Militärforschung
  Ukraine-Krieg 2.0 - 19. Update
 

Ukraine-Krieg 2.0 – Update 19 vom 16. März (D+18)

Gerhard Piper

Lageentwicklung:

Nach Einschätzung des früheren CIA-Direktors Leon Panetta ist und bleibt Wladimir Putin ein gefährlicher Mann: „Putin ist ein Tyrann, und wenn Tyrannen in die Enge getrieben werden, versuchen sie, um sich zu schlagen. Unsere Geheimdienstleute haben gesagt, dass das Risiko besteht, dass Putin noch einen draufsetzt. Er könnte bereit sein, zu eskalieren.“

Der Bundesnachrichtendienst interessiert sich seit über 35 Jahren für Wladimir Putin, seit sich dieser ab 1985 in der KGB-Niederlassung in Dresden (Angelikastraße 4) vergeblich um Agentenführung und Agentenanwerbung bemühte. Damals hatte der BND eine Doppelagentin im KGB-Objekt im Einsatz, die das ein oder andere über Herrn Putin (KGB-Deckname MOTTE) berichtet haben mag.

Nun sind neue Informationen aufgetaucht. Der Journalist Dietmar Schumann, der früher für das DDR-Fernsehen und später für das „ZDF“ arbeitete, konnte eine ehemalige Dolmetscherin in der KGB-Niederlassung aufspüren und befragen. Was die Frau zu berichten hatte, passt ins Bild, dass man sich von Wladimir Putin machen konnte:

„In der Dresdener KGB-Villa nannten wir diesen Putin unter uns den Giftzwerg. Weil er ein Intrigant war, durch und durch. Ein übler Typ, nach unten tretend, nach oben buckelnd. Schlau, hinterhältig und ein rücksichtsloser Karrierist. Jetzt sitzt er im Kreml. Du wirst sehen, mit dem haben sie noch viel vor.“

Hier stellt sich die Frage nach den „Hintermännern“, die den kleinen, mittelmäßig begabten KGB-Agenten aus Dresden am 25. Juli 1998 zum FSB-Direktor und am 1. Januar 2000 zum Staatspräsidenten machten, und welche Rolle sie zukünftig spielen werden, wenn die Verrentung von Wladimir Putin auf der Tagesordnung steht.

Verhandlungen:

Die Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland über ein Kriegsende werden offensichtlich konkreter. Es würden Dokumente ausgearbeitet für mögliche direkte Gespräche zwischen Staatschef Woloymyr Selenskyj und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, zitierte die russische Staatsagentur „Ria Nowosti“ den ukrainischen Präsidentenberater Mychajlo Podoljak: „Der einzige Weg, diesen Krieg zu beenden, sind direkte Gespräche der beiden Präsidenten. Daran arbeiten wir bei diesen Verhandlungen. (…) Das könnte schon bald passieren.“ Nach dem Scheitern des „Budapester Memorandum“ besteht die Ukraine auf handfeste Sicherheitsgarantien.

Der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag (Niederlande) hat am Mittwochnachmittag in einem Dringlichkeitsverfahren angeordnet, dass Russland sofort die militärische Gewalt in der Ukraine beenden muss. Das höchste Gericht der Vereinten Nationen gab einer Klage der Ukraine gegen Russland statt. Das Urteil ist zwar bindend. Doch Experten bezweifeln, dass Moskau sich an eine Anordnung halten würde. Die Anhörung hatte Russland bereits demonstrativ boykottiert. (https://www.focus.de/politik/ausland/ukraine-krieg-im-ticker-bericht-ukrainisches-militaer-zerstoert-mehrere-russische-hubschrauber-in-cherson_id_52139887.html)

Truppenaufmarsch:

Zu Beginn des Krieges am 24. Februar hatten die russischen Streitkräfte mindestens 150.000 bis 170.000 Mann Bodentruppen zusammengezogen, die in über 100 Taktischen Bataillonsgruppen aufgeteilt waren. Das war ungefähr zwei Drittel des Gesamtpotentials des russischen Heeres.

Nun berichtete der ukrainische Generalsstab in der Nacht zum 16. März, die russische Armee soll bereits bis zu 40 Prozent der Einheiten verloren haben. Diese Truppen seien entweder vollständig zerstört worden oder hätten ihre Kampfkraft verloren. Eine konkretere Zahl wurde nicht genannt.

Das würde bedeuten, dass die Russen fast die Hälfte ihrer Truppen in der Ukraine, also fast ein Drittel ihres Gesamtpotentials innerhalb von knapp drei Wochen verloren haben. Zu der aktuellen Generalstabsmeldung passt die zeitgleiche Angabe, dass bisher 13.500 Russen gefallen seien.

Um die Verluste vollständig auszugleichen, müsste das Verteidigungsministerium in Moskau das letzte Drittel ihrer Bodentruppen aus ganz Russland zusammenscharren. Das ist aber in kurzer Zeit logistisch gar nicht möglich, die im Einsatz befindlichen Einheiten bleiben auf sich alleingestellt. Ersatz ist nicht in Sicht. Mit jedem weiteren „Treffer“ der ukrainischen Soldaten nimmt die Zahl der Russen weiter ab.

Zu der ukrainischen Meldung passt der aktuelle Bericht der britischen Nachrichtendienste, danach soll Russland aufgrund „anhaltender Personalverluste“ Verstärkung aus dem ganzen Land mobilisieren: „Russland versucht zunehmend, zusätzliche Truppen aufzustellen, um seine Personalverluste zu verstärken und zu ersetzen.“ Angesichts der Personalknappheit sei es wahrscheinlich, dass die russischen Truppen an der Front nicht länger zu Offensiven in der Lage seien.

Unklar ist, ob die rund 22.000 syrischen Söldner, die die Russen bisher aus einem Bewerberpool von mehr als 40.000 Syrern ausgesucht haben, zum Einsatz kommen können. Dies ist möglicherweise nur dann möglich, wenn der NATO-Staat Türkei einem Lufttransport zustimmt. Statt den 13 bis 32 Euro, die ihnen in Syrien als Monatssold ausgezahlt wurden, winkt den Söldnern in Russland ein Gehalt von 1000 Euro monatlich. Außerdem hätten sie Anspruch auf Entschädigungszahlungen in Höhe von 7.000 Euro im Fall von Verletzungen und 15.000 Euro im Todesfall.

In zwei, drei Wochen wird die „Rote Armee“ durch ein paar ukrainische Soldaten, Hausfrauen und Handwerker aufgerieben sein. Die militärpolitischen und gesellschaftlichen Folgen sind noch nicht absehbar. Es wird zu schwerwiegenden Auseinandersetzungen zwischen dem Kreml und der Generalität kommen, sowie zwischen der militärischen Generalität und der Operettengeneralität der Geheimdienste, zwischen den Politikern und den Oligarchen, die um ihre zusammengerafften Vermögen bangen.

Zurück bleibt ein bankrottes Land mit angeschlagenen Luftstreitkräften, einer „kompletten“ Marine, aber weitgehend ohne einsatzfähige Bodentruppen. Während die konventionellen Streitkräfte ziemlich dezimiert wurden, blieben die atomaren Truppenteile vollständig erhalten. Ein eklatantes Missverhältnis! In diesem Zusammenhang muss die US-Angabe, dass die russischen Truppen fast 1.000 Raketen eingesetzt und somit verbraucht haben, genauer untersucht werden. Vermutlich sind damit Boden-Boden-Raketen und luft- oder bodengestützte Marschflugkörper gemeint. In der Regel handelt es sich dabei um „Dual-use“-Systeme, die sowohl konventionell oder atomar eingesetzt werden können. Es bleibt abzuwarten, wie das Verhältnis zwischen Anzahl der Trägersysteme und Anzahl der verfügbaren Sprengköpfe in Zukunft aussieht.

Aufgrund der internationalen Sanktionen wird Russland zukünftig weiterhin bankrott sein und über Jahre hinaus keinen Zugang zu westlicher High-Tech-Militärtechnologie bekommen. Beide Faktoren werden eine zukünftige Aufrüstung Russland behindern. Dies schränkt die militärpolitischen Handlungsmöglichkeiten dauerhaft ein, dies betrifft insbesondere die Interventionsmöglichkeiten im „Nahen Ausland“: Transnistrien, Ukraine, Tschetschenien, Ossetien, Abchasien, Nagorny-Karabach, Syrien, etc.. Die Kräfteverhältnisse USA-Russland, NATO-Russland und VRC-Russland werden sich zum Nachteil Russlands verändern.

Gefechte:

- Kharkiw:

Der Notdienst in der ostukrainischen Region Kharkiw teilt mit, dass seit dem Einmarsch Russlands am 24. Februar mindestens 500 Einwohner der Stadt Kharkiw getötet worden sind.

Norden:

- Tschernihiw:

In Tschernihiw sollen russische Streitkräfte auf Zivilisten geschossen haben, die am Vormittag vor einer Bäckerei anstanden, um Brot zu kaufen. Zehn Zivilisten sollen bei dem Angriff umgekommen sein. Der Angriff erinnert an einen ähnlichen Vorfall in Sarajewo in den neunziger Jahren.

Süden:

- Mariupol:

In der Nacht vom 15. auf den 16. März war die Stadt heftigen Luftangriffen ausgesetzt. Sergei Orlov, stellvertretender Bürgermeister von Mariupol, berichtete: „Gestern haben wir 22 Flugzeuge gezählt, die unsere Stadt bombardiert haben, und mindestens 100 Bomben, die sie benutzt haben, um unsere Stadt zu bombardieren. Der Schaden ist schrecklich.“

In Mariupol haben die (pro-)russischen Kämpfer ein Krankenhaus besetzt und die 400 Ärzte, Krankenschwestern und Patienten als Geiseln genommen. Anschließend begannen die russischen Staatsterroristen die Umgebung zu beschießen. Dazu zitierte Pavlo Kyrylenko, Leiter der Regionalverwaltung von Donezk, einen eingeschlossenen Mitarbeiter: „Es ist unmöglich, aus dem Krankenhaus herauszukommen. Sie schießen heftig, wir sitzen im Keller fest. Autos können seit zwei Tagen nicht mehr ins Krankenhaus fahren. Hochhäuser um uns herum brennen … die Russen haben 400 Menschen von Nachbargebäuden in unser Krankenhaus getrieben. Wir können nicht gehen.“

Immerhin konnten rund 20.000 Menschen in 4.000 Autos die umkämpfte Hafenstadt über einen „humanitären Korridor“ in Richtung Saporischschja verlassen.

- Mykolajiw:

In Mykolajiw ist ein Waisenhaus vor Tagen mit Streubomben angegriffen worden, wie jetzt eine Spurensuche ergab. In dem Waisenhaus lebten früher 302 Kinder, die wenige Tage vor dem Angriff evakuiert wurden.

Schwarzmeerflotte:

Schiffe der russischen Schwarzmeerflotte haben damit begonnen, die ukrainische Küste in der Nähe der Hafenstadt Odessa zu beschießen. Die Dörfer Lebedivka, Sanzheika, Zatoka und Bilenke, die alle etwa 30 Kilometer südlich der drittgrößten Stadt der Ukraine liegen, seien in den letzten 24 Stunden beschossen worden.

Verluste:

Das ukrainische Verteidigungsministerium gab die russischen Verluste wie folgt an: ca. 13.500 Gefallene, 404 Kampfpanzer, 1.279 Panzerfahrzeuge, 36 Flugabwehrsysteme, 60 Tankfahrzeuge, 640 Fahrzeuge, 164 Feldraketenwerfer, 50 Stück Rohrartillerie (Kanonen und Haubitzen), 81 Flugzeuge, 95 Hubschrauber, 9 Drohnen und 2 Schiffe.

Bei den Kämpfen um Mariupol ist am Dienstag der russische Generalmajor Oleg Mitjajew, seit 2020 Kommandeur der 150. MotSchützen Division aus Rostow-am-Don, gefallen. (https://www.spiegel.de/ausland/russland-ukraine-news-am-mittwoch-russische-bodentruppen-machen-dem-pentagon-zufolge-kaum-fortschritt-a-fc7ca4b9-f083-4ff7-b103-80bac96d857e) Die 150. Schützendivision wurde dadurch bekannt, dass ihre Soldaten im Mai 1945 die Rote Fahne über der Ostseite des Berliner Reichstags hissten. Die Division ist heute mit Kampfpanzern T-72B3 und Schützenpanzern BMP-3 und BTR-82 A ausgestattet. Es ist selten, dass ein General an der Front getötet wird, daher meinte ein westlicher Regierungsvertreter.

„Meine Einschätzung ist, dass diese Kommandeure getötet wurden, weil sie immer näher an die Front ziehen mussten, um die Kontrolle zu behalten, statt sich im Rücken der Operation aufzuhalten. (…) Das ist ein Indiz, dass sie über den Mangel an Fortschritt frustriert sind. Sie versuchen, ihre persönliche Strahlkraft auf das Schlachtfeld zu bringen und begeben sich so in Gefahr.“

Der Moskauer Schreibtischgeneral Igor Konaschenkow gab den Umfang der ukrainischen Verluste wie folgt an: 1.353 zerstörte Panzerfahrzeuge, 159 zerstörte Raketen(abwehr)systeme, 111 zerstörte Flugzeuge, 68 zerstörte Hubschrauber, und 160 zerstörte Drohnen.

Am frühen Abend des 14. März sind die Journalistin Oleksandra „Sascha“ Kuvshynova und ihr Kameramann Pierre Zakrzewski vom US-Sender „Fox“ in dem Dorf Horenka (ca. 5.500 Einwohner) im Norden der Ukraine getötet worden. Bei dem Vorfall wurde auch der britische Journalist Benjamin Hall, der als Auslandskorrespondent ebenfalls für „Fox News“ arbeitete, durch Schrabnelle an beiden Beinen verletzt; ihm muss möglicherweise ein Bein amputiert werden. Die Geschäftsführerin von „Fox“, Suzanne Scott, gab dazu bekannt:

„In our effort to keep you updated on yesterday's tragic events, we wanted to report that journalist Oleksandra 'Sasha' Kuvshynova was also killed alongside our cameraman Pierre Zakrzewski when their vehicle was struck by incoming fire yesterday while in the field with Benjamin Hall. (…) Sasha was just 24 years old and was serving as a consultant for us in Ukraine. She was helping our crews navigate Kyiv and the surrounding area while gathering information and speaking to sources. She was incredibly talented and spent weeks working directly with our entire team there, operating around the clock to make sure the world knew what was happening in her country." (https://www.foxnews.com/media/ukrainian-journalist-oleksandra-kuvshinova-killed-attack)

Als eine Folge des Krieges wird die Ukraine nach Einschätzung von Innenminister Denys Monastyrskyj noch über Jahre mit der Räumung von Minen zu kämpfen haben. Dafür reichten aber die Kapazitäten der ukrainischen Spezialisten nicht aus.

Zivilbevölkerung:

Zu den Sachschäden auf ukrainischer Seite zählen 400 beschädige Schulgebäude und Lehreinrichtungen, von denen etwa 60 vollständig zerstört wurden.

Der ukrainische Ministerpräsident Denis Schmygal bezifferte die Zerstörungen und Schäden für die heimische Wirtschaft auf bisher 565 Milliarden US-Dollar: „In der Tat sind dies die Mittel, die benötigt werden, um unseren Staat wiederherzustellen.“ Nach Einschätzung von Vizewirtschaftsminister Denys Kudin betragen allein die bislang entstandenen Schäden an der Infrastruktur rund 119 Milliarden Dollar.

Nach Einschätzung von Achim Steiner, Administrator des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP), seien 90 Prozent der Ukrainer bei langer Andauer des Krieges von Armut bedroht. Im schlimmsten Fall würde die Wirtschaft des Landes zusammenbrechen und das Wachstum von zwei Jahrzehnten zunichtegemacht.

- Atomare Waffen / AKWs:

Die Atomruine von Tschernobyl wird derzeit über das belarussische Elektrizitätsnetz mit Strom versorgt.

NATO:

Die Verteidigungsminister der NATO-Staaten kamen heute in Brüssel zu einer Lagekonferenz zusammen, um über den Ausbau der Truppenpräsenz in Osteuropa zu befinden. Der NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg betonte die Mobilmachung in den letzten Wochen: Schon jetzt seien mehrere Hunderttausend NATO-Soldaten in erhöhter Alarmbereitschaft, darunter seien inzwischen 100.000 Soldaten, die die USA mittlerweile in Europa stationiert haben, und 40.000 Soldaten der NRF aus den europäischen Staaten. Zur russischen Invasion in die Ukraine sagte Stoltenberg: „Sie wird unser Sicherheitsumfeld verändern und sie wird langfristige Folgen für alle Nato-Alliierten haben.“ 

Irgendwann, in nicht allzu weiter Ferne, wird der Ukrainekrieg zu Ende gehen, und wie steht dann die NATO dar, mit diesem Leichenschauhaus vor ihrer Haustür? Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat der NATO wiederholt Betrug und Feigheit vorgeworfen. Am 15. März konstatierte er: „Artikel 5 des Nato-Vertrags war noch nie so schwach wie jetzt.“

Trotz dem ganzen Gequatsche über den Zusammenhalt innerhalb des Bündnisses ist die Allianz tief gespalten: Die meisten Staaten woll(t)en nicht militärisch in den Ukrainekrieg intervenieren. Eine Ausnahme bildeten hier die deutsche SPD-Vorsitzende Saskia Esken am 14. März und der polnische stellvertretende Regierungschef Jarosław Kaczyński. Bei seinem Besuch in Kiew am 15. März forderte er eine „Friedensmission der NATO oder möglicherweise einer breiteren internationalen Struktur“: „Sie muss versuchen, humanitäre und friedliche Hilfe in der Ukraine zu leisten.“ Dazu sei der Einsatz bewaffneter Soldaten zum Schutz von Hilfskonvois in der Ukraine notwendig. Die Konvois sollten „von Streitkräften geschützt“ werden und „in der Lage sein, sich selbst zu verteidigen“.

Die osteuropäischen NATO-Staaten plädieren i. d. R. für einen schärferen Kurs gegenüber Russland. Demgegenüber sind andere NATO-Staaten sehr zurückhaltend: Ungarn unterstützt zwar die EU-Sanktionen, sympathisiert aber weiterhin mit der russischen Führung und verbietet direkte Waffenlieferungen über ungarisches Territorium an die Ukraine. Die Bundesrepublik und die Türkei sind ökonomisch abhängig von Russland und vertreten daher einen sehr gemäßigten Kurs. So kritisierte der EU-Botschafter in der Türkei, Nikolaus Mayer-Landrut, das Land vollführe derzeit einen „Balanceakt“. Er hoffe, dass die Türkei nicht die EU-Sanktionen unterlaufe. So hatte der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu vor einigen Tagen erklärt, sein Land werde sich nicht an die Sperrung des EU-Luftraums für russische Flugzeuge halten, damit Russen aus der EU und anderen Ländern noch reisen könnten. Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte den europäischen Staaten kürzlich eine „Hexenjagd“ gegen russische Künstler vorgeworfen und auch von faschistischen Methoden gesprochen.

In den nächsten Tagen kommen die Staats- und Regierungschefs zu einer Gipfelkonferenz zusammen.

USA:

Die US-Regierung beliefert die Ukraine mit mobilen Luftverteidigungssysteme aus der Sowjetzeit, die die USA gebunkert haben: 9K33 Osa (NATO-Code: SA-8 GECKO), S-300 (NATO-Code: SA-10 GRUMBLE), S-300V (NATO-Code je nach Variante: SA-12 GLADIATOR oder GIANT) und 9К34 STRELA-3 (NATO-Code: SA-14 GREMLIN).

BRD:

Die Bundeswehr verlegt seit dem 16. März rund 700 Soldaten der Flugabwehrraketengruppe 26 in Husum mit ihren Flugabwehrraketen vom Typ MIM-104 PATRIOT in die Slowakei. Kommandeur der Gruppe ist z. Zt. Oberstleutnant Mathias Hacker.

Das Bundesverteidigungsministerium hat Einzelheiten zu seiner aufgestockten Finanzplanung bekannt gegeben:

„Im Bundeshaushalt 2022 sollen demnach für den Verteidigungsetat im Einzelplan 14 mehr als 50 Milliarden Euro (50,33 Mrd. Euro) veranschlagt werden. In den Folgejahren ist nach den Eckwerten zum Haushalt 2023 und zum Finanzplan bis 2026 laut Verteidigungsministerium vorgesehen, durchgängig rund 50,1 Milliarden Euro jährlich zu berücksichtigen, was insgesamt einem Plus von rund 12,4 Milliarden Euro im Vergleich zum geltenden Finanzplan betrage.“

Nach anderen Angaben sollen die jährlichen Rüstungsausgaben – gemäß dem 2-Prozent-BIP-Ziel - auf über 70 Milliarden Euro pro Jahr steigen. Welche eine Vergeudung ökonomischer Ressourcen, aber vermutlich eine unvermeidbare Investition in die nationale Sicherheit.

Gemäß einer Langzeitbefragung, das sogenannte Deutsch-Polnische Barometer, äußern z. Zt. 74 Prozent der Bundesbürger die Befürchtung, dass Deutschland durch Russland bedroht wird.

Während die Bundesländer für den Katastrophenschutz zuständig sind, fällt der Zivilschutz in Kriegszeiten in die Kompetenz des Bundes. In der Praxis überschneiden sich beide Bereiche, da der Bund in Friedenszeiten einen Teil seiner Zivilschutzausrüstung an den Katastrophenschutz der Länder abgibt, damit die Fahrzeuge etc. personell besetzt und sinnvoll genutzt werden.

Sollte es zu einem größeren Landkrieg in Europa kommen, ist die deutsche Zivilbevölkerung völlig ungeschützt. Im Kalten Krieg bis Ende der achtziger Jahre standen für rund 3 Prozent der Zivilisten Atombunker in Gemeinschaftskellern, Tiefgaragen und U-Bahnstationen zur Verfügung. Im Jahr 2007 wurde das „Schutzraumprogramm“ aus Kostengründen eingestellt. Der Unterhalt und die Sanierung der unterirdischen Anlagen bei Wassereinbruch etc. wurden als zu teuer bewertet. Gleichzeitig wurden in den meisten Bundesländern die Warnsirenen abgebaut.

Mittlerweile registriert das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenvorsorge (BBK) in Bonn-Lengsdorf ein gesteigertes Interesse an einer privaten Vorsorge. Auf die Frage, „wo finde ich Schutzräume?“, teilt das BBK lapidar mit:

„Dass Deutschland vor dem Hintergrund des bewaffneten Konflikts in der Ukraine einem Luftangriff ausgesetzt sein wird, ist unwahrscheinlich. Dennoch stellt man sich natürlich die Frage nach Schutzräumen, sollte es soweit kommen.

Öffentliche Schutzräume wie z.B. Luftschutzbunker gibt es nicht mehr. Im Jahr 2007 beschlossen Bund und Länder gemeinsam, öffentliche Schutzräume nicht weiter zu erhalten. Mit dem Fall der Mauer und der Beendigung des Ost-West-Konflikts schien das Szenario eines konventionellen Krieges mit großflächigen Bombardierungen und dem Einsatz chemischer und nuklearer Waffen nicht mehr zeitgemäß.

Doch auch ohne öffentliche Einrichtungen gibt es natürlich Schutzmöglichkeiten. (…) Guten Schutz bietet generell die vorhandene Bebauung, sowohl vor fliegenden Objekten als auch vor Kontamination mit chemischen oder nuklearen Stoffen. Im Fall eines Angriffs gehen Sie am besten in einen innenliegenden Raum mit möglichst wenigen Außenwänden, Türen und Fenstern: Glasflächen können bei Explosionen durch die Druckwelle zersplittern und Verletzungen verursachen. (…) Wenn Sie nicht zu Hause, sondern innerhalb einer Stadt unterwegs sind, gehen Sie wenn möglich in ein Gebäude mit Innenräumen oder suchen Sie am besten unterirdische Gebäudeteile auf, z.B. U-Bahn-Stationen. Benutzen Sie grundsätzlich die Treppe und nicht den Fahrstuhl. Bei einer Beschädigung des Gebäudes oder bei einem Stromausfall könnten Sie im Fahrstuhl eingeschlossen werden.“ (https://www.bbk.bund.de/DE/Das-BBK/Zivilschutz/zivilschutz_node.html)

Wer also bei einem Atomangriff den Fahrstuhl benutzt, macht dies auf eigene Gefahr!

Außerdem soll man – und dies ist bestimmt total wichtig – bei einem Atomangriff die Feuerwehr anrufen:

„Das Spektrum an Gefahrstoffen ist groß. Unterschieden wird in chemische (C), biologische (B), radiologische (R) und nukleare (N) Gefahrstoffe. Zusammengefasst werden sie als CBRN-Gefahrstoffe bezeichnet, früher wurde der Begriff "ABC-Gefahrstoffe" (atomare, biologische und chemische Gefahrstoffe) verwendet. CBRN-Gefahrstoffe können gas- oder dampfförmig, als Aerosole, flüssig oder fest auftreten. Ein Laie kann in der Regel die Gefährlichkeit nicht erkennen. Deshalb gilt: Wenn etwas passiert, melden Sie es der Rettungsleitstelle (Tel. 112) oder der Giftnotrufzentrale.“ 

Gott sei Dank, kann man mit einem Handy i. d. R. auch dann noch einen Notruf absetzen, wenn der Akku leer ist. Das ist gerade bei einem Atomkrieg total wichtig, sonst wüsste die Feuerwehr ja gar nicht, dass Atomkrieg ist.

Außerdem gibt das BBK – in der x-ten Auflage - eine Broschüre zur Notfallvorsorge für die verschiedensten Gefahrenlagen heraus: „Ratgeber für Notfallvorsorge und richtiges Handeln in Notsituationen“ (68 Seiten plus eine acht-seitige „Persönliche Checkliste“). Demnach soll jeder Bundesbürger Notreserven (Wasser, Lebensmittel, Medikamente, Batterien, etc.) für zehn Tage bereithalten. Im Prinzip kann man die Broschüre im Internet runterladen, aber das funktioniert z. Zt. nicht. Speziell für Flüchtlinge aus der Ukraine hat das BBK eine mehrsprachige Ratgeberseite eingerichtet. (https://zugportal.de/collection-type/collection/4wTb0baXrhZTCLqrKVfZca)

Zu klein geratene Mini-Bunker sind auf dem Markt ab 50.000 Euro zu haben. Ansonsten reicht ein Leichensack pro Person.

Frankreich:

Frankreich verlegt etwa 3000 Soldaten nach Rumänien. (https://www.tagesschau.de/ausland/europa/gipfel-nato-verteidigungsminister-ukraine-101.html)

Slowakei:

Das slowakische Parlament hat der Stationierung ausländischer NATO-Truppen am 15. März zugestimmt. Insgesamt werden 2.100 Mann disloziert: BRD (700 Mann), Tschechien (600) USA (400), Niederlande (200), Polen (100) und Slowenien (100).

IWF:

Nach Ansicht des Internationalen Währungsfonds (IWF) kann der Ukrainekrieg die globale Wirtschaftsordnung grundlegend verändern. Neben kurzfristigen Folgen wie einer steigenden Inflation bei nachlassendem Wachstum seien längerfristige Auswirkungen denkbar: „Der Krieg kann die weltweite wirtschaftliche und geopolitische Ordnung grundlegend verändern, wenn sich der Energiehandel verschiebt, sich Lieferketten verändern, Zahlungs-Netzwerke zerfallen und Länder neu über ihre Währungsreserven nachdenken.“ (https://www.spiegel.de/ausland/russland-ukraine-news-am-mittwoch-russische-bodentruppen-machen-dem-pentagon-zufolge-kaum-fortschritt-a-fc7ca4b9-f083-4ff7-b103-80bac96d857e)

Wichtig ist, dass die Sanktionen gegen Russland erst aufgehoben werden, wenn das Land seine Reparationsverpflichtungen an die Ukraine getilgt hat. Das dürfe dauern!