Militärforschung
  Russen in Venezuela
 

Die Russen in Venezuela

Gerhard Piper

1. Dezember 2025

In einem Telefonat hat U.S. Präsident Donald Trump dem venezolanischen Amtskollegen Nicholás Maduro mitgeteilt, er soll sich verpissen, andernfalls würden die USA militärisch eingreifen. Mit „Drogenbekämpfung“ hat das gar nichts zu tun. Auch eine Entmachtung des (para-)militärischen „Cartel de los Soles“ ist weder geplant noch möglich, sonst müssten die USA ja die korrupten, venezolanischen Streitkräfte komplett auflösen. Es geht vor allem um die Erdölvorkommen und die Absicht der Trump-Regierung, rund tausend Milliarden Dollar aus Venezuela herauszuholen. Die Frage ist, was hat Russland dem entgegen zu setzen.

US-Amerikanische Umsturzpläne

Die jüngste Geschichte Venezuelas ist voller Machtkämpfe, bei denen zeitweise zwei Staatspräsidenten gleichzeitig regierten und zwei bis drei Parlamente parallel zueinander agierten. Seit dem Machtantritt des „Sozialisten“ Hugo Rafael Chávez Frías in den Jahren 1998/99 gab es in Venezuela mehrere Umsturzpläne und -Planungen, bei denen die USA mehrfach im Hintergrund die Fäden zogen und die Russen herausforderten:

- Zunächst scheiterte der Versuch, Hugo Chávez im April 2000 durch einen Generalstreik zum Rücktritt zu zwingen. Mindestens 19 Menschen wurden getötet, rund 60 verletzt. Die Militärführung unter Generalmajor Efraín Vásquez Velasco verweigerte Chávez zeitweise den Gehorsam.

- Vom 3. bis zum 18. Mai 2001 veranstaltete die spanischen „Escuela Superior de las Fuerzas Armadas“ (ESFAS) des „Centro Superior de Estudios de la Defensa Nacional“ (CESEDEN), eine Stabsrahmenübung bzw. ein Kriegsspiel mit dem Namen „Ejercicio Específico: Planeamiento Operativo Balboa“. Angeblich handelte es sich dabei – wie gesagt – um eine reine Planübung, aber in Venezuela glaubt man nach wie vor, dass es sich dabei um eine Blaupause für einen Invasionsplan handelte:

„Operation Balboa was a routine academic military exercise conducted by Spain's Higher School of the Armed Forces from May 3-18, 2001. It included officers from different countries, including Venezuela.  Neither the United States nor NATO participated in the exercise. In the map of the Plan Balboa four countries that correspond respectively to the United States, Venezuela, Colombia, and Panama are distinguished with colors, and although their names are not mentioned, is presumed that Venezuela is the zone to invade. The United States was identified as the Blue Country, Colombia as the White Country, Panama as the Cyan Country and Venezuela as the Brown Country.” (1)

- Am 11. April 2002 kam es – mit Unterstützung der CIA - tatsächlich zu einem Putschversuch eines Teils der venezolanischen Streitkräfte gegen Hugo Chávez, der nur für zwei Tage entmachtet und durch den Geschäftsmann Pedro Francisco Carmona Estanga ersetzt werden konnte. Geführt wurden die Putschisten u. a. durch Brigadegeneral Román Aquiles Gómez Ruiz, Vizeadmiral Carlos Molina Tamayo und Oberst Pedro Vicente Soto. Daraufhin setzte Chávez des „Plan Ávila“ in Kraft und konnte die Macht zurückerobern. (https://en.wikipedia.org/wiki/2002_Venezuelan_coup_attempt)

- Am 22. Oktober 2002 kam es in Caracas erneut zu einem Putschversuch, der aber schon im Ansatz scheiterte.

- Am 28. Oktober 2016 fanden in Caracas zu Großdemonstrationen statt, bei denen vergeblich der sofortige Rücktritt des neuen Präsidenten Nicolás Maduro Moros gefordert wurde.

- Am 30. April 2019 inszenierte der gescheiterte Präsidentschaftskandidat Juan Guaidó einen Putschversuch in Caracas: „Operación LIBERTAD“. Angeblich hatten seine Anhänger den Fliegerhorst La Carlota bei Caracas übernommen und er forderte das Militär auf, sich seinem Umsturzversuch anzuschließen. Allerdings verhallte sein Weckruf ungehört. (2)

- Vom April bis Juli 2019 veranstaltete das argentinische Militär unter Führung des rechtsgerichteten Staatspräsidenten Mauricio Macri (Amtszeit: 10. Dezember 2015 bis 9. Dezember 2019) die Stabsrahmenübung „Operación PUMA“, bei der ein Rundum-Angriff auf Venezuela (während der Übung „Vulcano“ genannt) durchgespielt wurde. Die Angriffstruppen der sogenannten „Fuerza de Despliegue Rápido“ (FDR) sollten von See her, aus Kolumbien (Kampfgruppe CERES), Brasilien (Kampfgruppe FEBO) und Guayana (Kampfgruppe TELLUS) vorstoßen. An der „Übung“ waren mehrere argentinische Verbände beteiligt: die Fallschirmjägerbrigade in Cordoba, die „Brigada Mecanizada X“ in La Pampa und die Kommandos der „Fuerza de Operaciones Especiales“ in Córdoba. Die Manöverleitung lag bei General Juan Martín Paleo. In die Planungen war auch die argentinische „Dirección General de Inteligencia del Estado Major Conjunto“ (DGI) involviert. Die Führung des amerikanischen Kommandobereich „Southern Command“ (SOUTHCOM) lag damals bei Admiral Craig Stephen Faller, der – während der „Übung“ im Juni 2019 Argentinien besuchte. (3)

- Am 3./4. Mai 2020 kam es tatsächlich zu einem Putschversuch gegen Nicolás Maduro. Die Operation GEDION wurde durch das amerikanische Privatunternehmen „Silvercorp“ durchgeführt. Daran beteiligt waren mindestens sechzig Personen. Eine Freischärlerschar landete am 3. Mai 2020 mit Booten am Küstenort Macuto nördlich von Caracas, um dort einen Brückenkopf für weitere Truppen zu bilden. Anführer der Putschisten war der ex-Generalmajor Clíver Antonio Alcalá Cordones, ehemaliger Kommandeur der 4. Panzerdivision in Maracay. Die Operationsführung lag bei Jordan Guy MacDonald Goudreau, einem Veteranen der amerikanischen Green Berets. Außerdem waren zwei weitere Green Berets an dem Umsturzversuch beteiligt - Luke Denman und Airan Berry. Im Hintergrund zogen CIA-Leute die Fäden, darunter Juan Cruz, ehemaliger „Chief of Station“ (COS) in Bogotá. Der Putschversuch forderte mindestens acht Tote, darunter Hauptmann Robert Levin Colina Ybarra, zahlreiche Personen wurden gefangengenommen. Gourdreau wurden von der venezolanischen Justiz zeitweise inhaftiert, kam aber vorzeitig frei.

- Mehrfach wurde Pläne zur Ermordung von Staatspräsident Hugo Chávez oder dessen Amtsnachfolger Nicholas Maduro aufgedeckt. Im Jahr 2004 drangen rund 150 Kolumbianer nach Venezuela ein, um Chávez zu töten. Kurz nach der Vereidigung von Maduro im Jahr 2013 wurden zwei potentielle Attentäter aus Kolumbien in Los Teques bei Caracas festgenommen. Am 4. August 2018 wurde Maduro zum Ziel eine Dronenangriffs der Gruppe „Soldados de Franela“. Weitere Mordpläne betrafen u. a. den früheren Innen- und Justizminister Diosdado Cabello Rondón, eine besonders korrupte Type.

Als mit Donald John Trump am 20. Januar 2017 ein aggressiver politischer Stümper das Amt des U.S. Präsidenten antrat, wurde schnell klar, dass die nationale Sicherheit Venezuelas enorm gefährdet war. Der Nationale Sicherheitsrat Russland befasste sich im Januar 2019 und am 25. April 2019 mit dem Fall Venezuela. Bei dieser Sitzung referierte der Direktor des Auslandsnachrichtendienstes „Sluschba wneschnei raswedki“ (SWR), Sergei Jewgenjewitsch Naryschkin, dass die USA eine Militäroperation gegen Venezuela vorbereiteten. Sein Kollege vom Militärgeheimdienst „Glawnoje Raswedywatelnoje Uprawlenije“ (GRU bzw. GU), Admiral Igor Olegowitsch Kostjukow, erklärte bei derselben Gelegenheit, dass die USA einen Angriff von Kolumbien aus vorbereiteten. (4)

Die russischen Geheimdienste in Caracas

Als Hugo Chávez 1998/99 die „sozialistische, bolivarische Revolution“ hinausposaunte, gab es die „Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken“ schon lange nicht mehr. Russland konnte als einer der Nachfolgestaaten nie an die Macht der UdSSR anknüpfen, war damals mehr mit sich selbst beschäftigt und ohne ideologische Ausrichtung. Dennoch ist Venezuela neben Kuba und Nicaragua einer der wichtigsten Partner Russlands in Mittelamerika, schließlich konnten die aggressiven amerikanischen Umtriebe der Regierung in Moskau nicht gleichgültig sein.

Von der UdSSR übernahm Russland die Botschaft in Caracas. Sie residiert in der Straße „Las Lomas“. Russischer Statthalter ist z. Zt. Sergej Michailowitsch Melik-Bagdasarow (Amtsantritt: 30. März 2020). Neben der offiziellen Konsularabteilung für den Besucherverkehr gibt es einen Militärattaché mit seinem Stab.

Innerhalb des GRU sind mehrere Organisationseinheiten mit den venezolanischen Angelegenheiten betraut: Die Zweite Hauptverwaltung „Westliche Hemisphäre“ betreibt auf dem gesamten Kontinent Spionage, die Sechste Hauptverwaltung ist speziell für alle Abhöroperationen im Rahmen ihrer Signal Intelligence (SIGINT) zuständig. Mit ihren Einheiten mit den Feldpostnummern „26165“ und „74455“ ist diese Hauptverwaltung zugleich auf dem Gebiet der Cyber-Kriegsführung aktiv. Die Zwölfte Hauptverwaltung betreibt „psychologische Kriegsführung“ im Rahmen der modernen Hybridkriegführung. Dazu unterhält der GRU insbesondere zwei Einheiten mit den Feldpostnummern „35555“, die mit der Wagner-Gruppe zusammenarbeitet(e), und „54777“. Schließlich führt die Achte Hauptverwaltung die Sondereinheiten („Woinskije Tschasti Spezialnowo Nasnatschenija Woennoj Raswedki Wooruschjonnych Sil“ -SPETSNAZ). Ihre Angehörigen dürften derzeit mit der Ausbildung und Beratung der venezolanischen Spezialeinheiten betraut sein.

Außerdem ist an der Botschaft eine „Residentura“ des zivilen SWR disloziert. Zur deren Organisationsstruktur gehört eine Verwaltung für „Politische Aufklärung“ („Politicheskaya razvedka“- PR) in der es eine Abteilung speziell für Lateinamerika gibt, die Verwaltung „S“ führt die Spione im Untergrund, die Abteilung „KR“ ist für Gegenspionage und die Überwachung der Russen im Ausland zuständig, hinzu kommt die Abteilung „OT“ für operativ-technische Unterstützung, etc.. Früher gab es noch eine Verwaltung für „Unterstützung“ („Meropriyatiya Sodeystviya“ -MS), die für alle Sonderoperationen zuständig war.

Eine unbekannte Zahl von Geheimagenten residiert unter den verschiedenen Tarnungen an der diplomatischen Vertretung. Auf dem exterritorialen Gelände der Botschaft betreiben die Russen verschiedene Abhöranlagen, um den Funkverkehr der venezolanischen Regierung und der anderen Botschaften mitzuhören. So ist die Botschaft seit Jahren in der SIGINT-Aufklärung, im Austausch von Geheimdiensterkenntnissen, der Cyber-Kriegführung, der Militärhilfe und der Wirtschaftsförderung aktiv:

Mit dem Machtantritt von Chávez waren die russischen Geheimdienste an der „Reform“ und Neuausrichtung der venezolanischen Geheimdienste involviert. Auf venezolanischer Seite war dafür General Miguel Eduardo Rodriguez Torres zuständig, der zeitweise in Russland ausgebildet worden war. Er selbst wurde am 13. März 2018 wegen klandestiner Umtriebe von den venezolanischen „Sicherheitsbehörden“ festgenommen. Russische Geheimdienstberater sind weiterhin auf der Führungsebene des venezolanischen Militärgeheimdienstes „Dirección General de Contrainteligencia Militar” (DGCIM) aktiv.

Im Jahr 2008 unterzeichneten die Venezolaner und Vertreter des russischen Sicherheitsdienstes „Federalnaja sluschba besopasnosti“ (FSB) ein Abkommen zu einer verstärkten Zusammenarbeit mit entsprechendem Geheimschutz.

Neben der Geheimdienst-Niederlassung in der Botschaft unterhalten die Russen mindestens noch eine weitere Aufklärungsbasis in Venezuela, erklärte Generalmajor a. D. Manuel Ricardo Christopher Figuera, der frühere Chef des Inlandsgeheimdienstes „Servicio Bolivariano de Inteligencia Nacional” (SEBIN) (Amtszeit: 30. Oktober 2018 bis 30. April 2019) im Januar 2022. (5)

Insgesamt betreiben die Russen sechs Abhörstationen in Venezuela, eine befindet sich in Caracas, fünf weitere im Grenzgebiet zu Kolumbien. (6) Außerdem erhalten die Venezolaner Aufklärungsdaten der kubanischen „Dirección de Contra-Inteligencia Militar“, die diese in ihrer Abhörstation in Bejucal abgefangen haben. Außerdem stellen die Kubaner einen Teil der Leibwächter für Maduro. Nicht zuletzt gibt es seit Anfang 2023 eine Zusammenarbeit zwischen den kolumbianischen und den venezolanischen Nachrichtendiensten.

Seit 2014, als Venezuela neben anderen lateinamerikanischen Staaten Ziel des „Machete“-Angriffs wurden, sind die venezolanischen Streitkräfte („Fuerza Armada Nacional Bolivariana“ - FANB) auf dem Gebiet der Cyberkriegführung tätig. Die Nationalgarde („Guardia Nacional Bolivariana“ - GNB) erhält gegenwärtig - im Rahmen des „Ayacucho Plans“ – eine eigene Einheit zur Cyberabwehr.

Die Waffenlieferungen wurde z. T. über den alten KGB-Agenten und russischen Waffenhändler Wiktor Anatoljewitsch But abgewickelt, der am 6. März 2008 festgenommen wurde:

„Nach amerikanischen Angaben verkaufte er auch Waffen an die kolumbianische Guerillabewegung FARC  und belieferte die Hisbollah im Libanon. Buts Geschäfte in Afghanistan zeigen ein hohes Maß an Flexibilität, so belieferte er vor 1995 zunächst die Regierung von Präsident Burhānuddin Rabbāni. In der Folge zählten dann dessen Gegner, die Taliban, zu Buts Kundschaft, bis er 2001 seinen Kurs erneut den Machtverhältnissen anpasste und in Afghanistan nur noch die mit den Vereinigten Staaten verbündete Nordallianz versorgte. (…)

Die Festnahme gelang der thailändischen Polizei unter Mithilfe der US-amerikanischen Drogenbehörde DEA, die But vorwarf, auch Drogen als Bezahlung für Waffen zu akzeptieren und in seinen Flugzeugen zu transportieren. Nachdem sich Agenten der Behörde bei But erfolgreich als an einem Waffengeschäft interessierte Vertreter der kolumbianischen FARC vorstellen konnten, gelang es, ihn zu einem Treffen in Bangkok zu bewegen, was schließlich zu seiner Festnahme führte.“ (7)

But kam erst im Dezember 2022 im Rahmen eines Agentenaustausches frei.

Ab 2013 beteiligten sich die Russen auch an der Drogenbekämpfung.

Russische Militärhilfe

Nachdem Donald Trump am 20. Januar 2017 zum U.S. Präsidenten avancierte, verstärkte er beständig Druck auf das südamerikanische Land. Die alarmierte Regierung in Moskau tat das ihrerseits Notwendige und verstärkte ihre Militärpräsenz in Venezuela deutlich. Am 20. März 2019 landeten zwei Transportflugzeuge in Caracas und entluden rund 100 Soldaten. Wenige Tage später, am 27. März 2019, forderte Trump die russischen Militärs auf, sie sollten das Land einfach verlassen, damit er dort freie Hand hätte.(8)

Im Juli 2022 vereinbarten beide Regierungen, in Venezuela eine Bodenstation für die russischen Navigationssatelliten des Systems „Globalnaja nawigazionnaja sputnikowaja sistema“ (GLONASS) zu errichten. Sie wurde im April 2025 auf dem Fliegerhorst Capitán Manuel Ríos Guari bei El Sombrero in Betrieb genommen.

Anfang Oktober 2025 landete erneut ein „ziviles“ Großraumtransportflugzeug vom russischen Typ Iljuschin Il-76 CANDID (Seriennummer: RA-78765) der Fluggesellschaft „Aviacon Zitotrans“ in Caracas, um Militärpersonal und Material zu entladen,

Experten vom „Tsentr perspektivnykh bespilotnykh tekhnologiy" mit dem Namen „Rubicon“ In Kubinka bilden die Venezolaner derzeit in Dronenkriegführung aus.

Nach Trumps erneutem Wahlsieg arbeiteten Russland und Venezuela seit dem 7. Mai 2025 an einem aktualisierten Abkommen über Rohstoffförderung und Militärhilfe, das am 8. Oktober von Maduro und am 27. Oktober schließlich auch vom russischen Präsidenten Wladimir Putin unterzeichnet wurde. Es hat eine Laufzeit von zehn Jahren. Das bilaterale Abkommen festigt die militärpolitische Zusammenarbeit als „Bestandteil der Wahrung der regionalen und globalen Sicherheit“, allerdings verpflichtet das bilaterale Abkommen keine Vertragspartei zu militärischem Beistand im Kriegsfall. Dazu wäre die russische Regierung angesichts des Zustandes seiner Streitkräfte und ihrer Bindung in der Ost-Ukraine auch gar nicht in der Lage. (9)

Der russische Außenminister Sergei Wiktorowitsch Lawrow erklärte am 5. Oktober 2025 in einem Telefonat mit seinem venezolanische Amtskollegen Yván Eduardo Gil Pinto, seine „internationale Solidarität“ mit Venezuela und warnte – wie die Regierung des Vereinigten Königreichs, der Niederlande und Frankreichs - vor einer Destabilisierung der Region Karibik. Wladimir Ruwinski, Professor für politische Wissenschaft an der Universität in Cali (Kolumbien), beurteilt die Situation kritisch. Im letzten Jahr hatte er noch erklärt: „Für Wladimir Putin ist Maduros Überleben ein Triumph. (…) Denn dort hat Putin die USA vorgeführt wie nirgendwo sonst auf der Welt.“ (10) Mittlerweile schätzt er die Lage viel skeptischer ein:

„The major risk at this point is the collapse of what Moscow was trying to construct for many years here in Latin America, namely its status as one of the centers of global power, which is capable of global protection. (…) I don’t think that Russia is willing to go very far. (…) Russia is not prepared and is not capable, realistically, to have this kind of engagement.” (11)

Ein erstes Kräftemessen fand bereits statt: Zwar verfügt Venezuela über die größten Erdölreserven der Welt (über 303 Milliarden Barrel), allerdings handelt es sich dabei um Schweröl, das nur mit Hilfe von Naptha gefördert werden kann. Früher waren die USA der Hauptlieferant dieser Chemikalie, seit Ende 2024 wird Venezuela vor allem von Russland mit Naptha versorgt. Seit Mitte November 2025 hat der russische Tanker „Seahorse“ dreimal versucht, Naptha nach Venezuela zu bringen, wurde aber dreimal von Kriegsschiffen der U.S. Navy, darunter der Lenkwaffenzerstörer DDG-106 USS STOCKDALE, grundlos und widerrechtlich daran gehindert. Dies weckt Erinnerungen an die „Quarantäne“ gegen Kuba im Oktober 2025. (12)

Außerdem bestimmte Donald Trump am 29. November 2025 rotzfrech:

„To all Airlines, Pilots, Drug Dealers, and Human Traffickers, please consider THE AIRSPACE ABOVE AND SURROUNDING VENEZUELA TO BE CLOSED IN ITS ENTIRETY.“

Nachdem sich der U.S. Präsident so erdreistet hat, den venezolanischen Luftraum zu „schließen“, indem er – wie ein Terrorist – angedroht hat, alle möglichen Flugzeuge abzuschießen, stellt sich die Frage, ob sich zivile oder militärische Flugzeuge aus Russland an diese Luftblockade halten werden.

Nach Medienberichten soll der venezolanische Präsident in einem Telefonat mit Trump am 29. oder 30. November 2025 eine sofortige Abdankung abgelehnt, aber baldige freie Wahlen in Aussicht gestellt haben. Sein toxisches Angebot garnierte er mit der Forderung, die Kontrolle über das Militär behalten zu wollen, das in Venezuela eine dominierende Rolle einnimmt. Außerdem forderte er eine weltweite Amnestie für all seine Verbrechen am venezolanischen Volk. Nach dem Telefonat erklärte Trump gegenüber der Presse nichtssagend: „Ich würde nicht sagen, dass es gut oder schlecht gelaufen ist. Es war ein Telefonat.“ (13)

Wenn die Amerikaner angreifen, müssten sie über das Fischerdorf La Guaira an der Küste (ca. 25.000 Einwohner) über den Flughafen Simón Bolívar in Maiquetia entlang der Autobahn in die 20 km entfernte Landeshauptstadt Caracas vorstoßen. Aber der amerikanische Präsident will einen billigen, kampflosen Sieg, indem Nicholás Maduro mit seiner schmarotzenden Entrourage vorab das Land einfach verlässt, um in Russland auf die Politgangster Wiktor Fedorowytsch Janukowytsch und Baschar Hafiz al-Assad zu treffen. Aber wer füllt dann zeitnah das entstandene Machtvakuum und was wird aus dem etatistischem Selbstverständnis der venezolanischen Institutionen? Die amerikanischen Negativbeispiele „Irak“ und „Afghanistan“ haben die Binsenweisheit bestätigt, dass „regime change“ ohne „nation building“ nicht funktioniert.

Die amerikanische „National Security Agency“ (NSA) wird die internen Gespräche zwischen den venezolanischen Offiziersfraktionen genau verfolgen, um sich ein Bild von den eigenen Optionen zu machen. Sollte die Machtübernahme in Caracas scheitern, droht den U.S. Militärs ein verlustreicher Krieg in den Bergen und im Dschungel Venezuelas.

Die Söldnergruppe „Wagner“

Seit 2018 ist die „Gruppa Wagnera“ in Venezuela aktiv. Im Jahr 2019 wurde das damals vorhandene Kontingent um mindestens weitere 400 Söldner aufgestockt. Zu ihren Aufgaben gehörte der Schutz von Staatspräsident Nicholás Maduro, die Unterstützung der venezolanischen Sicherheitsbehörden bei der Unterdrückung der demokratischen Opposition und der Schutz der Ölförderanlagen im Interesse der russischen Investoren von „Rosneft“. Die Söldner waren in Caracas, Canaima, Gran Sabana und Santa Elena de Uairén disloziert. (14)

Nach dem gescheiterten Putschversuch und der Ermordung von Jewgeni Wiktorowitsch Prigoschin wurde die Söldnertruppe am 23. November 2023 in „Afrikanski Korpus“ (deutsch: „Afrikakorps“) umbenannt und dem russischen Verteidigungsministerium offiziell unterstellt. Sie wird heute von Prigoschins Sohn, Pawel Jewgenjewitsch Prigoschin, geführt. Welche Rolle diese Söldnergruppe heute noch in Venezuela spielt, ist hier nicht bekannt.

Die russische „Äquator Task Force“

Nach dem Machtantritt von Joe Biden am 20. Januar 2021 soll das russische Geheimdienst- und Militärpersonal in Venezuela auf rund 70 Personen reduziert worden sein. Aber angesichts der erneuten Bedrohung Venezuelas durch Donald Trump ab Januar 2025 verstärkte die russische Regierung erneut ihre Militärpräsenz in Venezuela. Die Rede ist von der „Ekvatornaya Operativnaya Gruppa“ (EOG) unter Führung von Generaloberst Oleg Leontowitsch Makarewitsch. Generaloberst Makarewitsch ist ein bekannter Kriegsverbrecher aus dem Tschetschenien- und dem Ukrainekrieg. So leitete Makarewitsch von April bis Oktober 2023 die „Streitkräftegruppe Dnepr“ im Raum Cherson. Im Rahmen seiner Militäraktivitäten ist er für die Sprengung des Kachowka-Staudamms am 6. Juni 2023 verantwortlich:

„Entlang des 85 Kilometer langen Flusslaufs vom Damm bis zur Mündung des Dnipro ins Schwarze Meer wurde nach Angaben der Chersoner Agrar- und Wirtschaftsuniversität voraussichtlich ein Gebiet von 100 Quadratkilometern Fläche überflutet. Am 8. Juni sprachen ukrainische Behörden von 600 Quadratkilometern Fläche, die unter Wasser stünden. Der Hochwasserforscher Daniel Bachmann von der Hochschule Magdeburg-Stendal berechnete, dass von der Flutwelle die Wohnungen von bis zu 60.000 Menschen betroffen seien. Bei knapp einem Drittel davon, nämlich etwa 19.000 Menschen, könnte das Wasser so hoch steigen, dass sie in Lebensgefahr geraten. In der ukrainischen Region Cherson leiteten die ukrainischen Behörden die Evakuierung von rund 17.000 Menschen in einer kritischen Zone ein. Für Gegenden mit insgesamt mehr als 40.000 Einwohnern bestand nach dem Bruch des Kachowka-Staudamms Überflutungsgefahr, erklärte der ukrainische Generalstaatsanwalt Andrij Kostin. Auf der von Russland besetzten linken Seite des Flusses Dnipro sollten weitere 25.000 Anwohner fortgebracht werden.“ . (15)

Die EOG umfasst über 120 Militärs. Es handelt sich um SIGINT-Aufklärungsexperten, Militärberater, Ausbilder und Techniker. (16) Drei Viertel des Personals ist in Caracas disloziert, der Rest verteilt sich auf die Insel Isla de Aves, das Fischerdorf La Guaira und Maracaibo. (17)

Mitte Oktober 2025 überbrachte der venezolanische Transportminister Ramón Celestino Velázquez Araguayán ein Bittschreiben des venezolanischen Präsidenten Maduro an die Regierung von Wladimir Putin. Im Rahmen der aktuellen Militärhilfe lieferte Russland 14 FlaRak-Abwehrsysteme (Buk-M2E und möglicherweise auch Pantsir-S1) und Ersatzteile für die Kampfflugzeuge Su-30MK2 (NATO-Code: FLANKER-C) sowie die Radaranlagen der Flugabwehrstellungen. Damit dürften die russischen, subatomaren Möglichkeiten zur Unterstützung ausgeschöpft sein.

Da von Russland kein nennenswerter militärischer Beistand zu erwarten ist, hat sich Nicholás Maduro an die Organisation erdölexportierender Staaten (OPEC) gewandt. Sie möge „diese Aggression aufzuhalten, die mit immer mehr Kraft vorbereitet wird". Washington versuche, "sich mithilfe militärischer Gewalt Venezuelas riesige Ölreserven, die größten der Welt, anzueignen". (18)

Und:

“I hope to count on your best efforts to help stop this aggression, which is growing stronger and seriously threatens the balance of the international energy market, both for producing and consuming countries.” (19)

Sonstiges

Für die russischen Nachrichtendienste stellt sich die Herausforderung, die amerikanischen Operationspläne auszuforschen und die entsprechenden Erkenntnisse an die Partner in Venezuela weiterzuleiten. Dies ist bei leibe keine neuartige Aufgabe:

Weil Kolumbien unter der Führung von Iván Duque Márquez (Amtszeit: 7. August 2018 bis 7. August 2022) die amerikanischen Interventionsüberlegungen unterstützte, spionierten die russischen Nachrichtendienste das Land aus. Zu ihren Aufklärungszielen gehörte das Militärpotential des Landes, insbesondere die Aktivitäten des kolumbianischen Militärgeheimdienstes, aber auch die Energie-, Petro- und die Bergbauindustrie im Raum Cali, etc.. Dazu wurden auch Aufklärungsdrohnen eingesetzt. Am 8. Dezember 2020 wurden zwei russische Agenten im Rahmen der Operation ENIGMA der „Direccion Nacional de Intelligencia“ (DNI) festgenommen. Es handelte sich um Alexander Nikolajewitsch Belousow vom Militärgeheimdienst GRU, der seit dem 1. November 2017 in Kolumbien spionierte, und Alexander Paristow vom Auslandsnachrichtendienst SWR, der seit dem 17. Januar 2019 in Bogotá stationiert war. Weitere Mitarbeiter der Botschaft stehen im Verdacht, Spionage zu begehen. (20)

Quellen:

(1) https://www.globalsecurity.org/military/ops/balboa.htm

(2) https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-04/venezuela-juan-guaido-
demonstranten-caracas-militaereinsatz

(3) https://www.elcohetealaluna.com/un-general-paleolitico-barbecho/

(4) https://ridl.io/russia-s-intelligence-agencies-in-the-global-south-the-case-of-venezuela/

(5) https://ridl.io/russia-s-intelligence-agencies-in-the-global-south-the-case-of-venezuela/

(6) https://ridl.io/russia-s-intelligence-agencies-in-the-global-south-the-case-of-venezuela/

(7) https://de.wikipedia.org/wiki/Wiktor_Anatoljewitsch_But

(8) https://www.euronews.com/2019/03/28/russian-troops-arrived-in-venezuela-
ifax-cites-attache

(9) https://www.milfors.de/Venezuela_Kriegsgefahr.htm

(10) https://www.handelsblatt.com/politik/international/russland-machtspiele-in-
lateinamerika-putin-baut-einfluss-aus/100058481.htm/

(11) https://www.themoscowtimes.com/2025/11/13/moscow-risks-losing-a-key-ally-
in-latin-america-as-trump-ramps-up-pressure-on-venezuelas-maduro-a91121

(12) https://de.nachrichten.yahoo.com/blockade-karibik-russischer-tanker-will-121151033.html

(13) https://www.fr.de/politik/venezuela-konflikt-trump-regierung-soll-maduro-asyl-in-
russland-vorgeschlagen-haben-zr-94062739.html

(14) https://greydynamics.com/russian-paramilitary-presence-in-venezuela

(15) https://de.wikipedia.org/wiki/Zerst%C3%B6rung_des_Kachowka-Staudamms

(16) https://www.twz.com/news-features/russian-general-in-venezuela-leading-
advisory-mission-ukraines-intel-chief

(17) https://united24media.com/latest-news/russian-general-accused-of-
blowing-up-ukrainian-kakhovka-dam-now-training-venezuelas-military-13697

(18) https://www.n-tv.de/politik/US-Regierung-soll-Maduro-Exil-vorgeschlagen-
haben-id30089862.html

(19) https://www.aljazeera.com/news/2025/12/1/venezuela-calls-on-opec-to-
counter-us-threats

(20) https://www.dw.com/es/colombia-expuls%C3%B3-a-dos-diplom%C3%
A1ticos-rusos-que-espiaban-infraestructura-militar-y-recursos-minerales/a-56036424