Militärforschung
  Pluenderung Il-80 AIMAK
 

Plünderung des atomaren Luftgefechtsstandes AIMAK

Gerhard Piper

20. Februar 2021

Im November oder Dezember 2020 drangen ein oder mehrere Täter in ein russisches Flugzeug vom Typ Il-80 WPK ein, dass auf dem Flughafen in Taganrog abgestellt war, um modernisiert zu werden. Die Diebe stahlen mindestens 39 Funkgeräte. Dieser Vorfall wurde in der Presse kaum beachtet, war aber hochbrisant. Bei dem Flugzeug handelt es sich um einen von drei atomaren Luftgefechtsständen, mit denen m Kriegsfall die Staats- und Militärführung atomare Einsatzbefehle an ihre Atomstreitkräfte erteilen würde.

Fliegender Gefechtsstand

Wenn der russische Staatspräsident Staatsbesuche macht, nutzt er normalerweise einen VIP-Transportflugzeug der Regierungsstaffel Spetsialny Letny Otryad (SLO), wie die Iljuschin Il-96-3000PUM1 (Punkt Upravleniya) oder die Tupolev Tu-214SUS (Samoletnyy Uzel Svyazi). Im Kriegsfall wechselt er auf spezielle Kommandoflugzeuge. Diese sollen im Falle eines nuklearen Schlagabtausches die Kommunikation zwischen der Staats- und Militärführung einerseits und den atomaren Streitkräften andererseits sicherstellen. Der Staatspräsident Wladimir Wladimirowitsch Putin oder sein Nachfolger im Amt kann von Bord eines dieser Jets im Kriegsfall die Einsatzbefehle an die atomaren Streitkräfte (Bomber, Interkontinentalraketen, Atom-U-Boote und taktische Feldeinheiten) übermitteln.

Die vollständige Typbezeichnung der Sonderflugzeuge lautet Iljuschin Il-80 VKP (Vos'dushny Komandy Punkt, dt.: Fliegender Kommandostand). DER GRAU-Index lautet 9-A-9675. Der russische Codename lautet AIMAK (andere Schreibweise: EIMAK); die NATO-Codebezeichnung heißt MAXDOME. (1) Umgangssprachlich ist auch vom „Yom-Kippur-Flugzeug“ die Rede. (2)

Offiziell gehören diese Spezialflugzeuge der zivilen russischen Luftfahrtgesellschaft „Aeroflot“. Die Maschinen tragen auch den üblichen Farbanstrich von „Aeroflot“-Maschinen: Die Unterseite des Rumpfes ist grau gestrichen, die Fensterreihe in einem kräftigen Blau gehalten und die Oberseite des Rumpfes ist Weiß. Nicht zuletzt tragen die Jets jeweils eine zivile, sowjetische Kennung: diese lauteten zunächst CCCP-86146, CCCP-86147, CCCP-86148 und CCCP-86149. Nach dem Zerfall der Sowjetunion im Dezember 1991 erhielten die Flugzeuge neue russische Kennnummern: RA-86146, RA-86147, RA-86148 und RA-86149. In den letzten zehn Jahren wurden zwei Maschinen mit einem modernisierten Kommandosystem ausgerüstet und in Il-80M umbenannt. Dabei erhielten sie auch neue Kennziffern: Aus der RA-86147 wurde die RF-93645, die RA-86148 wurde zur RF-93642.

Die Kennziffern sind auf dem Seitenleitwerk unterhalb der Nationalflagge angebracht.

Der so genannte Diebstahl

Als letzte Maschine, die auf den Standard Il-80M umgerüstet werden sollte, war die RA-86149. Dieses Flugzeug war mehrere Jahre eingemottet gewesen, zwecks Modernisierung wurde sie Anfang 2019 reaktiviert. Anschließend flog man die Maschine im Sommer 2019 von Moskau nach Taganrog-Juschni, wo die Umrüstung stattfinden sollte. (3)

Hier wurde das Flugzeug Ziel eines gravierenden Raubes. Insgesamt 39 Funkgeräte und fünf weitere Gerätschaften der Kommandoausrüstung und eine unbekannte Anzahl von Krypto-Unterlagen wurden gestohlen. (4) Unklar ist, welche Zerstörung bei der Demontage der Geräte innerhalb des Flugzeuges angerichtet wurden, wieviele Kabel herausgerissen oder beschädigt wurden.

Wann sich der Diebstahl ereignete, ist nicht genau bekannt. Am 26. November 2020 haben Mitarbeiter der Flugzeugfirma zuletzt das Schmiermittel an den Stoßdämpfern des Fahrwerks aufgefüllt. Anschließend haben die Techniker den Haupteingang der Maschine vorne links, die Tür zum Frachtraum hinten rechts und die drei Notausgänge abgeschlossen und versiegelt. Als man am 4. Dezember 2020 das Flugzeug öffnete, um die Arbeiten fortzuführen, wurde der Schaden bemerkt. Der oder die Diebe waren unbemerkt über die Tür zum Frachtraum eingedrungen und hatte die Technik ausgeraubt.

Über die Identität der Täter gibt es im Wesentlichen zwei Theorien:

1. Es handelte sich um „gewöhnliche“ Diebe, die den Diebstahl begangen haben, um an die in den Geräten verbauten Edelmetalle Gold und Platin und weitere seltene Metalle zu gelangen. (5) Dazu müssten die Geräte eingeschmolzen und entsorgt werden. Sie könnten dann die Barren auf dem Schwarzmarkt gewinnbringend verhökern. Allerdings bezifferten die russischen Behörden den Gesamtwert der gestohlenen Geräte auf gerademal etwas über 1.000.000 Rubel (= ca. 13.600 Dollar). Dies entspricht einem Kaufpreis von durchschnittlich ca. 310 Dollar für jedes der Spezialgeräte, die nur in geringer Stückzahl produziert werden und entsprechend teuer sind. So ist diese offizielle Angabe wohl eher Ausdruck der Verlogenheit der russischen Regierung.

Eventuell könnten sie einen Teil der Funkgeräte auch einem ausländischen Geheimdienst zum Kauf anbieten, um einen zusätzlichen Bonus zu machen, zumal die militärischen Funkgeräte wohl kaum für den zivilen Markt verwendet werden können.

Möglicherweise waren sich die Täter der militärstrategischen Folgen und Bedeutung ihres Diebstahls selbst gar nicht bewusst.

2. Bei den vermeintlichen „Dieben“ könnte es sich tatsächlich um Agenten eines fremden Nachrichtendienstes handeln. Sie haben ihren Coup gelandet, um – im Rahmen der Foreign Material Exploitation - an die Technik und Technologie des russischen atomaren Kommandosystems und entsprechende Krypto-Unterlagen zu gelangen, damit diese von der US National Security Agency oder einem ähnlichen Geheimdienst auswertet werden. Durch die dadurch gewonnenen exklusiven Erkenntnisse könnte man dann entsprechende Störsender oder SIGINT-Methoden entwickeln, die einem im Kriegsfall einen unschätzbaren Vorteil gewähren könnten. (6)

Durch den „Diebstahl“ sind gleich mehrere Abteilungen des russischen Generalstabs betroffen:

- Hauptverwaltung Operativ des Generalstabes (Glavnoye operativnoye upravleniye), deren Aufgabengebiet ist die Einsatz- und Operationsplanung,

- Nationales Führungszentrum zur Verteidigung der Russischen Föderation (Natsional'nyy tsentr upravleniya oboronoy) zur Koordinierung der Truppen, Kräfte und Organe,

 - Hauptverwaltung Nachrichten(verbindungen) der Streitkräfte (Glavnoye upravleniye svyazi) zur nachrichtentechnischen Sicherstellung der Streitkräfte,

- Verwaltung des Chefs der Truppen des (Funk-)Elektronischen Kampfes (Upravleniye nachal'nika voysk radioelektronnoy bor'by), die den EloKa plant, organisiert und führt,

- Achte Verwaltung des Generalstabes (Vos'moye upravleniye) zur Sicherstellung der internen Information und Kommunikation des Verteidigungsministeriums sowie des staatlichen Geheimnisschutzes und der Informationssicherheit.

Der Cyberwar der NSA zu Beginn eines atomaren Krieges gegen Russland blieb in der öffentlichen Diskussion bisher völlig unbeachtet, stattdessen kaprizierten sich die „Experten“ lieber auf den quantitativen Kräftevergleich bei den atomaren Trägersystemen. Dabei hatte die NSA schon in den achtziger Jahren den Operationsplan CANOPY WING entwickelt, von dem aber auch nur wenig mehr als der Name bekannt wurde.

Oberst a. D. Klaus Eichner, der damals in leitender Funktion in der Auswertungsabteilung der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) tätig war, (7) erklärte dazu 2014 in einem Interview:

„Hier ging es nicht mehr um eine Verteidigungsplanung. Die Aufgabe war von den Vereinigten Stabschefs der USA klargestellt: Zur Vorbereitung eines Angriffs durch die NATO mussten die Führungszentren des Gegners aufgeklärt, durch elektronische Maßnahmen arbeitsunfähig oder durch selektiven Waffeneinsatz zerstört sein! Der atomare Gegenschlag der sowjetischen Seite sollte damit verhindert, ein Kernwaffenkrieg wieder führbar und gewinnbar gemacht werden.

Einige Rekonstruktionen aus dem Inhalt:

Das Dokument bilanzierte die bisherigen Möglichkeiten der Elektronischen Kampfführung und die technischen und softwareseitigen Anforderungen an weitere Entwicklungen zur Vorbereitung bzw. Unterstützung eines nuklearen Erstschlages beziehungsweise Enthauptungsschlages gegen den Generalstab der UdSSR sowie gegen das Oberkommando des Warschauer Vertrages.

Die Grundaufgabe war, die Fähigkeiten des Warschauer Vertrages zur Abwehr eines Schlages und zur Auslösung eines atomaren Gegenschlages lahm zu legen.

Dazu wurden als Aufgaben gestellt:

- Identifizierung der Führungsstellen und der Ausweichstellen im Spannungsfall;

- Aufklärung von Standorten, Strukturen, Personal, technischen Ausrüstungen mit exakten Parametern und Zielkoordinaten;

- Möglichkeiten der Störung des normalen Betriebes, u.a. durch Kurzschlüsse mit Hilfe von mikroskopischen Kohlenstofffasern (einer Methode, die in perfektionierter Form 1999 beim Angriffskrieg der NATO gegen Jugoslawien eingesetzt wurde) oder durch Einsatz von chemischen Kampfstoffen;

- elektronische Blockierung der Arbeit der Stäbe unmittelbar vor dem Schlag, damit keine Gegenreaktionen möglich sind;

- Anforderungen an den Einsatz verschiedener Waffensysteme zur schlagartigen Zerstörung von Führungsstellen u.a. Einrichtungen (einschließlich punktgenauer Zielsucheinrichtungen für Waffensysteme, die gegen „gehärtete“ Bunkersysteme einsetzbar sind);

- Möglichkeiten der Täuschung/Fälschung (u.a. unter Nutzung der von der NSA erforschten Fähigkeiten, mit Hilfe der Computersimulation ein zeitechtes Einschalten in Befehlsübermittlungen z.B. im Funkverkehr Flugzeug - Bodenstation oder Leitstelle - U-Boot zu erreichen).“ (8)

Sollte die Plünderung der AIMAK tatsächlich das Werk ausländischer Agenten gewesen sein, so ist dieser Vorfall vergleichbar mit der Erbeutung der deutschen Chiffriermaschine Enigma durch den britischen Secret Intelligence Service (SIS) im Zweiten Weltkrieg.

Im Zusammenhang mit dem Diebstahl sind zwei Erkenntnisse von Bedeutung:

1. Alle Siegel waren am 4. Dezember noch intakt, was für eine überaus professionelle Vorgehensweise der Täter spricht.

2. Andererseits konnte die Polizei bzw. der Geheimdienst Federalnaja Sluschba Besopasnosti (FSB) Fingerabdrücke auf der Ladeluke und einer Schaltanlagenabdeckplatte und Schuhabdrücke sicherstellen, was eher für dilettantische Täter spricht. Es sei denn, diese haben bewusst falsche Spuren gelegt.

Bisher ist nicht klar, wie der oder die Täter auf das Gelände des Militärflugplatzes und in das Innere des Flugzeuges eindringen konnten. Hier stellt sich die Frage, ob die Sicherheitsmaßnahmen vor Ort ausreichend waren, dies gilt umso mehr, als der Flughafen von Taganrog zugleich für den zivilen Luftverkehr genutzt wird. Vermutlich hatten der oder die Täter Insiderwissen, dann kämen Soldaten oder Mitarbeiter des Rüstungsbetriebes als Täter in Betracht. Hier stellt sich die Frage, ob das Personal durch den Geheimschutz und die Spionageabwehr der Geheimdienste ausreichend überwacht wurde. (9) Zuständig sind die Abteilung 1 des Inlandsgeheimdienstes FSB und die Zwölfte Verwaltung des Militärgeheimdienstes Glawnoje Raswedywatelnoje Uprawlenije (GRU). So ist nicht nur das Personal vor Ort betroffen, auch in Moskau hat man offenbar Fehler gemacht. Nicht zuletzt wirft der Vorfall ein bezeichnendes Licht auf die inner-russischen Verhältnisse in Putins korrupter Kleptokratie.

Jedenfalls muss davon ausgegangen werden, dass von den ursprünglich vier Maschinen nur noch zwei Exemplare einsatzbereit sind. Der für das dritte Flugzeug vorgesehene Kampfstab muss umdisponieren und den Atomkrieg gegebenenfalls von einem anderen Gefechtsstand aus führen, soweit dies überhaupt möglich ist. Es ist unklar, ob die geplünderte Maschine noch repariert werden kann und ob sich dies überhaupt noch lohnt, da ein Nachfolgemodell bereits in Entwicklung ist.

Die Iljuschin Il-80

Die militärischen Kommandoflugzeuge basieren auf einem normalen Passagierflugzeug, der Iljuschin Il-86 (NATO-ACCS-Code: CAMBER), die mindestens 350 Fluggäste befördern kann und über zwei Decks verfügt. Die Il-86 gilt als sehr sichere Maschine.

Das militärische Sondermodell Iljuschin Il-80 hat bei einer Länge von 59,54 m eine Spannweite von 48,06 m; das Startgewicht beträgt 208 bis 215 Tonnen. Der Rumpf hat einen Durchmesser von 6,08 m. Die Maschinen wurden im damaligen Werk Nr. 64 (heutiger Name: VASO) in Woronesch gebaut.

Der Funkkomplex an Bord der Kommando-Version ist das System Zveno-S (Entwicklungsbezeichnung: Izd. 65S) bei der Il-80 bzw. die modernisierte Version Zveno-2S bei der IL-80M. Beide Systeme wurden von dem Unternehmen „NPP Polet“ in Nischni Nowgorod entwickelt. Die Gesamtausstattung soll aus 300 verschiedenen Geräten und mehreren Dutzend Antennen für ein breites Frequenzspektrum bestehen. (10) So hat das Flugzeug eine große Satellitenantenne, die in einem Radom auf dem Rücken der Flugzeuge hinter dem Cockpit untergebracht ist. Dieses Radom gibt den Flugzeugen ein charakteristisches Aussehen, das sie – auf den ersten Blick – von zivilen Passagierflugzeugen unterscheiden lässt. Außerdem haben die Maschine an der Rumpfober- und Unterseite zahlreiche große und kleine Blattantennen.

Die atomaren Einsatzkodes würden von Bord der AIMAK über die russischen Kommunikationssatelliten an verbunkerte Empfangsstationen der atomaren Flugzeug- und Raketenverbände (Divisionen, Geschwader und Staffeln) überall im Lande auch dann noch übermittelt werden, wenn von der Zivilbevölkerung kaum noch jemand lebt. Bei größeren Entfernungen wird das Befehlssignal zusätzlich über spezielle Relay-Flugzeuge (Tupolev Tu-214SR/SUS, etc.) weitergeleitet. So soll ein atomarer Zweitschlag – in jedem Fall - sichergestellt werden.

Zusätzlich besitzt der Jet an seinem Rumpfende eine Langdraht-Antenne R-826 PL FREGAT (ca. 4.000 m Länge), die im Flug ausgefahren werden kann. Sie dient der Funkverbindung im VLF-Bereich (Very Low Frequency) zu den im Nordatlantik oder Nordpazifik getauchten Atom-U-Booten, die mit ballistischen Nuklearraketen ausgestattet sind.

Um den Strombedarf der Bordausrüstung sicherzustellen, besitzen die Flugzeuge an den Flügeln jeweils eine aerodynamische Unterstation, in der ein Stromaggregat installiert ist. Diese Gondeln haben eine Länge von 9,5 m und einen Durchmesser von 1,3 m. Um die Hitze der vielen elektronischen Geräte abzuführen, besitzt das Flugzeug eine leistungsstarke Klimaanlage.

Um die Flugzeuge gegenüber der Wirkung einer Atomwaffe abzuschirmen, haben die Cockpit-Fenster eine spezielle Blende, im Rumpfbereich sind alle Fenster entfernt worden. Mehrere Ein- und Ausgänge, die bei der Zivilversion vorhanden sind, hat man bei dem Sondermodell demontiert. Natürlich ist die gesamte Elektronikausstattung NEMP-gehärtet, vermutlich verschiedene Geräte doppelt ausgelegt.

Gelegentlich werden die Maschinen modernisiert, die Avionik verbessert. Diese Arbeiten können nicht vor Ort durchgeführt werden, sondern dazu werden die Flugzeuge einzeln nach Taganrog am Asowschen Meer überführt. Hier befindet sich die Fabrik des Flugzeugausstatters Taganrogski awijazionny nautschno-technitscheski kompleks imeni Georgi Michailowitsch Berijewa (TANTK) bzw. Beriev Opytno-konstruktorskoye byuro (vormals: OKB-49), die auf die Modernisierung von Spezialflugzeugen spezialisiert ist. (11)

Weil die verschiedenen Maschinen zu unterschiedlichen Zeitpunkten generalüberholt und modernisiert werden, unterscheidet sich deren Ausstattung zumindest in Details. Somit ist jedes Exemplar quasi ein Einzelstück.

Die Besatzung der Flugzeuge besteht aus dem Fliegenden Personal, technischen Servicekräften und dem Kampfstab, der im ursprünglichen Passagierraum seinen Dienst verrichtet. Das Fliegende Personal umfasst den Piloten, Co-Piloten und Flugingenieur. Vermutlich ist eine Zweitbesatzung mit an Bord. Zur Erfüllung ihrer Aufgabe steht ihnen ein Autopilot SAU-1T2 in Verbindung mit dem Navigationssystem Pizhma-1 zur Verfügung. Hinzu kommt ein GLONASS-Empfänger.

Man kann davon ausgehen, dass ursprünglich eine Maschine für den Staatspräsidenten (und Ministerpräsidenten) vorgesehen war, eine Maschine für den Verteidigungsminister „Armeegeneral“ Sergei Kuschugetowitsch Schoigu und seinem Generalstab (General'nyy shtab Vooruzhonnykh Sil) unter Führung von Armeegeneral Waleri Wassiljewitsch Gerassimow, und mindestens eine Maschine diente als Ausweichgefechtsstand für das Kommando der atomaren Streitkräfte. Allerdings befindet sich – wohl aus Kostengründen – nur eine Maschine in ständigem Alarmzustand.

So würde beispielsweise der russische Präsident von seinem Arbeitszimmer im Kreml per Fahrstuhl zu einem unterirdischen Gang hinuntergefahren werden, der zum Roten Platz führt. Dort steht eine spezielle U-Bahn bereit, die ihn in nordöstlicher Richtung zum Stadtrand der Millionenmetropole fahren würde. Diese so genannte Metro 2 (= Metro Dva) (Codename: D-6) wurde bereits in den dreißiger Jahren unterhalb der Stadt parallel zur „normalen“ U-Bahn angelegt und soll die verschiedenen politischen und militärischen Kommandozentralen und Ministerien miteinander verbinden. Dieses Verkehrsnetz soll aus drei bis vier Linien bestehen und eine Gesamtlänge von mindestens 150 km haben. Von der geheimen Endstation der Regierungs-U-Bahn würde Putin zu seiner Il-86 AIMAK gefahren oder geflogen werden, die bereits startklar auf ihn wartet. (12)

So lange die Kommandoflugzeuge am Boden stehen, liefert ein Stromaggregat VSU-10 die notwendige Energie, um die Flugzeuge einsatzbereit zu halten. Die AIMAK-Maschinen werden nur selten zu Übungsflügen eingesetzt.

Die Maschinen werden von vier Turbostrahltriebwerken Kusnezow NK86A angetrieben, die jeweils einen Schub von 13.000 kg entwickeln. Allerdings haben die Triebwerke einen enormen Treibstoffverbrauch, daher verfügt die Il-80 gegenüber der zivilen Il-86 über Zusatztanks, die in den ursprünglichen Gepäckräumen untergebracht sind.

Die „Reisegeschwindigkeit“ liegt bei 850 km/h, die Flughöhe beträgt 11.000 m. Offiziell haben die Flugzeuge eine Reichweite von – nach unterschiedlichen Angaben – von 3.600 bis 5.000 km, (13) allerdings können die Flugzeuge in der Luft wiederholt betankt werden, so dass sie mehrere Tage lang in der Luft bleiben können, bis die Ölversorgung der Triebwerke etc. zu Neige geht.

Dislozierung

Die Kommandoflugzeuge für die Staats- und Militärspitze sind auf dem Fliegerhorst Nr. 6991 (vormals: Fliegerhorst Nr. 6967) in Tschakalowski, 31 km nordöstlich von Moskau, stationiert. Der Fliegerhorst hat eine 3.200 m lange und 100 m breite Start- und Landebahn, hinzu kommt noch eine „Notfalllandebahn“ 3.630 x 70 m.

Von den ursprünglich vier Maschinen sind noch drei im Einsatz. Das ursprüngliche Exemplar CCCP-86146 bzw. RA-86146 wurde vor ein paar Jahren ausgemustert und kannibalisiert. Die Maschine ist am Rande des Flugfeldes von Tschakalowski abgestellt.

Die Flugzeuge gehören zur 8-i. Aviatsionnoy divisii osobogo nasnacheniya (8. ADON) (= Fliegerdivision oder Flugabteilung zur besonderen Verwendung [z. B. V.]). Dieser Verband gehört zu den Transportfliegerkräften, ist aber dem Oberkommando der russischen Luft- und Kosmosstreitkräfte (Glavnoye komandovaniye Vozdushno-kosmicheskikh sil) direkt unterstellt. Er wird von Oberst Sergey Movchan (Stand: 2019) geführt.

Der Stab der 8. ADON befindet sich direkt in Moskau. Der Verband gliedert sich in folgende Fliegerregimenter (Awiazionny polk ossobowo nasnatschenija):

- 70. Fliegerregiment zur besonderen Verwendung (70. APON)

- 353. Fliegerregiment zur besonderen Verwendung (353. APON)

- 354. Fliegerregiment zur besonderen Verwendung (354. APON)

- 223. Fliegerabteilung (14)

Der Verband ist mit über 100 verschiedenen Flugzeug- und Hubschraubertypen ausgestatte - neben herkömmlichen Transportmaschinen Kommando- und Aufklärungsflugzeuge. Zum Flugzeugbestand gehören u. a. Antonov An-12B/BP, An-26, An-72, An-140, An-148, Iljuschin Il-22M, Il-62, Il-76MD-K, Il-82, Il-86 WKP, Il-96-400, Tupolev Tu-134A, Tu-154M-LK1, Tu-204 und Hubschrauber Mil Mi-8.

In den letzten Jahren war die 8. ADON u. a. für die russischen Truppentransporte von und nach Syrien zuständig. Ein Teil der Aufklärungsmaschinen wurde bisher im Rahmen des „Open Sky“-Vertrages eingesetzt, bis die russische Regierung aus dem internationalen Rüstungskontrollabkommen ausschied.

Entwicklungsgeschichte

Die sowjetischen Militärs forderten seit Ende der siebziger Jahre die Entwicklung einer fliegenden Kommandozentralen für die Oberste Kommandobehörden, um mit den Amerikanern gleichzuziehen. Der erste Prototyp der Il-80 absolvierte am 20. Mai 1985 seinen Erstflug, damals noch ohne Einsatzelektronik. Am 5. März 1987 folgte dann der Erstflug einer umgebauten Il-80 statt. Sie ersetzten die beiden kleineren Il-76 WKP. Im Sommer 1990 wurde – im Rahmen des Testprogramms – erstmals eine Interkontinentalrakete von Bord einer fliegenden Il-80 gestartet. Die Rakete startete vom Testgelände in Baikonur. Das Beschaffungsprogramm zog sich in die Länge. Erst im Jahr 1992 gelang es westlichen Fotografen, die geheimen Sonderflugzeuge erstmals abzulichten; Fotos aus dem Inneren eines der Flugzeuge wurden bis heute nicht freigegeben.

Die Flugzeuge wurden wiederholt modernisiert: So wurden seit 1987 mindestens zwei umfangreiche Modernisierungsprogramme durchgeführt, die „Vol.80“ und „Vol. 82“ hießen. Am 10. Juli 1991 erteilte das russische Verteidigungsministerium den Auftrag zur Entwicklung der modernisierten Variante Il-86M. Allerdings zog sich auch dieses Entwicklungsvorhaben durch technisch Probleme und Ressourcenknappheit in die Länge. Erst ab 2008 wurde das System Zveno-2S in zwei Flugzeugen eingebaut und nochmals einem jahrelangen Testprogramm unterzogen. (15)

Ein weiteres Umrüstungsprojekt durch das Staatsunternehmen „Oboronprom United Industrial Corporation OAO“ (OPK) mit Sitz in Moskau, ein Tochterunternehmen von „Rostec“, wurde Ende 2015 initiiert und wird derzeit umgesetzt. Am 22. Dezember 2015 erklärte der damalige „OPK“-Geschäftsführer Alexander Yakunin:

„Now we are completing the transfer of the Ministry of Defense of the aircraft of the second generation, but are already working on the next, the third generation, which, according to our calculations, will in the next five - seven years. (...)

The third generation of equipment is more modern, with more sophisticated channels of data transmission, which will provide a new level of communication and control efficiency for these aircraft will be closed New army ACS. (Automated control system), The modernization of which is currently underway," the head of the defense industry said. Similar aerial command posts, according to Yakunin, is a "strategic" staff on the wings ", where you can manage all species and genera of troops, including the Strategic Missile Forces, Space Forces Air, surface and submarine fleet.“ (16)

Bedenklich ist, dass hier ein „automatisches Kontrollsystem“ angekündigt wurde, was immer das auch heißen mag.

Für die zukünftige Entwicklung hat der Stellvertretende Verteidigungsminister Alexei Krivoruchko im August 2019 und im Mai 2020 angekündigt, dass die Kommandoflugzeuge weiterhin modernisiert würden: „We have started modernizing airborne command posts based on the Il-80 and Il-82.” (17) An dem Vorhaben ist erneut das Forschungs- und Entwicklungssunternehmen (Nauchno-proizvodstvennoye predpriyatiye - NPP) „Polet“ beteiligt. (18) Das Unternehmen hat seinen Hauptsitz in Nischni Nowgorod (1 pl. Komsomolskaya). Er verfügt über 3.000 Mitarbeiter. Das Unternehmen unterhält mehrere Fabrikationsorte.

Bereits 2015 und erneut Anfang 2019 gab die russische Regierung bekannt, dass sich ein Nachfolgemodell auf Basis des Passagierflugzeuges Iljuschin Il-96-400M/T mit dem System Zveno-3 derzeit in der Entwicklung (staatliche Vertragsnummer: 182718732106714552208000445) befindet. (19) Allerdings ist auch bei diesem Projekt angesichts der Wirtschaftslage in Russland mit weiteren Verzögerungen zu rechnen.

Das amerikanische Gegenstück zu den russischen Il-80 sind die E-4B NIGHTWATCH der US Air Force auf Basis der Boeing 747-200 Jumbo-Jet. Auch in den USA wird an einem eigenen Nachfolgemodell gearbeitet.

Anmerkung:

Die Transliteration der kyrillischen Buchstaben folgt – je nach Quelle – mal nach dem Deutschen, mal dem anglo-amerikanischen System.

Quellen:

(1) https://de.wikipedia.org/wiki/Iljuschin_Il-80

(2) https://ria.ru/20201207/krazha-1588083597.html

(3) https://de.topwar.ru/177896-vozdushnyj-komandnyj-punkt-il-80-obokrali-v-
taganroge-o-vinovnikah-i-posledstvijah.html

(4) https://ria.ru/20201207/krazha-1588083597.html

(5) www.nach-welt.com/lernen-sie-den-ilyushin-il-80-maxdome-kennen-
russlands-doomsday-plane-dessen-teile-von-menschen-gestohlen-wurden/

(6) https://de.topwar.ru/177896-vozdushnyj-komandnyj-punkt-il-80-obokrali-v-
taganroge-o-vinovnikah-i-posledstvijah.html

(7) ebd.

(8) ebd.

(9) ebd.

(10) www.globalsecurity.org/military/world/russia/il-87.htm

(11) https://de.wikipedia.org/wiki/Berijew

(12) https://web.de/magazine/wissen/mystery/moskaus-geheime-metro-32170664

(13) www.globalsecurity.org/military/world/russia/il-87.htm

(14) https://de.wikipedia.org/wiki/Milit%C3%A4rflugplatz_Tschkalowski

(15) www.thedrive.com/the-war-zone/38010/thieves-broke-into-russias-il-80-
doomsday-plane

(16) www.globalsecurity.org/military/world/russia/il-87.htm

(17) www.thedrive.com/the-war-zone/38010/thieves-broke-into-russias-il-80-
doomsday-plane

(18) https://tass.com/defense/1060866

(19) https://redsamovar.com/2020/12/09/dossier-lilyushin-il-80-eimak-lavion-
du-jugement-dernier-russe/