Militärforschung
  Ukraine-Krieg 2.0 - 29. Update
 

Ukraine-Krieg 2.0 – Update 29 vom 26. März (D+28)

Gerhard Piper

Lageentwicklung

Historische Analogien sind meistens ein bisschen richtig und ein bisschen falsch. So wird Wladimir Putin – wie viele andere vor ihm – mit Adolf Hitler verglichen und geistert als „Putler“ durch die Plakatlandschaft der Friedensdemonstrationen weltweit. Vielleicht wäre ein Vergleich mit Reinhard Heydrich passender, aber – wie gesagt – historische Analogien sind meistens nur ein bisschen richtig.

Die US-Regierung macht sich so ihre Gedanken über die militärpolitische Führungsspitze in Moskau: Staatspräsident Wladimir Putin ist zwar Oberstleutnant a. D., hat aber nie „gedient“, sondern seinen Rang als „Agent“ im Auslandsnachrichtendienst erworben. Verteidigungsminister Sergei Schoigu ist zwar General, aber erwarb diesen Dienstrang im Katastrophenschutz und nicht in den Reihen des Militärs. Der einzige echte Militär an der Spitze ist Armeegeneral Waleri Gerassimow, der auf eine lange Karriere bei der Panzertruppe zurückblicken kann und seit dem 9. November 2012 als Generalstabschef amtiert. Im Laufe seiner langen militärischen Karriere sammelte Gerassimow ein bisschen Fronterfahrungen: Von September 1999 bis Februar 2001 und von Dezember 2006 bis November 2007 im Zweiten Tschetschenienkrieg, ab September 2005 führte er eine Zeit lang den russischen Militäreinsatz in Syrien, und schließlich leitete er im Jahr 2014 den zwei-, dreiwöchigen Überfall auf die Ukraine von Moskau aus. Dafür verlieh ihm Präsident Putin im Mai 2016 den schönen Titel „Held“. (https://de.wikipedia.org/wiki/Waleri_Wassiljewitsch_Gerassimow)

Im Vorfeld des aktuellen Ukrainekrieges waren sich die Militärbeobachter einig, dass ein möglicher russischer Angriff unprovoziert sei und es für einen Krieg weder Grund noch Anlass gebe. Umstritten blieb zunächst die Frage, welche Kriegsziele Putin in der Ukraine verfolgen könnte. Drei Optionen wurden diskutiert:       
1. Besatzung der ganzen Ukraine, eventuell mit dem Ziel, den Staat später zu annektieren, obwohl Putin dafür eigentlich nicht genügend Truppen zur Verfügung hatte,   
2. Handstreich-artige Eroberung der Landeshauptstadt Kiew, um möglichst schnell ein Marionettenregime zu errichten,       
3. Eroberung des ukrainischen Küstenstreifens am Asowschen Meer mit dem Ziel, einen Korridor zwischen den seit 2014 besatzten Separatistengebieten im Osten der Ukraine und der bereits annektierten Halbinsel Krim zu schaffen.

Mit dem Kriegsbeginn und den gleichzeitigen Angriffen aus dem Norden, dem Nordosten und dem Osten wurde klar, dass sich Putin für eine Kombination aus den Optionen 1 und 2 entschieden hatte. Allerdings wurde schon schnell klar, dass die Offensivoperationen ins Stocken gerieten und nach ca. drei Wochen fast völlig zum Stillstand kamen. Es drohte ein Stellungskrieg, dessen Dauer nicht absehbar war. Unklar ist, in welchem Umfang das Fiasko auf fehlerhafte Planung und mangelnde Vorbereitungen zurückzuführen ist, und in welchem Maße die Kriegsplanung und -Durchführung durch Innentäter unter den Militärs bewusst sabotiert wurde.

Nachdem Mariupol zu 90 Prozent vernichtet und damit – mehr oder weniger - „erobert“ wurde und ein Feldzug zur Eroberung von Odessa nach tagelangem Zögern nicht mehr ausgeführt wurde, gab der russische Vize-Generalstabschef und Leiter der Hauptoperationsdirektion, Generaloberst Sergej Rudskoj, am 25. März eine Erklärung ab, die als „großer Strategiewechsel“ verkauft wurde. (https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-03/invasion-ukraine-russland-armee-donbass) Es hieß, man wolle sich nun auf die Eroberung der Ostukraine beschränken. Mit dieser Einlassung wurden lediglich die Realitäten auf dem Schlachtfeld als solche anerkannt: die russische Offensive war zum Stillstand gekommen, aber gleichzeitig hatte man eine Landverbindung entlang der Küstenlinie erobert. Jetzt muss „nur“ noch die Evakuierung der überlebenden, nicht-russischen Zivilbevölkerung aus Mariupol organisiert und der derzeitige Frontverlauf konsolidiert werden. Dann werden die Luftangriffe und Artillerieattacken im Rahmen eines Waffenstillstandes eingestellt, um das Kriegsende anschließend in einem bilateralen „Friedensvertrag“ zu verkünden und völkerrechtlich zu bestätigen. Zum Schluss müssten nur noch die Kriegsgefangenen ausgetauscht und die nutzlosen russischen Truppenkontingente um Kiew und Kharkiw abgezogen werden. Anschließend könnte man die überall rumliegenden Leichen bergen, damit sie nicht länger von Ratten oder streunenden Hunden angeknabbert werden. Da Russen zwar hervorragend im Vernichten sind, aber zu blöde zum Wiederaufbau, erübrigt sich die Frage von Reparationszahlungen. Alles andere müssten die post-kriegsgeilen Russen in Moskau untereinander regeln. Von der weiteren Entwicklung in Moskau hängt es dann ab, wie sich die NATO-Russland-Beziehungen in Zukunft gestalten werden.

Aber andererseits besteht bei Putin immer noch die Möglichkeit, dass er sich für den „Endsieg“ im ganz großen Piffpaffpuff entscheidet.

Mittlerweile soll der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu nach fast zweiwöchiger Abwesenheit wieder aufgetaucht sein. Das russische Verteidigungsministerium veröffentlichte am Samstag ein Video, das zeigt, wie Schoigu eine Sitzung zum russischen Verteidigungsetat leitete. Die Aufnahme ist nicht datiert, der Verteidigungsminister macht russischen Nachrichtenagenturen zufolge darin aber eine Anspielung auf ein Treffen mit dem Finanzminister, das am Freitag stattgefunden habe. Ob das Video echt oder „fake“ ist, sei dahingestellt.

Angeblich steht ein weiterer Attentatsversuch auf den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bevor. Diesmal ist wieder die Söldnergruppe „Gruppa Wagnera“ darin verwickelt. (https://www.fr.de/politik/ukraine-krieg-news-russland-militaer-invasion-angriff-putin-selenskyj-kiew-mariupol-charkiw-ticker-zr-91431968.html)

Zustand der „Roten Armee“

Die russische Kriegsmaschinerie ist durch feindliche Agenten durchsetzt: Der Chef des ukrainischen Verteidigungsgeheimdienstes GUR, Kyrylo Budanow, teilte mit, sein Dienst habe die russische Armee mit Informanten durchsetzt. „Wir haben viele Informanten in der russischen Armee, nicht nur in der russischen Armee, sondern auch in ihren politischen Kreisen und ihrer Führung. (…) Im November wussten wir bereits über die Absichten der Russen Bescheid.“ Und weiter: „Sobald sie mit der Vorbereitung einer Operation beginnen, wissen wir das von unseren Informanten.“ Daher sei eine „sehr große Anzahl von Menschen“ mobilisiert worden, um hinter den russischen Linien, aber auf ukrainischem Boden, einen Guerillakrieg zu führen. Die ukrainischen Streitkräfte hätten außerdem von „Fehleinschätzungen“ der Russen profitiert. (https://www.spiegel.de/ausland/russland-ukraine-krieg-das-geschah-in-der-nacht-zu-samstag-26-03-a-81fb7c3e-95c9-4bad-8967-6ae795d6cdf1)

Vielleicht mag der Chef des russischen Sicherheitsdienstes FSB, Alexander Wassiljewitsch Bortnikow, dies als ukrainische Zersetzungspropaganda abtuen, erfreut hat ihn die Darstellung sicherlich nicht. Innerhalb des FSB ist die 1. Abteilung für die Spionageabwehr zuständig. Gleiches gilt für den russischen Militärgeheimdienst GU und seinen Chef General Igor Olegowitsch Kostjukow. Innerhalb des GU liegt die Spionageabwehr in der Kompetenz der 12. Verwaltung.

 

Zwölf Mitglieder der Nationalgarde (Federalnaja sluschba wojsk nazionalnoj gwardii - Rosgwardija) aus Krasnodar haben sich geweigert, bei der Invasion in die Ukraine mitzumarschieren. Die Betroffenen waren am 6. Februar auf die Halbinsel Krim verlegt worden, am 25. Februar sollten sie sich an dem Angriff auf die Ukraine beteiligen. Als sie die Ausführung des Befehls verweigerten, seien sie entlassen worden. Gegen ihre Kündigungen haben sie nun Klage eingereicht. Nah Pawel Chikow, Vorsitzender der Menschenrechtsgruppierung „Agora“, haben die Betroffenen ihre Befehlsverweigerung damit begründet, dass ihre Arbeitsverträge nur für das russische Territorium gegolten hätten. Es habe demnach keine Rechtsgrundlage gegeben, sie in das Nachbarland zu entsenden: „Keiner der Kläger wurde über eine Mission in das Hoheitsgebiet der Ukraine zur Teilnahme an einer speziellen Militäroperation informiert.“ (https://www.spiegel.de/ausland/krieg-in-der-ukraine-zwoelf-russische-nationalgardisten-verweigerten-angeblich-ukraine-invasion-nun-klagen-sie-vor-gericht-a-4c94bb31-56ae-4f24-b922-8aae5b0ba79b) Es wurde nicht genannt, zu welcher Einheit die Nationalgardisten gehörten; möglicherweise handelt es sich um die 112. MotSchützen Brigade.


Truppenaufmarsch:

Die Russen setzen nun ihre aus Georgien herangeführten Truppenteile ein. Einheitsnamen wurden nicht genannt, aber es könnte sich um die in Abchasien bzw. Nord- und Südossetien disloziierten Besatztruppen handeln: die 58. Armee aus Wladikawkaz, die 4. Garde Basis aus Zchinwali oder die 7. Militärbasis aus Gudauta. (https://www.milfors.de/OSTAN-Russland.htm)

In der Enklave Kaliningrad, die zwischen den Nato-Ländern Polen und Litauen liegt, haben die russischen Streitkräfte eine Luftübung durchgeführt. Es habe militärische Übungen mit Boden-Luft-Raketen des Typs S-400 und Kampfflugzeugen Suchoi Su-27 (NATO-Code: FLANKER) gegeben.

Das russische Verteidigungsministerium hat bekräftigt, im Ukraine-Konflikt keine Reservisten einsetzen zu wollen: „Das Verteidigungsministerium der Russischen Föderation zieht keine Reservisten ein und plant auch nicht, Reservisten in die Militärstationen einzuberufen.“ Telefonanrufe bei russischen Männern, in denen ihnen eine „aufgezeichnete Stimme“ mitgeteilt habe, dass sie vom Militär einberufen würden, seien „gefälscht“. (https://www.spiegel.de/ausland/ukraine-news-am-samstag-ukrainisches-luftwaffen-hauptquartier-von-raketen-getroffen-a-6e5d46f6-3ff5-4314-b818-5091ddb85ad2)

Wiederholt gelang es den russischen Nachrichtendiensten Waffenlieferungen an die Ukraine zu unterbinden. So musste die stellvertretende Verteidigungsministerin der Ukraine, Hanna Maljar, feststellen, dass „gut gemeinte oder aus Dankbarkeit veröffentlichte Berichte“ über Waffenkäufe oder -lieferungen dazu geführt hätten, dass entweder Verträge gekündigt oder Lieferungen verhindert worden seien. „Und daher versuchen wir heute unter Kriegsbedingungen zu verhindern, dass Informationen über Hilfe, die wir erhalten, durchsickern.“ (https://www.spiegel.de/ausland/russland-ukraine-krieg-das-geschah-in-der-nacht-zu-samstag-26-03-a-81fb7c3e-95c9-4bad-8967-6ae795d6cdf1)

Gefechte:

Bis zum 24. März haben die russischen Streitkräfte 1.200 Flugkörper verschiedenen Typs eingesetzt: Boden-Boden-Raketen ISKANDER (NATO-Code: SS-26 STONE), bodengestützte BASTION (NATO-Code: SSC-5 STOOGE), die ursprünglich zur Küstenverteidigung dienten, luftgestützte Abstandswaffen Kh-55 (NATO-Code: AS-15 KENT), Kh-101 (NATO-Code: AS-23 KODIAK), Kh-555 (NATO-Code: AS-22 KLUGE) und hypersonische Raketen KINSCHAL (NATO-Code: AS-24 KILLJOY) sowie seegestützte Marschflugkörper KALIBR (NATO-Codes: SS-N-27 SIZZLER und SS-N-30 SAGARIS). Nach Pressemeldungen sollen die russischen Bestände einzelner Waffentypen zu Neige gehen, was aber von den ukrainischen Streitkräften so nicht bestätigt wird. (https://mil.in.ua/en/news/rumors-that-missiles-are-running-out-in-russia-are-unfounded-the-headquarters-of-the-ground-forces-of-the-ukrainian-armed-forces/)

Die Ukraine hofft darauf, dass im Tagesverlauf zehn Fluchtkorridore für Zivilisten in umkämpften Städten eingerichtet werden können. Auf diese Zahl an humanitären Korridoren habe man sich verständigt, teilte Vizeministerpräsidentin Iryna Wereschtschuk mit.

- Kiew:

Der ukrainische Heeres-Stabschef Olexander Grusewitsch teilt mit, dass er einen groß angelegten Angriff auf die Hauptstadt Kiew immer noch für möglich hält. Dazu ziehe der Gegner weiterhin starke Kräfte zusammen. Zudem würden nach Erkenntnissen der Aufklärung in der Kaukasus-Republik Dagestan spezielle Einheiten für diesen Einsatz vorbereitet. (https://www.spiegel.de/ausland/russland-ukraine-krieg-das-geschah-in-der-nacht-zu-samstag-26-03-a-81fb7c3e-95c9-4bad-8967-6ae795d6cdf1)

Um welche Einheiten es sich handelt, wurde nicht genannt. Aus dem Truppenaufmarsch vor Beginn des Krieges weiß man, dass es sich um die 136. Garde MotSchützen Brigade aus Buynaksk und die 414. Marineinfanteriebataillon aus Kaspiysk handeln könnte. (https://www.milfors.de/OSTAN-Russland.htm)

- Kharkiw:

Ein Holocaust-Mahnmal am Stadtrand der ostukrainischen Großstadt Kharkiw ist durch russischen Beschuss beschädigt worden. An dem Denkmal in Form eines siebenarmigen Leuchters fehlen nun zwei Arme. Die Gedenkstätte Drobizkij Jar erinnert an 16.000 bis 20.000 Juden und sowjetische Gefangene, die dort 1941/42 von der nationalsozialistischen Besatzung ermordet wurden.

Norden:

- Schytomir:

Die russischen Streitkräfte haben vier Raketen vom Typ „KALIBR“ von einem Kriegsschiff im Schwarzen Meer abgefeuert nach damit ein ukrainisches Militärarsenal bei Schytomir getroffen. Die wichtige Industriestadt Schytomyr liegt rund ein 120 Kilometer westlich von Kiew.

- Tschernihiw:

Der Bürgermeister hat die großen Zerstörungen durch russische Truppen beklagt: „Die Stadt ist komplett verwüstet“, sagte Wladyslaw Atroschenko am Samstag. In den vergangenen Wochen seien in der Stadt mehr als 200 Zivilisten getötet worden. Von den mehr als 285.000 Einwohnern sei nicht einmal mehr die Hälfte in der Stadt geblieben. (https://www.fr.de/politik/ukraine-krieg-news-russland-militaer-invasion-angriff-putin-selenskyj-kiew-mariupol-charkiw-ticker-zr-91431968.html)

Süden:

- Kherson:

Die ukrainischen Streitkräfte kämpfen darum, die wichtige Stadt von den Russen zurückzuerobern. Das russische Militär habe keine so feste Kontrolle mehr über die Stadt wie zuvor, weswegen Kherson nun wieder als „umkämpftes Gebiet“ zu bewerten sei. Kherson liegt am Beginn des Dnipro-Mündungsdeltas und ist daher eine strategisch bedeutende Hafenstadt für weitere russische Vorstöße in Richtung Mykolajiw oder in Richtung Odessa.

- Mariupol:

Die russische Armee beschoss heute die Stadt erneut aus der Luft und mit Artillerie. Am Boden versuchten russische Kräfte, in das Stadtzentrum vorzudringen.

Westen

- Lwiw:

Am Samstagnachmittag haben die russischen Streitkräfte Lwiw mit mehreren Marschflugkörpern angegriffen. Sie schlugen in der Nähe des Fernsehturmes ein.

- Winnyzja:

Das Hauptquartier der ukrainischen Luftwaffe ist mit mehreren russischen Marschflugkörpern beschossen worden. Ein Teil der sechs Raketen sei im Anflug abgeschossen worden, die übrigen trafen das Gebäude. Dabei sei „erheblicher Schaden“ an der Infrastruktur entstanden.

Verluste:

Nach Angaben des Fernsehsenders „ntv“ haben die russischen Streitkräfte in der Ukraine mittlerweile rund 20 Prozent ihres Stabspersonals verloren.

Zivilbevölkerung:

Bisher wurden mehr als 70 Angriffe auf Kliniken und medizinische Einrichtungen registriert.

Bis Freitag zählte die für Kirchenfragen zuständige Behörde der Ukraine 59 religiöse Stätten, die beschossen wurden. Die weitaus meisten getroffenen Objekte seien orthodoxe Kirchen. So wurde das Erzkloster „Mariä-Entschlafung“ in Swjatohirsk teilweise zerstört, das zu den heiligsten Klöstern der russischen Orthodoxie gehört. Ebenso seien eine römisch-katholische Kirche, fünf evangelische Kirchen, drei Moscheen und drei Synagogen beschädigt worden.

Ukrainer können in die BRD ohne Visum einreisen und müssen sich daher nicht sofort bei den Behörden anmelden. In einigen Städten kommt es aufgrund mangelnder Kapazitäten zu teilweise erheblichen Verzögerungen bei der Registrierung. „Registrierungsprobleme führen dazu, dass insbesondere die Arzneimittelversorgung derzeit nicht sichergestellt werden kann“, schrieb der Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung diese Woche an Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt. Sorgen bereitet den Ärzten auch die Situation derjenigen Geflüchteten, die in Massenunterkünften untergebracht sind: „Gegenwärtig fehlt es in vielen Kommunen an einer einheitlichen Sicherstellung der nach dem Infektionsschutzgesetz erforderlichen Untersuchungen“, etwa auf Tuberkulose oder Covid-19. Außerdem gebe es vor Ort teilweise zu wenig niedergelassene Ärzte. Bislang haben 9 der 16 Bundesländer mit den gesetzlichen Krankenkassen vereinbart, dass Flüchtlinge aus der Ukraine eine elektronische Gesundheitskarte erhalten. Ausnahmen sind: Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen und Saarland.

ABC-Waffen:

- Atomare Waffen / AKWs:

In der nordukrainischen Stadt Slawutytsch, wo das Personal der Atomruine Tschernobyl wohnt, haben Einwohner am Samstag gegen die russische Besatzung demonstriert. Sie entrollten eine große ukrainische Fahne. Russische Soldaten schossen in die Luft, um die Menschen auseinanderzutreiben. Nun seien russische Truppen in die Stadt eingedrungen und hätten ein Krankenhaus besetzt, schrieb Oleksandr Pawljuk, Chef der Militärverwaltung.

Der Vize-Sekretär des Sicherheitsrates, Dmitrji Medwedew, erläuterte in einem Interview mit „RIA Novosti“ die russische Politik zum Einsatz einer Atomwaffe, dabei schloss Medwedew den Ersteinsatz einer Atomwaffe durch Russland nicht aus:

„Wir haben ein spezielles Dokument zur nuklearen Abschreckung. In diesem Dokument ist klar festgelegt, aus welchen Gründen die Russische Föderation berechtigt ist, Atomwaffen einzusetzen. (…) Nummer eins ist die Situation, in der Russland von einer Atomrakete getroffen wird. Der zweite Fall ist jeder Einsatz von anderen Atomwaffen gegen Russland oder seine Verbündeten.“ Der dritte Fall sei „ein Angriff auf eine kritische Infrastruktur, der unsere nuklearen Abschreckungskräfte lahmlegt“. Und der vierte Fall trete ein, „wenn ein Angriff gegen Russland und seine Verbündeten verübt wird, der die Existenz des Landes selbst gefährdet, auch ohne den Einsatz von Atomwaffen, also mit dem Einsatz konventioneller Waffen“. Er fügte hinzu, man sei „entschlossen, die Unabhängigkeit und Souveränität unseres Landes zu verteidigen und niemandem auch nur den geringsten Grund zu geben, daran zu zweifeln, dass wir bereit sind, auf jede Verletzung unseres Landes und seine Unabhängigkeit eine würdige Antwort zu geben“. (https://www.spiegel.de/ausland/ukraine-krieg-dmitrji-medwedew-droht-mit-der-atombombe-a-3150a02b-c4f2-40db-b12d-bd55ee7df1f7)

BRD:

Die Ukraine tätigt nun selbst Waffenkäufe in der BRD. Sie bestellte 2.650 Panzerabwehrwaffen vom Typ „RGW 90“ bei der Dynamit Nobel Defence (DND) in Burbach (Nordrhein-Westfalen). (https://www.welt.de/politik/ausland/plus237792641/Panzerabwehr-Ukraine-kauft-deutsche-Waffen-jetzt-direkt-bei-der-Industrie.html)

Russland:

Rüstungspolitik: Angesichts der Sanktionspolitik stellt das russische Verteidigungsministerium Überlegungen über die vorrangigen Beschaffungs- und Rüstungsmaßnahmen an. Verteidigungsminister Sergej Schoigu erklärte dazu: „Wir setzen die vorzeitige Lieferung von Waffen und Ausrüstung über Kredite fort. Die Prioritäten sind Langstrecken- und Hochpräzisionswaffen, Flugzeugausrüstung und die Aufrechterhaltung der Einsatzbereitschaft der strategischen Nuklearstreitkräfte.“ (https://www.spiegel.de/ausland/ukraine-krieg-dmitrji-medwedew-droht-mit-der-atombombe-a-3150a02b-c4f2-40db-b12d-bd55ee7df1f7)

Propaganda: Die russische Regierung versucht weiterhin über ihre Desinformationsapparate ihre Sicht des Ukrainekrieges zu verbreiten. Dies kommentierte der ukrainische Staatspräsident Wolodymyr Selenskyj mit schwarzem Humor. Die Russen würden wohl Milliarden von Dollar für ihre Propaganda ausgeben:

„Sie wissen alle sehr genau, welch ein gewaltiges staatliches Propagandasystem Russland aufgebaut hat. (…) Vermutlich hat noch niemand auf der Welt solche Unsummen für Lügen ausgegeben. (…) Wo der Weg der Lüge mit Geld gepflastert werden muss, dort ist das Ergebnis nicht gesichert. (…) Der Weg der Wahrheit ist schwierig, aber die Wahrheit ebnet sich ihren Weg selbst.“ (https://www.spiegel.de/ausland/russland-ukraine-krieg-das-geschah-in-der-nacht-zu-samstag-26-03-a-81fb7c3e-95c9-4bad-8967-6ae795d6cdf1)

Nachdem bereits Anfang März ein Gesetz verabschiedet worden war, dass für die Verbreitung von angeblichen Falschnachrichten über die russische Armee eine Haftstrafe von 15 Jahren androhte, hat Präsident Wladimir Putin nun ein Gesetz unterzeichnet, dass die gleiche Sanktionierung auf die angeblich falsche Berichterstattung über alle Auslandsaktivitäten des russischen Staates ausweitet, selbst dann, wenn diese Berichterstattung im Ausland erfolgt. So legt das neue Gesetz Gefängnisstrafen und Geldbußen für Menschen fest, die „wissentlich falsche Informationen“ über Maßnahmen russischer Regierungsbehörden „außerhalb des russischen Territoriums“ verbreiten. In Fällen, in denen die „falsche Information“ zu „ernsthaften Konsequenzen“ führt, droht eine Höchststrafe von 15 Jahren Haft. (https://www.spiegel.de/ausland/russland-ukraine-krieg-das-geschah-in-der-nacht-zu-samstag-26-03-a-81fb7c3e-95c9-4bad-8967-6ae795d6cdf1) Hier stellt sich die Frage, ob damit im Endeffekt jegliche Berichterstattung über russische Außenpolitik weltweit verboten werden soll.

Medikamentenversorgung: Angesichts der Tatsache, dass rund 90 Prozent der Medikamente auf dem russischen Markt aus dem „Westen“ stammen bzw. mit Chemikalien aus Westproduktion hergestellt werden, hat in Russland ein Ansturm auf die Apotheken begonnen. Besonders drei Produkte werden gezielt nachgefragt: Schlafmittel, Anti-Depressiva oder – alternativ – Verhütungsmittel.

Sonstiges:

Weltweite Nahrungsmittelknappheit: Der russische Angriff auf die Ukraine trifft die weltweite Nahrungsmittelversorgung an einer empfindlichen Stelle: Vor allem in ärmeren Teilen der Welt könnte Dünger in diesem Jahr knapp und zu teuer für die Bauern werden. In den Industriestaaten tragen exorbitant hohe Düngerpreise zur Teuerung bei Lebensmitteln bei. Russland spielt eine wichtige Rolle auf dem Weltmarkt als Lieferant von Stickstoff, Phosphat und Kali. Eine der Haupthandelsrouten für Ammoniak-Exporte ist das Schwarze Meer. Shruti Kashyap, Analystin für Stickstoff bei „CRU Group“ (London) sagte: „Der Handel über das Schwarze Meer ist komplett blockiert.“

Während die Ukraine im Jahr 2021 noch 60 Millionen Tonnen Getreide ernten konnte, werden es in diesem Jahr voraussichtlich nur 25 Millionen Tonnen sein. Daher meldet der „Focus“ am 26. März (S. 73: „100 Millionen Menschen könnte der Krieg in der Ukraine in den Hunger treiben.“

Minengefahr: Im Schwarzen Meer haben sich mehrere Ankertauminen losgerissen und treiben nun unkontrolliert durch das Gewässer. Dadurch wird die internationale Schifffahrt der sechs Anrainerstaaten (Bulgarien, Georgien, Rumänien, Russland, Türkei und Ukraine) erheblich gefährdet. Das auf Schifffahrt spezialisierte ukrainische Portal „BlackSeaNews“ berichtete, die russische Schwarzmeerflotte habe die Seeminen auf der Route zwischen Odessa und dem Bosporus ausgelegt. Demgegenüber warnte der russische Sicherheitsdienst FSB, die ukrainische Marine habe die Häfen Odessa, Otschakiw, Tschornomorsk und Piwdenny vermint, ein Teil der Minen habe sich beim letzten Sturm losgerissen. Türkische Behörden entdeckten in diesen Tagen eine treibende Seemine bei Istanbul im Bosporus und haben daraufhin den Schiffsverkehr zwischenzeitlich ausgesetzt. Ein Team von Minentauchern hat die Seemine „deaktiviert“. Die Schifffahrtstraße wird jährlich von mehr als 40.000 Schiffen passiert.

NS-Vergangenheit: Stepan Andrijowytsch Bandera war ein national-chauvinistischer Politiker der Orhanizatsiya ukrayinsʹkykh natsionalistiv (OUN, dt.: Organisation Ukrainischer Nationalisten). Im Zweiten Weltkrieg kollaborierte er erst mit der Wehrmacht, wurde aber später von der SS verhaftet und landete im KZ. Sachsenhausen in Oranienburg. Am 15. Oktober 1959 wurde er in München (Kreittmayrstraße 7) durch einen KGB-Agenten mit einer Blausäuregas-Ampulle ermordet. (https://de.wikipedia.org/wiki/Stepan_Bandera) Erst im August 1961 kam heraus, dass Bandera das Opfer eines Mordanschlages geworden war, als sich der Attentäter aus Ost-Berlin, Bogdan Nikolajewitsch Staschinski, den westdeutschen Sicherheitsbehörden gegenüber offenbarte. Die Sowjetpropaganda hatte damals versucht, den damaligen Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte Theodor Oberländer (NSDAP und CDU) für den Mord an Bandera verantwortlich zu machen.

Bandera ist eine sehr umstrittene historische Figur, die bis heute polarisiert. In Polen, Russland und Israel gilt er als Nazi-Kollaborateur und Kriegsverbrecher. In der (West-)Ukraine hingegen wird er als Unabhängigkeitskämpfer verehrt. Heute gibt es in der Ukraine 46 Denkmäler (u. a.: Bereschany, Butschatsch, Horischne, Pidwolotschysk, Sambir, Usin, Velyki Mostys, usw.), 14 Gedenktafeln und etliche Straßenamen, die an diesen faschistischen Kollaborateur erinnern. (https://www.bpb.de/themen/europa/ukraine/194637/analyse-stepan-banderas-nachleben-wird-gefeiert/) Nachdem die Deutschen 1941 in der Ukraine einmarschierten, war die Kollaboration dort sehr weit verbreitet. Die Deutschen hatten 200.000 ukrainische Hilfspolizisten rekrutiert, von denen mindestens 40.000 unmittelbar an Juden-Erschießungen teilgenommen haben. (https://www.focus.de/politik/ausland/ukraine-krise/krieg-in-der-ukraine-schlagende-analogie-was-sind-die-parallelen-zwischen-putin-und-hitler_id_73653591.html)