansprüche auf die Insel mit Dokumenten zu untermauern (die Insel wurde in keinem Vertrag erwähnt), mussten die spanischen Soldaten schließlich die Insel räumen.
Die spanische Regierung erklärte am 18. Juli, sie werde ihre Soldaten abziehen, wenn Marokko zusichere, es nicht erneut zu besetzen. Spanien bot Marokko an, gemeinsame Patrouillen der Guardia Civil und der marokkanischen Gendarmerie auf der Insel durchzuführen, um gegen illegale Einwanderung und Drogenhandel vorzugehen.“[16]
Bei einem Rauswurf aus der NATO müssten es die spanischen Streitkräfte – wie bisher – allein mit den Marokkanern aufnehmen. Somit hätte ein Rauswurf der Spanier aus der NATO für die Allianz gravierendere Folgen, als für die Spanier selbst. Damit würde ein Präzedenzfall geschaffen, der die Existenz des Bündnisses angesichts seiner fragwürdigen Bündnisverpflichtung in Frage stellt. Im Warschauer Pakt ist nie ein Mitgliedsstaat rausgeworfen worden. Hier trat erst Albanien aus, und später der ganze Rest.
Quellen:
[2] https://www.nato.int/cps/en/natohq/official_texts_112964.htm
[3] https://www.zeit.de/politik/ausland/2025-06/nato-rutte-verteidigung-bip-ausgaben-gipfel
[4] Bolton, John: Der Raum, in dem alles geschah – Aufzeichnungen des ehemaligen Sicherheitsberaters im Weißen Haus, Berlin, 2020, S. 173ff
[5] Stoltenberg, Jens: Auf meinem Posten – In Kriegszeiten an der Spitze der NATO, Erinnerungen, München, 2025, S. 175
[6] https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/trump-nato-gipfel-102.html
[7] https://www.spiegel.de/ausland/donald-trump-sieht-usa-bei-neuem-nato-
ausgabenziel-nicht-in-der-pflicht-a-473fbe9b-22fe-4193-9cf2-a0811ec5f016
[8] https://www.tagesspiegel.de/internationales/grossbritannien-ausgenommen-
trump-zieht-beistand-der-europaer-im-kriegsfall-in-zweifel-14029115.html
[9] https://www.manager-magazin.de/politik/weltwirtschaft/trump-nennt-
eu-feind-a-1218575.html
[10] https://www.bundestag.de/resource/blob/547176/95b81529dc766753ce
16719e9b404495/wd-2-011-18-pdf-data.pdf
[11] https://www.politische-union.de/weuv48
[12] https://dejure.org/gesetze/EUV/42.html
[13] https://en.wikipedia.org/wiki/War_Powers_Resolution#:~:text=Under%20the%20
United%20States%20Constitution,citizens%20to%20capture%20enemy%20vessels)
[14] https://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%BCndnisfall
[15] https://www.middleeastmonitor.com/20250930-spain-blocks-transfer-of-
us-weapons-to-israel-through-its-military-bases/
[16] https://de.wikipedia.org/wiki/Petersilienkrieg