Militärforschung
  Ukraine-Krieg 2.0 - 27. Update
 

 

Ukraine-Krieg 2.0 – Update 27 vom 24. März (D+26)

Gerhard Piper

Lageentwicklung

Der Ukrainekrieg tritt nun in eine gefährliche Phase ein, die man nicht unterschätzen sollte – trotz der verharmlosenden Berichterstattung der staatlichen Trash-Fernsehsender „ARD“ und „ZDF“ mit ihren täglichen „homestories“ mit obdachlosen Kriegsflüchtlingen oder der oberflächlichen Berichterstattung der bürgerlichen Mainstream-Massenmedien! Die Russen hatten bereits im Vorfeld des Krieges wiederholt vor einer zweiten „Kubakrise“ gewarnt!

Die Vorgänge in Moskau sind heutzutage so unterdurchsichtig, wie Ende der sechziger Jahre die Vorgänge an Bord des russischen Atom-U-Bootes „PL-574“ der Golf-Klasse, dass unter der (West-)Bezeichnung „K-129“ international bekannt wurde. (https://de.wikipedia.org/wiki/K-129) Igor Sushko, ein russischer Motorsportler, der politisch eigentlich nicht aktiv ist, aber anscheinend über einen guten Draht zu FSB-Leuten verfügt, schrieb Anfang der Woche. „Innerhalb des FSB ist eine groß angelegte Meuterei im Gange. (…) Es handelt sich ausdrücklich nicht um einen Versuch des FSB, Putin zu stürzen. Es handelt sich um den Versuch einer Gruppe innerhalb des FSB, den Westen davon zu überzeugen, auf Putins Aggression militärisch zu reagieren, damit sie aufhört." (https://de.euronews.com/2022/03/22/meuterei-beim-fsb-gegen-putin-der-westen-solle-in-krieg-eingreifen) Die „PL-574“ ist am 8. März 1968 vor Hawaii, weit entfernt von ihrem eigentlichen Kurs, mit zwei oder drei strategischen Atomraketen „4K55 R-21“ (NATO-Code: SS-N-5 SERB) an Bord, gesunken; mal sehen, was aus Russland wird.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell erklärte, die EU werde die Ukraine weiterhin unterstützen: „Das ist wichtig, weil sich in den nächsten 15 Tagen alles entscheidet.“

Gefechte:

Ukrainische Streitkräfte führten erfolgreiche Gegenangriffe gegen russische Stellungen in Orten am Rande der Hauptstadt durch und hätten möglicherweise Makariw und Moschun zurückerobert. Es bestehe „eine realistische Möglichkeit, dass die ukrainischen Streitkräfte nun in der Lage sind, russische Einheiten in Butscha und Irpin einzukreisen“, glaubt der britische Militärgeheimdienst DI. Beim Kiewer Vorort Browary seien russische Truppen gestoppt worden.

Die Russen trugen Angriffe gegen Isjum im Gebiet Kharkiw, Marjinka und Mariupol im Donezker Gebiet und am rechten Ufer des Dnipro bei Kherson vor. Russland verstärkt nach Angaben des ukrainischen Militärs seine Luftangriffe. Binnen 24 Stunden habe man mehr als 250 Einsätze registriert, teilt der ukrainische Generalstab mit. Am Vortag seien es 60 weniger gewesen. Die Hauptziele seien weiterhin Einrichtungen der militärischen und zivilen Infrastruktur in den Gebieten Kiew, Tschernihiw und Kharkiw.

Bei drei Luftangriffen im Raum Kiew (Irpin und Hostomel) und im Raum Donezk (Kramatorsk) setzte die Luftwaffe erneut Phosphorbomben ein. Laut einem Bericht von „Human Rights Watch“ verursacht weißer Phosphor thermische und chemische Verbrennungen, Schäden an den Atemwegen, Erstickungsanfälle und Kohlenmonoxidvergiftungen, was oft zu einem langsamen Tod führt. Opfer eines Phosphorangriffs leiden unter Umständen unter starken Schmerzen, schweren Infektionen, Organversagen, Verstümmelungen und lebenslangen Behinderungen. (https://www.20min.ch/story/russland-setzt-phosphorbomben-ein-469915532962)

- Kiew-Umgebung:

Die Ukrainer haben in der Umgebung von Kiew mehrere Fluttore geöffnet, so dass die Landschaft überschwemmt wurde und die Russen mit ihren Panzern im aufgeweichten Boden stecken blieben.

Osten:

- Isjum:

Die Stadt Isjum ist in der Nacht vom 23. auf den 24. März gefallen, nachdem sie tagelang belagert worden war.

Schwarzmeerflotte:

Nach ukrainischen Angaben wurde ein Landungsschiff der russischen Schwarzmeerflotte, das im Hafen Berdjansk stationiert war, zerstört. Meterhohe Flammen schossen aus dem Schiffsrumpf. Über den Schiffstyp gab es widersprüchliche Angaben. Zwar hieß es in deutschen Medien, das Schiff gehöre zur Ropucha-Klasse, tatsächlich handelt es sich um die „Orsk“ (Taktische Nummer: 148), ein Schiff der Tapir-Klasse (NATO-Code: ALLIGATOR-Klasse), das zur 197. Amphibischen Brigade gehört. (https://www.bbc.com/news/world-europe-60859337) Das Schiff hat eine Stammbesatzung von 55 Matrosen. Es war mit Kampfgerät voll beladen. Die Schiffe der Tapir-Klasse können gleichzeitig bis zu 20 Kampfpanzer und rund 400 Marineinfanteristen transportieren.

Verluste:

Bei den russischen Streitkräften sind mittlerweile 40.000 Soldaten durch Tod, Verwundung oder Desertion ausfallen, dass sich mehr als 20 Prozent des aufgebotenen Personaltableaus. In gleicher Weise haben die Russen möglicherweise auch 10 Prozent ihrer Ausrüstung verloren, was ihre militärischen Fähigkeiten beeinträchtigt. (https://www.n-tv.de/politik/10-19-Habeck-Energie-Embargo-koennte-Krieg-moeglicherweise-in-drei-Tagen-beenden--article23143824.html)

Verletzte Russen werden in den Krankenhäusern in Belarus (Gomel, Mosyr, etc.) behandelt. Dazu wurden z. T. die zivilen Patienten verlegt und die belarussischen Ärzte – aus Gründen der Geheimhaltung – durch russische Ärzte ersetzt. Zudem sei in Narowlja unweit der ukrainischen Grenze ein Feldlazarett aufgeschlagen worden. Die Soldaten weisen die üblichen Kriegsverletzungen auf. Nach Angaben eines Augenzeugen aus Mosyr, kommen die Soldaten „oft ohne Arme, Beine, Ohren, Augen" an. Viele Soldaten seien einfache Wehrpflichtige des Geburtsjahrganges 2003, die aus den armen Regionen Russlands stammen. „Eigentlich sind sie noch Kinder", meinte ein Augenzeuge.

Obwohl die Russen über einen ganzen Park von Transporthubschraubern und Lkws verfügen, werden manche Soldaten zu spät und bereits mit Wundbrand eingeliefert. Die Folge ist, dass dann die Gliedmaßen amputiert werden müssen, um das Leben des Soldaten zu retten. Dazu sagte der Augenzeuge: „Wenn die Soldaten rechtzeitig gebracht würden, könnte man Gliedmaßen noch retten." Außerdem berichten die Verwundeten, sie hätten bis zu fünf Tage nichts mehr zu Essen bekommen, andere waren desorientiert und hatten keine Ahnung, wo sie sich befanden. Viele baten lediglich darum, dass man ihre Eltern in der russischen Heimat anriefe, um sie zu informieren

Die NGO „Belarusian Medical Solidarity Foundation“ stellt fest, dass alle Krankenhäuser sehr streng kontrolliert werden: „Mitarbeiter der Geheimdienste KGB oder FSB (belarussischer bzw. russischer Sicherheitsdienst, G. P.) sind direkt in den Krankenhäusern im Einsatz, alle Gebäude werden bewacht. Viele Ärzte, die theoretisch etwas sagen könnten, wurden aus den Krankenhäusern entfernt. Stattdessen werden Russen eingesetzt." Und weiter: „Alle Verwundeten, bei denen es noch möglich ist, werden mit Zügen nach Russland gebracht." Nach Angaben der NGO gibt es sehr viele tote Soldaten. Die Kliniken in Belarus seien überfüllt. (https://www.dw.com/de/operationen-nonstop-russische-soldaten-in-belarussischen-krankenh%C3%A4usern/a-61173722)

Die ukrainischen Forensiker setzen die Gesichtserkennungssoftware von „Clearview AI“ ein, um die Leichen gefallener russischer Soldaten zu identifizieren und ihre Familien ausfindig zu machen. Der ukrainische Vizepremierminister Mykhailo Fedorow versuchte scheinheilig diese Psywar-Maßnahme zu rechtfertigen: „Aus Höflichkeit gegenüber den Müttern dieser Soldaten verbreiten wir diese Informationen über die sozialen Medien, damit die Familien zumindest wissen, dass sie ihre Söhne verloren haben, und damit sie die Möglichkeit haben, die Leichen abzuholen.“ Allerdings ist eine falsche Identifizierung nicht ausgeschlossen, außerdem gehört es zu den Realitäten eines Krieges, dass so mancher gefallener Soldat ohnehin kein Gesicht mehr hat. (https://www.n-tv.de/politik/11-29-Sanktionen-gegen-Lawrows-Stieftochter--article23143824.html)

Zivilbevölkerung:

Mehr als 1,5 Millionen Kinder sind bereits in Nachbarländer geflohen, mehr als die Hälfte der Minderjährigen in der Ukraine. Gleichzeitig fürchten unzählige Kinder in den umkämpften Städten um ihr junges, unschuldiges Leben. Der deutsche UNICEF-Geschäftsführer Christian Schneider erklärte dazu: „Die Kinder sind erschöpft, viele stehen unter Schock und sind traumatisiert."

Die Sonnenblumenkern-Ernte könnte dieses Jahr mit 9,6 Millionen Tonnen 42 Prozent geringer ausfallen als 2021, weil deutlich weniger Anbaufläche genutzt werden kann.

ABC-Waffen / AKWs:

Von den sieben Bränden um die Atomruine Tschernobyl konnten mittlerweile vier Feuer gelöscht werden.

Ein „Tiger Team“ nationaler Sicherheitsbeamter prüft für das Weiße Haus Worst-Case-Szenarien und mögliche Reaktionen des Westens für den Fall, dass der Idiot im Kreml
1. ABC-Waffen einsetzen sollte
2. das NATO-Territorium durch einen SUPER-GAU in einem ukrainischen Atomkraftwerk zwar nicht zum direkten Ziel eines russischen Angriffs macht, aber dennoch massiv in Mitleidenschaft zieht, was im Schadensausmaß quasi einem direkten Angriff gleich käme
3. NATO-Mitgliedsstaaten angreifen sollte
4. auf das NATO-Grenzgebiet vordringen sollte, um Konvois mit Waffenlieferungen oder humanitäre Transporte anzugreifen
5. Sabotagekommandos oder Cyberangriffe im Rahmen der sogenannten hybriden Kriegführung aktivieren sollte
6. Moldawien oder Georgien angreifen sollte          
7. durch fehlgeleiteten Beschuss NATO-Gebiet - mehr oder weniger unabsichtlich – getroffen wird.

Das „Tiger Team“ soll verschiedene Szenarien durchspielen, um mögliche Handlungsoptionen und ihre Folgen aufzuzeigen. Es geht es um die Entwicklung entsprechender, streng geheimer Contingency Plans (CONPLANs). (https://en.wikipedia.org/wiki/Contingency_plan) Dabei geht es um die Erörterung existentieller strategischer Fragen: Stellt ein absichtlich herbeigeführter SUPER-GAU einen „Angriff“ im Sinne des Artikel 5 des Washingtoner Vertrages dar oder nicht?

Das „Tiger Team“ wurde vom Nationalen Sicherheitsberater Jake Sullivan am 28. Februar einberufen, also einen Tag nachdem der russische Präsident seine Atomstreitkräfte in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt hatte. Die Arbeitsgruppe ist beim US National Security Council (NSC) angesiedelt und trifft sich z. Zt. dreimal wöchentlich in Washington D. C..

Über die Anzahl und Zusammensetzung des „Tiger Teams“ gibt es keine Angaben. Man darf unterstellen, dass zu seinen Mitglieder Leute aus dem NSC-Stab gehören, die Ministerialebene durch Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums, des Außenministeriums und des Energieministeriums vertreten ist, die Nachrichtendienste CIA, DIA, NSA und INR ihre Experten entsenden, die CBRN-Sondereinheiten des US Army Chemical Corps präsent sind und mehrere spezialisierte Bundesbehörden ihre Experten entsandt haben. Dazu zählen das Nuclear Emergency Search Team (NEST) der National Nuclear Security Administration (NNSA) aus Las Vegas, die zivilen Centers for Desease Control and Prevention (CDC) in Druid Hills oder das militärische Dugway Proving Ground (DPG) bei Toole. Möglicherweise ist auch das National Security Co-ordination Team (NSCT) („Red Cells“) vertreten. Bisher erschien ausschließlich in der „New York Times“ am 23. März ein Primärartikel über die Aktivitäten des „Tiger Teams“ („U. S. Makes Contingency Plans in Case Russia Uses Its Most Powerful Weapons“).

Die Arbeit des „Tiger Teams“ war/ist mit fundamentalen Problemen behaftet. So weigerte sich die Militärspitze des Pentagons den ollen Zivilistenexperten vom „Tiger Team“ einen tieferen Einblick in ihre Nuklearkriegsplanung für das Kriegstheater Europa zu gewähren. Ein weiteres Problem ist, dass die Arbeitsgruppe zwar Szenarios entwickeln kann, aber ob sich die Russen gewissermaßen an die „Spielregeln“ halten, ist völlig offen. Ein scheinbar unergründbares Problem ist, dass Wladimir Putin zwar nicht allein auf den „roten Knopf“ drücken kann, aber der Verteidigungsminister und Operettengeneral Schoigu und Generalstabschef General Gerassimow nicht unbedingt ein zuverlässiges Korrektiv darstellen; außerdem ist der Verteidigungsminister seit Beginn des Krieges nicht mehr öffentlich aufgetaucht, was Anlass zu Spekulationen gibt. Nicht zuletzt muss die NATO aufpassen, dass sie nicht in eine kontraproduktive „self-fullfilling prophecy“ hineinläuft.

NATO:

Die Staats- und Regierungschefs der dreißig NATO-Staaten kamen heute in der NATO-Zentrale in Brüssel zu ihrer Gipfelkonferenz zusammen. Es war keine „normale“ Gipfelkonferenz, sondern ein außerordentlicher Sondergipfel anlässlich des Ukrainekrieges und seiner möglichen gefährlichen Implikationen. Da das Ende des Kalten Krieges bereits über dreißig Jahre her ist, müssen sich die meisten der Anwesenden zum ersten Mal mit einer ernsthaften existentiellen militärischen Bedrohung auseinandersetzen. Der ein oder andere Regierungschef ist erst seit Kurzem im Amt, viele der Anwesenden haben sich im Laufe ihrer politischen Karriere nur am Rande mit Fragen der militärischen Sicherheit befasst und sind jetzt mit schrecklichen Szenarien konfrontiert, auf die sie nie vorbereitet sind.

Der Nationale Sicherheitsberater des Weißen Hauses, Jake Sullivan, ist daher darum bemüht, „dass die Entschlossenheit und Einigkeit“ der westlichen Verbündeten so lange wie nötig anhalten werde: „Dieser Krieg wird weder leicht noch schnell enden.“ (https://www.n-tv.de/politik/11-29-Sanktionen-gegen-Lawrows-Stieftochter--article23143824.html)

Dazu will die NATO die in Osteuropa dislozierten Einheiten mit CBRN(E)-Material zur Detektion und Dekontamination bei ABC-Lagen ausrüsten, aber dies braucht Zeit, da die ökonomischen Produktionskapazitäten in diesem Bereich begrenzt sind.

Nicht zuletzt will die NATO ihre Kapazitäten zur Nuklearaufklärung verbessern, um frühzeitig Indikationen für einen möglichen russischen ABC-Angriff zu erkennen. Dies ist bekanntlich ein schwieriges „Geschäft“, wie die Erfahrungen mit der sowjetischen Operation RAKETNO-YADERNOYE NAPADENIE (RYAN) zur Zeit der „NATO-Nachrüstung“ Anfang der achtziger Jahre gezeigt hat. (https://www.bits.de/public/articles/telepolis121204.htm) Die Folgen sind bekannt: Bei der NATO-Stabsrahmenübung ABLE ARCHER, in der Nacht vom 8. auf den 9. November 1983, stand der Weltfrieden auf der Kippe, ohne dass die Hälfte der Entscheidungsträger davon etwas ahnte.

Konkret beschloss die NATO heute u. a. in Südosteuropa vier neue Battlegroups aufzustellen: Slowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien. Damit muss die NATO ihren Kriegsplan zur Verteidigung Osteuropas völlig neu überarbeiten. Der letzte bekannte Operationsplan GUARDIAN EAGLE ist schon über zehn Jahre alt. (https://www.heise.de/tp/features/Ukraine-Krise-Vorbereitung-auf-den-Ernstfall-3364691.html?seite=5) Ergänzt wird die konventionelle Kriegsplanung durch den Nuclear Operations Plan (NOP), wenn denn diese Bezeichnung noch gültig ist. Aufgrund der begrenzten Zahl von US-Atomwaffen in Europa, ca. 100 bis 200 Exemplaren der Wasserstoffbombe „B61“ in verschiedenen Varianten, sind dessen „nuclear options“ limitiert. Der NOP wird ergänzt durch den allgemeinen Plan zur globalen US-Nuklearkriegführung Operation Plan (OPLAN) 8010–12.

Estlands Regierungschefin Kaja Kallas fordert mehr Unterstützung der NATO für die Ukraine im Krieg gegen Russland: „Ich denke, wir müssen unsere Anstrengungen verdoppeln“, sagte Kallas am Rande des NATO-Sondergipfels.

USA:

Die derzeitige Ukrainekrise begann bereits im Oktober 2021, als festgestellt werden musste, dass die Russen ihre Truppen nach einem Großmanöver der ZAPAD-Serie, das nur alle vier Jahre stattfindet, nicht aus Belarus abzogen. Schon damals befürchtete die US-Regierung, dass ein russischer Angriff auf die Ukraine bevorstehen könnte und ließ dies Anfang November der Öffentlichkeit bekanntwerden. In Reaktion auf die sich entwickelnde Bedrohungslage bildete der National Security Council eine Expertengruppe, die die Lageentwicklung beobachtete, mehrere Szenarien durchspielte und entsprechende Optionen entwickelte. Die später durchgeführten Politikmaßnahmen wurden in diesem Kreis konzipiert: begrenzte Aufrüstung der Ukraine durch Panzer- und Flugabwehrraketen usw., Verstärkung des NATO-Truppendispositivs in Osteuropa und Erstellung eines Sanktionskataloges. Hier wurde wohl auch die Haltung der USA gegenüber der Ukraine bzgl. des Ausschlusses eines Bündnisfalles und die amerikanische Bündnispolitik gegenüber den europäischen NATO-Staaten zwecks Einbindung der Alliierten in die US-Sanktionspolitik entworfen.

Eine zweite Arbeitsgruppe des National Security Council beschäftigt sich mit den langfristigen Konsequenzen der akuten Krise. Dabei geht es um eine Stärkung der geopolitischen und geostrategischen Position der USA gegenüber Russland. Unklar ist, in welchem Umfang in diesem Gremium auch Fragen der zukünftigen Entwicklung des politischen und gesellschaftlichen Systems in Russland selbst debattiert werden.

BRD:

Trotz der Sanktionspolitik bezieht die BRD weiterhin Gas und Erdöl aus Russland. Dazu bekannte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck am 23. März im Bundestag, Deutschland sei dabei, diese Importe „schrittweise zu reduzieren“. Aber einen sofortigen Ausstieg lehnt er ab: „Wir sind noch nicht in der Lage, sofort ein Embargo zu verhängen.“ Habeck wusste selbst nicht so genau, in welchem Umfang die deutschen Rohstoffimporte den Krieg in der Ukraine befeuern würden. Einerseits räumte er ein, dass ein solches Embargo den Krieg möglicherweise „in drei Tagen“ beenden könne, allerdings könne man davon „nicht sicher ausgehen“, vielmehr sprächen „die Indizien eher dagegen“. (https://www.n-tv.de/politik/10-19-Habeck-Energie-Embargo-koennte-Krieg-moeglicherweise-in-drei-Tagen-beenden--article23143824.html)

Die Grünenfraktion im Europaparlament ist dafür, dass die Gasimporte aus Russland von der EU mit einem Strafzoll belegt werden, was die Gaspreise in Deutschland noch einmal erhöhen würde. So erklärte der Sprecher der deutschen Grünen im EU-Parlament Rasmus Andresen: „Russische Energiekonzerne verdienen sich dumm und dämlich an den Gaslieferungen nach Europa. So lange ein Gasembargo unrealistisch ist, darf die EU nicht zusehen, sondern muss handeln.“ Ein Strafzoll auf russisches Gas würde Russlands Staatseinnahmen mindern und der EU die Möglichkeit geben, mit einem Kriegsfolgen-Fonds Entlastungen zu den hohen Energiekosten und der Asylpolitik zu finanzieren. Auch in Brüssel sind offensichtlich „erkrankte“ Politiker unterwegs, die sich nicht darum scheren, wie der kleine Otto-Normalverbraucher seine Sprit- und Mietnebenkosten aufbringen soll. (https://www.n-tv.de/politik/11-29-Sanktionen-gegen-Lawrows-Stieftochter--article23143824.html)

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) verschärft noch einmal seine Warnung vor Cyberangriffen des russischen Militärgeheimdienstes GU. Das Amt beobachtet eine fortgesetzte „Verbreitung von Propaganda, Desinformation“ sowie weitere Versuche zur Einflussnahme zu Russlands Gunsten.

Österreich:

Österreichs Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat einem Importstopp für russisches Öl und Gas eine klare Absage erteilt. „Es wird mit uns kein Gasembargo und kein Ölembargo gegenüber der Russischen Föderation geben.“ Zwischen den EU-Staaten herrscht derzeit Uneinigkeit, ob wegen des Angriffs Russlands auf die Ukraine die EU-Sanktionen auch auf Energie ausgeweitet werden sollten. Nehammer betonte, dass nicht nur für Österreich ein Embargo unrealistisch sei. Ebenso seien Bulgarien, Tschechien, die Slowakei oder Ungarn stark betroffen.

Russland:

Die russische Regierung drohte wiederholt mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu den USA, somit hat das bilaterale Verhältnis den tiefsten Tiefpunkt seit der Oktoberrevolution (Oktjabrskaja rewoljuzija) von 1917 erreicht.

Die russische Regierung hat mehrere US-Diplomaten/Agenten des Landes verwiesen, nachdem die US-Regierung zuvor zwölf Personen der russischen UN-Vertretung in New York ausgewiesen hatte.

Immer mehr „westliche“ Konzerne frieren ihre Geschäftsbeziehungen mit Russland ein. Dazu hat Prof. Dr. Jeffrey Sonnenfeld von der Uni Yale, Experte für ethische Management-Fragen, eine Studie vorgelegt:

Mehr als 400 „westliche“ Konzerne haben mittlerweile ihre Geschäftstätigkeit vorübergehend oder auf Dauer eingestellt: Adidas, Airbnb, Airbus, Aldi, American Express, Apple, BMW, Boeing, BP, Burger King, CD Projekt, Coca-Cola, Commerzbank, Daimler Truck, DB Schenker, Deichmann, Deutsche Bank, DHL, Disney, Electronic Arts, Ericsson, Exxon Mobile, FedEx, Google, Hapag-Lloyd, Harley-Davidson, H&M, Ikea, Iveco, Kühne + Nagel, Lego, Levy Strauss, Louis-Vuitton, Lufthansa Technik, LVMH, MAN, Mastercard, McDonald´s, Maersk, Mercedes-Benz, Microsoft, Netflix, Nike, Nintendo, Nokia, OBI, Oracle, Panasonic, Paypal, Playmobil, Porsche, Puma, Rolex, Samsung, SAP, Shell, Sony, Spotify, Starbucks, Swarowski, Twitter, UPS, Visa, Volkswagen, Xerox, Youtube, … (https://som.yale.edu/story/2022/over-400-companies-have-withdrawn-russia-some-remain)

Andere Unternehmen sind weiterhin in Russland aktiv: Acer, AstraZeneca, Asus, BASF, Bayer, Colgate-Palmolive, Credit Suisse, Decathlon, Deutsche Telekom, Henkel, Knauf, Lenovo, Metro, Merck, MSI, Pepsi, Raiffeisenbank, Renault, Siemens, Société Générale, Teradata, Unilever, … (https://www.stern.de/wirtschaft/news/konzerne-am-pranger--diese-unternehmen-machen-in-russland-weiterhin-geschaefte-31725392.html)

Die britische Regierung hat Sanktionen gegen Polina Kowaljowa verhängt, die in London lebende Stieftochter des russischen Außenministers Sergej Lawrow. (https://www.n-tv.de/politik/11-29-Sanktionen-gegen-Lawrows-Stieftochter--article23143824.html)