Militärforschung
  Ukraine-Krieg 2.0 - 51. Update
 

Ukraine-Krieg 2.0 – Update 51 vom 17. April (D+51)

Gerhard Piper

Lageentwicklung:

Stabilität: Der russische Präsident Wladimir Putin befindet sich - laut Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer – „in seiner eigenen Kriegslogik“: Putin „glaubt, dass er diesen Krieg gewinnt“. (https://www.n-tv.de/politik/11-01-Russland-Ukrainische-Truppen-in-Mariupol-ergeben-sich-nicht--article23143824.html) Der italienische Ministerpräsident Mario Draghi ist ernüchtert von den diplomatischen Versuchen, Kremlchef Wladimir Putin zu einem Waffenstillstand im Ukrainekrieg zu überzeugen: „Ich fange an zu denken, dass diejenigen Recht haben, die sagen: Es ist sinnlos, mit ihm zu reden, man verliert nur Zeit.“ (https://www.n-tv.de/politik/18-20-Selenskyj-will-Macron-Voelkermord-Beweise-vor-Ort-zeigen--article23143824.html)

Der bulgarische Politologe und Buchautor Ivan Krastev sieht derzeit wenig Chancen für eine Palastrevolte gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin: „Es ist sehr schwierig, eine Palastrevolte zu organisieren, wenn man davon ausgehen muss, dass man dabei die Bevölkerung nicht hinter sich hat.“ (https://www.n-tv.de/politik/11-01-Russland-Ukrainische-Truppen-in-Mariupol-ergeben-sich-nicht--article23143824.html)

Atomarer Voralarm: Die Luftangriffe mit konventionellen Waffen der strategischen Mittelstreckenbomber vom Typ Tupolew Tu-22M3 (NATO-Code: BACKFIRE-C) am 14. und 17. April 2022 war eine unmissverständliche Botschaft. Dennoch ist weiter unklar, mit welcher Art von ABC-Waffen – atomar oder chemisch - die russische Regierung gegen Mariupol vorgehen will.

Daher wächst die Sorge vor einem Einsatz taktischer Atomwaffen Russlands. Wie die russische Bevölkerung dazu steht, berichtet „ntv“-Reporter Rainer Munz aus Moskau. Mit „erschreckender Alltäglichkeit“ würde das Thema in der Bevölkerung gesprochen und sogar eine „Atombombe auf Washington“ befürwortet:

„Die russische Öffentlichkeit wird schon lange darauf vorbereitet, dass taktische Atomwaffen, mindestens taktische Atomwaffen, eingesetzt werden und die sind ja nicht klein, die haben ja erhebliche, schlimme Auswirkungen, dass muss man sich immer ja auch klar machen. Im Fernsehen wird darüber diskutiert, ganz normal, fast alltäglich, und Andrei Piontkovsky, einer der einflussreichsten Politikexperten hier in Russland, er glaubt, dass siebzig Prozent der Russen dafür sind, solche Waffen einzusetzen und wir erleben es eben täglich im Gespräch. Da wird ganz normal darüber geredet: „Ja dann muss man Atomwaffen einsetzen in der Ukraine, am besten gleich auch eine Atombombe auf Washington werfen“. Was das für Konsequenzen haben würde, darüber wird gar nicht nachgedacht, nicht wieviele Menschen dabei sterben, was es für Auswirkungen für lange, lange Zeit hat. Also, die russische Öffentlichkeit wird darauf vorbereitet, und diese Alltäglichkeit, mit der darüber nachgedacht wird, so als ob man Tomaten einkauft, oder Gurken, so wird darüber diskutiert, und die russische Bevölkerung ist darauf vorbereitet, dass solche Waffen eingesetzt werden.“ (https://www.n-tv.de/mediathek/videos/politik/Russland-bereitet-Bevoelkerung-auf-Atomwaffeneinsatz-vor-article23272596.html)

Truppenaufmarsch:

Der Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes Holovne upravlinnya rozvidky (GUR), Generalmajor Kyrylo Budanow, kritisierte das russische Offizierskorps, Es sei erstaunlich…

"Wie inkompetent und fahrlässig die russischen Befehlshaber an die Durchführung einer so großen Operation herangegangen sind. Wenn sie wirklich glaubten, dass sie in drei Tagen damit fertig sind – und nach unseren Erkenntnissen waren sie felsenfest davon überzeugt – dann muss die russische Führung sich fragen, wie kompetent ihre Generäle sind." (https://www.t-online.de/nachrichten/ausland/id_92001842/++-news-zum-ukraine-krieg-++-ukraine-meldet-angriffe-mit-ueberschallbombern-auf-mariupol.html)

Gefechte:

- Kiew-Umgebung:

- Browary:

In dem Ort Browary, ca. 12 km nordöstlich von Kiew, ist nach einem russischen Raketenangriff auf eine Munitionsfabrik ein Teil der Infrastruktur zusammengebrochen. Es könne zu Unterbrechungen bei der Wasser- und Stromversorgung kommen, sagte Bürgermeister Ihor Saposchko.

- Irpin:

Nach Angaben von Bürgermeister Oleksandr Markushyn sind fast ein Drittel der Gebäude in Irpin beschädigt oder zerstört: 115 Gebäude wurden offenbar vollständig zerstört, 689 seien erheblich, 187 teilweise beschädigt. (https://www.n-tv.de/politik/11-01-Russland-Ukrainische-Truppen-in-Mariupol-ergeben-sich-nicht--article23143824.html)

- Kharkiw:

Insgesamt hätten die russischen Truppen in den letzten 24 Stunden 23-mal Teile der Gebietshauptstadt Kharkiw und Ortschaften im Gebiet beschossen. Zudem gab es einen Raketenangriff. Mindestens drei Zivilisten sind durch den russischen Beschuss mit Artillerie und Raketen getötet worden; 31 Menschen seien verletzt worden, teilt der Gouverneur des Gebiets, Oleh Synjehubow, mit. Insgesamt wurden bisher mehr als 500 Einwohner getötet.

Süden:

- Mariupol:

Nach russischen Angaben haben sich rund 2.500 ukrainische Kämpfer, darunter 400 „ausländische Söldner“, in dem Stahlwerk „Asowstal“ und am Erzhafen verschanzt. Die russische Regierung hat den Ukrainern ein Ultimatum gestellt und damit zur bedingungslosen Kapitulation aufgefordert. Das Ultimatum ist am Ostersonntag um 12.00 Uhr MESZ verstrichen. Für Morgenfrüh ist der Beginn einer „Säuberungsaktion“ angekündigt. Der ukrainische Generalstab rechnet mit einem amphibischen Angriff der Schwarzmeerflotte.

Der russische Schreibtischgeneral Igor Konaschenkow drohte: „Im Fall einer weiteren Gegenwehr werden sie alle vernichtet." (https://www.n-tv.de/politik/11-01-Russland-Ukrainische-Truppen-in-Mariupol-ergeben-sich-nicht--article23143824.html)

Am Sonntagabend flog die russische Luftwaffe erneut einen Luftangriff mit Tu-22M3 (NATO-Code: BACKFIRE-C). (https://www.focus.de/politik/ausland/der-kriegsverlauf-in-der-ukraine-im-ticker-mariupol-ist-eingekesselt_id_52139887.html)

Verluste:

Ukraine: Das russische Verteidigungsministerium teilte mit, dass innerhalb von 24 Stunden insgesamt weitere 68 Militärobjekte in dem Land zerstört worden seien, darunter sechs Lager (Raketen, Artillerie, Treibstoff) aber auch Drohnen und Kampfverbände.

Außerdem wurde ein britischer Kriegsfreiwilliger namens Shaun Pinner gefangengenommen und der Presse vorgeführt:

„Hallo, ich bin Shaun Pinner, ich bin britischer Staatsbürger. Ich wurde in Mariupol gefangen genommen. Ich gehöre zum 1. Bataillon der ukrainischen Marineinfanterie der 36. Brigade. Ich habe fünf bis sechs Wochen in Mariupol gekämpft und bin jetzt in der Volksrepublik Donezk." (https://www.n-tv.de/politik/18-20-Selenskyj-will-Macron-Voelkermord-Beweise-vor-Ort-zeigen--article23143824.html)

Russland: Der stellvertretende Befehlshaber der 8. russischen Armee, Generalmajor Vladimir Petrovich Frolov, ist bei einem Gefecht in der Donbass-Region ums Leben gekommen. Offenbar wurde er bereits am Samstag auf dem Serafim-Friedhof in St. Petersburg beigesetzt. (https://nypost.com/2022/04/16/russian-general-vladimir-frolov-killed-in-ukraine/)

Der russische Geheimdienst FSB fordert vom Kreml offenbar mehr Geld für die Bestattung getöteter Soldaten. So habe der FSB um eine Erhöhung von 17 Prozent bei der staatlichen Finanzierung von Bestattungen auf bis zu 74.200 Rubel (= 825 Euro) gebeten:

„Russia currently spends a maximum of 28,178 rubles ($350) for a soldier’s funeral services in Moscow and St. Petersburg and 20,350 rubles ($250) in the rest of the country. The FSB is requesting an increase to 33,005 rubles ($400) and 23,837 rubles ($290) in the two largest cities and the rest of the country, respectively. Separately, the FSB is also requesting an increase of 4,800 rubles ($59) to 6,000 rubles ($73) for the purchase of a tombstone. Overall, the FSB is seeking to raise the amount spent on funeral and burial services for each soldier to a range of 56,400-74, 200 rubles ($690-$910) depending on rank.“ (https://www.rferl.org/a/russia-fsb--budget-funerals-ukraine-war/31805207.html)

ABC-Waffen:

Atomwaffen / AKWs:

Die Tupolew Tu-22M3 (NATO-Code: BACKFIRE-C) ist ein atomares Trägersystem mittlerer Reichweite. Der Bomber wurde bereits 1972 eingeführt, der Gesamtbestand belief sich auf 497 Maschinen, davon sind noch rund 60 im Einsatz. Die vierköpfige Besatzung besteht aus Pilot, Co-Pilot, Navigator und Waffenoperator.

Bei einer Länge von 42,46 m hat der Schwenkflügler eine Spannweite von 23,3 bis 34,28 m. Die Startmasse der Maschine beträgt 126.000 kg, davon entfallen 68.000 kg auf das Flugzeug, max. 53.550 kg auf den Treibstoff und mind. 4.450 bis 21.000 kg auf die Bewaffnung. Der Einsatzradius im Unterschallflug in Bodennähe beträgt 1.650 km, die Höchstgeschwindigkeit in Bodennähe 1.050 km/h.

Die Bewaffnung befindet sich im Rumpf oder kann an zwei Unterflügelstationen mitgeführt werden. Verschiedenste Waffensysteme stehen – je nach Auftrag – zur Verfügung: u. a. zwei bis vier nukleare Freifallbomben vom Typ 7U-31 (246N) oder drei bis sechs Marschflugkörper mit Nukleargefechtskopf. Die Bomben wurden konstruiert vom früheren Konstruktionsbüro NII-1011 (aktuelle Bezeichnung: Vserossiyskiy nauchno-issledovatel'skiy institut tekhnicheskoy fiziki) in Snezhinsk (frühere Bezeichnung: Chelyabinsk-70):  
3 × MKB Raduga Ch-22MNPSI (NATO-Code: AS-4C KITCHEN) (350 KT)         
1 x MKB Raduga Ch-22PG/N (NATO-Code: AS-4A KITCHEN) (1 MT)              
6 × MKB Raduga Ch-15 (NATO-Code: AS-16 KICKBACK) (350 KT)                    
4 x Ch-47M2 KINSCHAL (NATO-Code: AS-24 KILLJOY) (100 bis 500 KT)

Folgende Schwerem Bombenfliegerregimenter (Tyazhelo Bombardirovochniy Aviatsionniy - TBAP) der Fernfliegerflotte sind mit der Tu-22M3 ausgerüstet:
52. TBAP Polk in Schaikowka mit 2 Staffeln und ca. 25 Maschinen
200. TBAP in Belaja mit 2 Staffeln und bis zu 40 Maschinen unterschiedlicher Flugtauglichkeit
40. Gemischtes Regiment (Smeshannyy Aviatsionnyy Polk - SAP) in Vysokiy bei Olenya/Olenogorsk bei Murmansk mit einer Staffel.

Chemiewaffen:

Obwohl Russland zur Abschaffung sämtlicher Chemiewaffen verpflichtet ist, wird vermutet, dass die russischen Streitkräfte weiterhin ein geheimes Potential verschiedener Kampfstoffe unterhalten und einsetzen könnten:

- Chlorgas: Chlor bot sich 1915 als Kampfstoff an, da es bei der Sprengstoffproduktion anfiel. In der Lunge bildet es ätzende Säuren. Das Einatmen von Luft mit einem Prozent Chlorgehalt ist tödlich.

- Phosgen: Phosgen wirkt wie Chlor auf die Lunge, ist aber schlechter wasserlöslich und daher effektiver. 1916-18 gingen die meisten Gastoten auf das Konto des süßlich nach faulem Obst riechenden Gases.

- Senfgas: „Senfgas“ ist kein Gas, sondern eine ölige Flüssigkeit. Der namensgebende Geruch stammt von Verunreinigungen durch Schwefelteilchen. Es dringt durch die Haut und ist ein schweres Zellgift.

 -Lewisit: Lewisit ist eine ebenfalls ölige und zudem nach Geranien riechende Flüssigkeit. Es wurde 1918 von dem amerikanischen Chemiker Winford Lee Lewis als Kampfstoff entdeckt und dringt durch Kleidung, Leder und Gummi. Wie Senfgas führt es zu starken Blasenbildungen auf der Haut.

- Sarin: Sarin eine farblose Flüssigkeit, ist viermal giftiger als Tabun. Wie dieses besitzt es chemische Ähnlichkeit mit manchen Pestiziden. Dieser Nervenkampfstoff stört die Reizleitung zwischen Gehirn und Muskeln, so dass es zu Muskelkrämpfen und schließlich zum Herzversagen kommt.

- VX: VX ist ein Nervengift, das in den 1950ern entdeckt wurde. Die sirupartige Substanz ist ultragiftig und lässt sich als Binärkampfstoff leicht aus zwei ungefährlichen Ausgangssubstanzen zusammenmixen. (https://www.faz.net/aktuell/wissen/physik-mehr/die-geschichte-und-gegenwart-der-chemischen-kampfstoffe-13571422.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2)

BRD:

Politik: Dreißig Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung fragt man sich, wieviele MfS-Veteranen in der früheren Guillaume-Partei „SPD“ das Sagen haben. Jetzt rächt sich, dass die damaligen Bundesregierungen – aus Gründen einer angeblichen Staatsräson – kein Interesse daran hatten, die Verbrechen der DDR-Regierung und ihrer Geheimdienste aufzuklären und ihr weiteres Treiben zu unterbinden.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete und Außenexperte Norbert Röttgen hat Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) nach jüngsten Berichten über ihre Verflechtungen mit Russland den Rücktritt nahegelegt:

„Wenn die zuletzt in Medien beschriebenen Sachverhalte zutreffen, dann kann Frau Schwesig nicht im Amt bleiben; das ist völlig ausgeschlossen. (…) Sie hat mit einem russischen Unternehmen gemeinsame Sache gemacht und die Öffentlichkeit anhaltend und bewusst getäuscht. (…) Es ist jetzt die Verantwortung der SPD, diese langjährigen geheimen Verstrickungen mit dem russischen Staat und mit von Russland gelenkten Unternehmen systematisch aufzuarbeiten.“ (https://www.rnd.de/politik/manuela-schwesig-und-gazprom-roettgen-legt-ihr-den-ruecktitt-nahe-H4666GNTJRHMVNEZJLZ7KFD66U.html)

Auf Betreiben der Oppositionsfraktionen CDU, Grüne und FDP soll ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss im Schweriner Landtag ab Mai die langjährigen Kontakte Schwesigs und der SPD zum russischen Staatskonzern „Gazprom“ unter die Lupe nehmen. Er soll die Umstände der Gründung und Arbeit der mit Millionen aus russischen Gasgeschäften finanzierten „Klimastiftung“ Mecklenburg-Vorpommern aufklären., die gebildet wurde, um drohende US-Sanktionen präventiv zu umgehen.

Russenterror: In Bremen haben Unbekannte mehrere Autos mit ukrainischen Kennzeichen demoliert. Zunächst seien in der Nacht zum Samstag in zwei benachbarten Straßen an fünf Wagen die Reifen zerstochen worden. In der Nacht zum Sonntag seien dann in einem anderen Stadtteil an zwei Autos Fensterscheiben und Scheinwerfer eingeschlagen worden. In allen Fällen hatten die Autos ukrainische Kennzeichen. In der Nähe geparkte Autos mit deutschen Nummernschildern blieben unversehrt. Der Sachschaden wurde insgesamt auf mehrere tausend Euro geschätzt. (https://www.n-tv.de/politik/18-20-Selenskyj-will-Macron-Voelkermord-Beweise-vor-Ort-zeigen--article23143824.html)

Rumänien:

Die rumänische Seefahrtsbehörde (ANV) hat den Schwarzmeerhafen Constanta für russische Schiffe gesperrt. Die Maßnahme gilt seit Mitternacht Ortszeit (Samstag 23.00 Uhr deutscher Zeit)

EU:

Die EU-Kommission arbeitet laut ihrer Präsidentin Ursula von der Leyen an einer Verfahrensweise für ein Öl-Embargo: „Wir entwickeln gerade kluge Mechanismen, damit im nächsten Sanktionsschritt auch Öl einbezogen werden kann.“ Putin zerstöre mit dem Krieg auch sein eigenes Land und die Zukunft seiner Bevölkerung. „Russlands Staatsbankrott ist nur eine Frage der Zeit. (…) Die Sanktionen fressen sich Woche für Woche tiefer in die russische Wirtschaft.“