Militärforschung
  Ukraine-Krieg 2.0 - 32. Update
 

 

Ukraine-Krieg 2.0 – Update 32 vom 29. März (D+32)

Gerhard Piper

Lageentwicklung:

Die Spannungen in Moskau hinter den hohen Kremlmauern dauern an. Am Montag hat der russische Präsident vier Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats des Sicherheitsrates per Ukas ausgeschlossen: Alexey Anatoljewitsch Gromyko (Direktor am Europainstitut der Russischen Akademie der Wissenschaften [IE RAS] in Moskau), Alexander I. Nikitin (Direktor des Zentrums für Euro-Atlantische Sicherheit am MGIMO in Moskau), Alexander N. Panov (?) und Sergey Mikhailovich Rogov (Direktor des Instituts für US und kanadische Studien [ISKRAN] in Moskau). Die vier Männer waren demnach langjährige Mitglieder im Beirat, zwei davon waren Direktoren an wichtigen politischen Instituten. Gründe für den Ausschluss werden nicht genannt.

Verhandlungen:

Als der Oligarch Roman Abramowitsch als Friedensvermittler einmal Wladimir Putin in Moskau ein Schreiben des ukrainischen Staatspräsidenten Wolodymyr Selenskyj mit Friedensbedingungen überreicht haben soll, soll dieser in Wut ausgebrochen sein: „Sag ihm, ich werde sie zerstören.“ (https://www.focus.de/politik/ausland/reaktionen-zur-ukraine-invasion-vor-verhandlungen-erdogan-will-dieser-tragoedie-ein-ende-setzen_id_57275780.html#milestone75468431)

Nach einer Pause von fast drei Wochen wurden die „Friedensgespräche“ auf persönlicher Ebene heute Vormittag im Dolmabahce-Büro des türkischen Präsidenten in Istanbul (Türkei) fortgesetzt. Die heutigen Gespräche dauerten rund vier Stunden. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba bekräftigte die Position seines Landes: „Wir tauschen nicht Menschen, Land und Souveränität.“ Als Garanten für die Einhaltung der Sicherheit könnten die Türkei, Israel, Polen und Kanada fungieren. Laut einem ukrainischen Unterhändler seien die Entwicklungen in den Verhandlungen so weit fortgeschritten, dass ein Treffen der Präsidenten beider Länder möglich sei.

Laut Angaben des Moskauer Verteidigungsministeriums will Russland seine „militärischen Aktivitäten“ bei Kiew und Tschernihiw deutlich reduzieren. Diese Entscheidung sei angesichts des Verlaufs der Verhandlungen mit Kiew getroffen worden, teilte der Vize-Verteidigungsminister Alexander Fomin in Istanbul mit. Der Schritt solle bei den Gesprächen „das Vertrauen stärken“. Der ukrainische Generalstab teilte dazu mit, im Gebiet um die Hauptstadt Kiew und die nordukrainische Großstadt Tschernihiw werde der Abzug einzelner Einheiten der russischen Streitkräfte beobachtet. (https://www.spiegel.de/ausland/ukraine-krieg-russland-will-militaeraktivitaet-bei-kiew-und-tschernihiw-angeblich-reduzieren-a-ca049cd5-b305-4a22-8b7f-ca31b3a4566f)

Die britische Außenministerin Liz Truss hat mit Blick auf die Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew vor einem „Ausverkauf der Ukraine“ gewarnt: „Wir müssen sicherstellen, dass künftige Gespräche nicht mit einem Ausverkauf der Ukraine enden.“ Zudem müssten Vorkehrungen getroffen werden, damit Sanktionen im Falle einer erneuten russischen Aggression automatisch wieder in Kraft träten. Präsident Putin, so Truss, dürfe nicht erlaubt werden, „von dieser entsetzlichen Aggression zu profitieren“.

Truppenaufmarsch:

Die „Gruppa Wagnera“ hat mehr als 1.000 Söldner in die Ukraine entsandt. Sie sollen im Osten eingesetzt werden. Russland hatte am Freitag angekündigt, sich im Ukraine-Krieg künftig auf die „Befreiung des Donbass“ konzentrieren zu wollen. Die Regierung in Kiew befürchtet deshalb eine Zuspitzung der Lage in Mariupol und im Osten des Landes. Westlichen Beamten zufolge treffen die russischen Truppen dort allerdings auf die „am besten ausgerüsteten und ausgebildeten ukrainischen Streitkräfte“.

Das russische Fernsehen zeigt undatierte Bilder, auf denen angeblich zu sehen ist, wie der tschetschenische Tyrann Ramsan Kadyrow in Mariupol mit Generalleutnant Andrej Mordwitschew zusammentrifft. Dieser ist einer der beiden tschetschenischen Generäle, die nach Angaben der ukrainischen Behörden bei den Kämpfen vor ein paar Tagen angeblich gefallen seien. (https://www.n-tv.de/politik/12-08-Verhandlungen-gestartet-Gibt-Russland-im-Anschluss-Erklaerung-ab--article23143824.html)

Bisher wurde nichts bekannt über die Aktivitäten in den unterirdischen Folterzentren, die die russischen Geheimdienste seit 2014 in der Region Donbass unterhalten.

Zum 1. April ziehen die russischen Streitkräfte wieder tausende Rekruten ein. Allerdings werden junge Wehrpflichte, die im IT-Sektor tätig sind, vorübergehend vom Militärdienst befreit. Auch Studenten dutzender Fachrichtungen, darunter Mathematik, Robotik, Luft- und Raumfahrt sowie Nanotechnologie, profitieren demnach von dem Erlass. Der Militärdienst ist in Russland für Männer zwischen 18 und 27 Jahren verpflichtend. Viele versuchen, sich dem Dienst durch medizinische oder andere Ausnahmeregelungen zu entziehen. Tatsächlich werden nur ca. 15 Prozent eines Jahrgangs eingezogen. (https://www.n-tv.de/politik/16-18-Kehrtwende-Johnson-Johnson-liefert-keine-Drogerieartikel-mehr-nach-Russland--article23143824.html)

Die Menschenrechtsorganisation „Pro Asyl“ fordert die Bundesregierung auf, russischen Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren in Deutschland Schutz zu gewähren. Die Forderung erstreckt sich auch auf belarussische sowie ukrainische Kriegsdienstverweigerer und Deserteure: „Deutschland und alle anderen EU-Länder müssen diese Menschen, die vor dem Kriegseinsatz fliehen, unbürokratisch aufnehmen und ihnen ein dauerhaftes Bleiberecht ermöglichen.“ Derzeit müssten geflüchtete Deserteure und Kriegsdienstverweigerer aus Russland und Belarus ein normales Asylverfahren anstrengen, denn die politische Verfolgung dieser Menschengruppe gelte in Deutschland „nicht ohne weiteres als Asylgrund“.“ (https://www.n-tv.de/politik/16-18-Kehrtwende-Johnson-Johnson-liefert-keine-Drogerieartikel-mehr-nach-Russland--article23143824.html)

Gefechte:

Die ukrainischen Streitkräfte konnten die Russen an mehreren Fronten zurückdrängen und mehrere Städte und Gemeinden befreien: Husarivka, Irpin, Lukyanovka, Snowsk, Tomyna Balka, Trostianets, …

Russische Truppen hielten den Norden des Kiewer Gebiets unter ihrer Kontrolle. Sie versuchten, zerschlagene Einheiten wieder aufzubauen. Auch in den Gebieten Tschernihiw, Sumy, Kharkiw, Donbass und im Süden der Ukraine bleibe die Lage „sehr schwierig“, sagte Staatspräsident Selenskyj. Nur im Raum Donbass / Luhansk konnten die Russen leichte Geländegewinne erzielen. Hier versuchen die Russen seit längerem die Städte Rubischne (60.000 Einwohner), Lyssytschansk (100.000) und Popasna (20.000) einzunehmen. (https://www.spiegel.de/ausland/russland-ukraine-krieg-das-geschah-in-der-nacht-zu-dienstag-a-9e32c36e-11c1-4289-a15e-acb5d031c7ff)

Osten:

- Barwinkowe:

Die ukrainischen Truppen versuchen einen Vorstoß der Russen bei Barwinkowe (ca. 9.000 Einwohner) am Fluss Suchyj Torez zu stoppen.

- Isjum:

Die russischen Streitkräfte scheinen sich in einigen Regionen allerdings bewusst zurückzuziehen, um sich bei Isjum neu zu formieren. Anscheinend wollen sie von Isjum aus weiter gen Süden vorzustoßen, um so die ukrainischen Streitkräfte im Osten des Landes vom Westen abzuschneiden, sie zu isolieren und die Nachschublinien zu kappen. Isjum wird vielfach als zentraler Kriegsschauplatz der kommenden Tage angesehen.

- Slowjansk:

Die ukrainischen Streitkräfte versuchen eigenen Angaben zufolge an mehreren Orten, Angriffe russischer Einheiten abzuwehren. Man sei dabei, den russischen Vormarsch auf die Großstadt Slowjansk im Gebiet Donezk im Südosten des Landes zu stoppen.

Süden:

- Mariupol:

Die ukrainische Regierung handelt eigenen Angaben zufolge für Dienstag mit den russischen Truppen drei Fluchtkorridore für die Flucht von Zivilisten aus. Aus der belagerten Hafenstadt Mariupol im Gebiet Donezk soll es möglich sein, mit privaten Autos über Berdjansk nach Saporischschja zu fahren, sagt Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk. Zudem seien 34 Busse von Saporischschja nach Berdjansk am Asowschen Meer unterwegs. Diese sollen Menschen aus Mariupol mitnehmen, die eigenständig in das knapp 70 Kilometer entfernte Berdjansk gelangt sind. (https://www.n-tv.de/politik/12-08-Verhandlungen-gestartet-Gibt-Russland-im-Anschluss-Erklaerung-ab--article23143824.html)

- Krywyj Rih:

Die ukrainischen Truppen konnten die Russen bei Krywyj Rih (ca. 600.000 Einwohner) zurückdrängen. Die Russen mussten in Richtung Dnipropetrowsk und Kherson zurückweichen.

- Mykolajiw:

Durch russischen Beschuss ist das neunstöckige Gebäude der Regionalverwaltung zerstört worden, dabei waren mindestens sieben Tote und 22 Verletzte zu beklagen.

Verluste:

Ukraine: Im Rahmen ihrer Kampagne zur De-Industrialisierung der Ukraine haben die Russen in den letzten Tagen und Wochen rund ein Dutzend Treibstoffdepots mit Flugkörpern angegriffen und dabei zumindest schwer beschädigt: Dubno, Kiew, Luzk, Lwiw und Mykolajiw.

Russland: Die ukrainischen Streitkräfte gaben die russischen Verluste (Stand: 29. März) wie folgt an: 17.200 Soldaten gefallen, 597 Kampfpanzer, 1.710 gepanzerte Fahrzeuge, 1.178 Militärfahrzeuge (Jeeps, Trucks), 54 Flugabwehrsysteme, 303 Stück Rohrartillerie (Kanonen und Haubitzen), 96 Feldraketenwerfer, 4 Werfer für Boden-Boden-Raketen, 21 Stück Großgerät (Pionierbrücken, etc.) zerstört, 127 Flugzeuge, 129 Hubschrauber und 71 Drohnen abgeschossen, 7 Kriegsschiffe beschädigt oder versenkt.
         
Zivilbevölkerung:

Bisher hat der Krieg rund 20.000 Todesopfer unter der ukrainischen Zivilbevölkerung gefordert, erklärte Staatspräsident Selenskyj. Von den ca. 40 Millionen Einwohnern, die sich noch in der Ukraine aufhalten, sind rund 18 Millionen nach Angaben des Roten Kreuzes auf Hilfe angewiesen., erklärte Francesco Rocca, der Präsident der Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC).

Rückkehrer: Während immer mehr Ukraine ihr Land verlassen, kehren auch immer mehr geflüchtete Ukrainer in ihr Land zurück, um in den Kampf gegen die Russen zu ziehen. Mittlerweile wurden 510.000 Rückkehrer registriert, darunter 80 Prozent Männer, sagte der Sprecher der ukrainischen Grenzpolizei Andrij Demtschenko. Demgegenüber sprach der polnische Grenzschutz von rund 352.000 Ukrainer, die über Polen in ihr Herkunftsland zurückgekehrt seien.

Schleusungen: Der Bundesnachrichtendienst (BND) warnt, internationale Schleuserringe könnten Araber und Afrikaner in die Ukraine verbringen und von dort mit der Flüchtlingswelle in die BRD oder die Niederlande als Zielländer einschleusen. Unter diesen Migranten könnten auch militante Dschihadisten sein, die in der BRD Anschläge verüben wollen. Dem BND liegen glaubhafte nachrichtendienstliche Hinweise darauf vor, dass Schleuser sich bereits gezielt gefälschte ukrainische Studentenausweise verschaffen und Routen über das ukrainisch-polnische Grenzgebiet anpreisen. Lkws, die zuvor Hilfsgüter in die Ukraine gebracht hätten, könnten auf ihrer Rückfahrt als Schleusungsmittel missbraucht werden. Die Schleuser kassierten von jedem Migranten rund 5.500 Euro.

Außerdem versuchten Syrer und Afghanen über die Türkei mit dort gefälschten ukrainischen Personalpapieren über die klassische Balkanroute oder über Rumänien und Ungarn nach Europa zu reisen. Hier werde damit geworben, dass die Einreisebedingungen für Schutzsuchende aus der Ukraine vereinfacht wurden und man davon profitieren könne. (https://www.welt.de/politik/deutschland/article237780393/Schleuser-Netzwerke-nutzen-Fluchtbewegung-aus-der-Ukraine.html)

Laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sollen sich bei Kriegsbeginn 60.000 Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis in der Ukraine aufgehalten haben.

BRD: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine gegen Covid-19 und Masern impfen lassen.

Schäden: Der polnische Kulturminister Piotr Gliński warnte, die russische Armee bombardiert offenbar auch Denkmäler und Kulturgüter, dadurch solle das nationale Erbe der Ukraine zerstört werden.

ABC-Waffen:

- Atomare Waffen / AKWs:

Tschernobyl: Die Schwachköpfe von der russischen Armee fahren seit Kriegsbeginn am 24. Februar ohne hinreichenden ABC-Schutz durch die kontaminierten Gebiete. So gibt es an der alten Atomruine den sogenannten „Roten Wald“ (ukr.: Rudyy lis), ein Geländestreifen, der durch langlebige, strahlungsintensive Isotope hochradioaktiv kontaminiert ist. So ist der Wald eines der am stärksten verstrahlten Gebiete der Welt. Die Dosisleistung beträgt hier stellenweise bis zu einem Röntgen pro Stunde und ist damit hundertmal höher als die übliche natürliche Umgebungsstrahlung. Mehr als neunzig Prozent der Strahlung ist im Boden konzentriert.  Der diensthabende Leiter der Anlage, Waleri Seida, warnte: „Niemand geht dorthin … um Gottes willen. (…) Es gibt niemanden dort.“

Nicht so die Russen. Sie fuhren wild durch die Gegend, wobei sie mit ihren Kettenfahrzeugen jede Menge Staub aufwirbelten, den sie dann – ungeschützt - einatmeten. Nun müssen sie ein paar Jahre auf den Ausbruch von Lungenkrebs warten.

Ein ukrainischer Mitarbeiter meinte, dass Vorgehen der Russen sei „selbstmörderisch“. Die Russen hätten keine Ahnung davon gehabt, dass sie sich auf dem Gelände eines Atomkraftwerkskomplexes befanden, noch hätten sie irgendetwas von dem Super-GAU vom 26. April 1986 gewusst. Der Ukrainer berichtete: „Sie hatten keine Ahnung, in welcher Art von Anlage sie sich befanden.“ Die Soldaten hätten nur erklärt, dass es sich um „kritische Infrastruktur“ handele. Erst nach einer Woche seien die ersten in ABC-Abwehr geschulten Russen aufgetaucht, aber auch sie hätten keine Schutzkleidung mitgeführt. Dieses Vorgehen der Russen muss selbst für russische Maßstäbe überraschen, da zum Truppenaufgebot auch mehrere ABC-Abwehrbataillonen gehören. (https://www.spiegel.de/ausland/tschernobyl-russische-soldaten-fuhren-ungeschuetzt-durch-verseuchtes-gebiet-a-afd9ed51-3039-4c47-90a6-fcb177958ecc) Schlimm, dass solche Leute schwerbewaffnet und mit Panzern ausgerüstet an einem AKW durch die Gegend brausen und rumballern.

Atomkriegsgefahr: Angesichts immer neuer Spekulationen über einen möglichen Einsatz nuklearer Waffen durch Moskau ist Kremlsprecher Dmitri Peskow diesem Gedanken energisch entgegengetreten:

„Niemand in Russland denkt an den Einsatz oder auch nur an die Idee eines Einsatzes von Atomwaffen.“ Wie auch immer die „Spezialoperation“ ausgehe, werde dies kein Grund für den Einsatz nuklearer Waffen sein, sagte Peskow. Er bekräftigte, dass Russland sein Atomwaffenarsenal nur bei einer „Bedrohung der Existenz Russlands“ einsetzen werde. Die staatliche Existenz Russlands und die Ereignisse in der Ukraine hätten „nichts miteinander zu tun“. (https://www.spiegel.de/ausland/russland-ukraine-krieg-das-geschah-in-der-nacht-zu-dienstag-a-9e32c36e-11c1-4289-a15e-acb5d031c7ff)

- Biologische Waffen:

Nach Berichten mehrerer amerikanischer Medien gab es einen toxischen Anschlag auf mehrere ukrainische Teilnehmer der „Friedensgespräche“; dies wurde von den Betreffenden dementiert. Unklar ist, ob die US-Presseorgane Opfer einer Desinformationskampagne wurden oder ob die Opfer aus Gründen der Staatsräson den Anschlag negieren:

Einer der Zielpersonen soll der Oligarch Roman Arkadjewitsch Abramowitsch sein, der sich seit Kriegsbeginn als Vermittler bemüht. Er jettet zwischen Istanbul, Moskau und Kiew hin und her, um als „back channel“ Botschaften zwischen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu übermitteln. Seine Aktivitäten stießen hingegen auf Widerstand der Militärs und des FSB, die meinte, sie könnten die „Angelegenheit“ in der Ukraine auch ohne den Zivilisten regeln.

Nach den US-Meldungen vom 28. März soll es bei den halboffiziellen (Vor-)Verhandlungen am 3. und/oder 4. März in Kiew passiert sein. Roman Abramowitsch, Rustem Umerov und ein weiterer Unterhändler hätte plötzlich über rote und tränende Augen geklagt. Außerdem habe sich die Haut an Gesicht und Händen abgeschält, so die Autoren Yaroslav Trofimov und Max Colchester im „Wall Street Journal“ („Roman Abramovich and Ukrainian Peace Negotiators Suffer Suspected Poisoning“) unter Berufung auf Verhandlungskreise. Nur Stunden später konkretisierte ein weiterer Bericht der „Financial Times“ („Abramovich suffered suspected poisoning after peace talks in Kyiv“) die Geschichte, demnach habe Abramowitsch sein Sehvermögen für einige Stunden komplett und Umerov teilweise verloren. Dieser Zustand habe über Nacht  angehalten. Sie wurden demnach in die Türkei zur Behandlung ausgeflogen. Den drei Betroffenen gehe es mittlerweile wieder besser und ihr Leben sei nicht in Gefahr. Der Bericht wurde von „Bellingcat“ im Prinzip bestätigt.

Der ukrainische Außenminister empfahl seiner Delegation: „Nichts trinken, nichts essen und keine Oberflächen berühren." (https://www.tagesschau.de/newsticker/liveblog-ukraine-dienstag-111.html) Allerdings ist es etwas schwierig, auf einem Stuhl zu sitzen, wenn man ihn nicht berühren darf.

Rustem Umerow schrieb auf Facebook, dass mit ihm alles in Ordnung sei: „Mir geht es gut. Dies ist meine Antwort auf all die Klatschnachrichten, die sich verbreiten. Bitte vertrauen Sie keiner nicht verifizierten Information. Auch bei uns läuft ein Informationskrieg.“ Von Abramowitsch sind ebenfalls keine öffentlichen Äußerungen zu einem möglichen Giftanschlag bekannt. Der ukrainische Unterhändler Mychailo Podojak erklärte, alle Mitglieder der Verhandlungsgruppen würden normal arbeiten: „Im Informationsbereich gibt es gerade viele Spekulationen, unterschiedliche Verschwörungsversionen und Elemente des einen oder anderen Informationsspiels.“ (https://www.focus.de/politik/ausland/ukraine-krise/krieg-in-der-ukraine-berichte-abramowitsch-und-zwei-ukrainische-verhandler-litten-nach-friedensgespraechen-an-vergiftungs-symptomen_id_75185208.html)

Geht man von der geschilderten Symptomatik (Miosis, etc.) aus, dann könnte es sich – nach Angaben von „Bellingcat“ - um einen Farbstoff der Porphyrine-Gruppe, ein Organophosphat oder eine bizyklische Substanz gehandelt haben. (https://twitter.com/bellingcat/status/1508463513013997580)

Die „Financial Times“ spekulierte unter Berufung auf eine vertrauliche Quelle, dass der Anschlag hauptsächlich Abramowitsch gegolten habe. Da Abramowitsch als Vermittler im Auftrag des russischen Präsidenten unterwegs war, wäre dieser Angriff, wenn es ihn denn tatsächlich gegeben haben, auch ein Affront gegen den russischen Präsidenten durch Hardliner in seinen Sicherheitsorganen. Möglicherweise sollte dieses Ziel allein schon durch die Berichterstattung über die angebliche Giftoperation erreicht werden.

In diesem Zusammenhang sei darauf verweisen, dass die russische Regierung wiederholt Biotoxine und Narkotika (Curarin, Digitoxin, Gelsemium, Nowitschok-Varianten A-230, -232, -234, -242, -262, etc.) eingesetzt hat, um Dissidenten umzubringen oder zu desavouieren. Zu den im Geheimen noch tätigen Bio-Forschungslabors gehört u. a. das Staatliche Forschungsinstitut für Organische Chemie und Technologie (Gosudarstvennyy nauchno-issledovatel'skiy institut organicheskoy khimii i tekhnologii – GosNIIOHkT oder NIIOChT) (frühere Bezeichnung: Forschungsinstitut Nr. 42) entwickelt. Das Institut hat seinen Sitz in Moskau (Entuziastov Chaussee 23) Darüber hinaus arbeitete das Institut mit dem Forschungsinstitut für radiologischen, chemischen und biologischen Schutz (NII Radiatsionnoy Khimicheskoy i Biologicheskoy Zashchity – RHBZ) und dem GITOS-Produktionslabor in Schischani-2 zusammen. Zu seinen Erfindern zählen Wladimir Ugljow und Pjotr Kirpitschew. Ugljow entdeckte – nach eigenen Angaben - 1976 die beiden Verbindungen A-232 (chemische Bezeichnung:
[(2-chloro-1-methylethoxy)fluorohydroxyphosphinyl]oxy]carbonimidic chloride fluoride)) und A-234. Nowitschok-7 kam ca. 1993 hinzu. „Die Grundstoffe kriegt man in jeder Chemiehandlung“, behauptete Ugljow. Anfang der neunziger Jahre wurde der Chemiker Ugljow arbeitslos und musste auf dem (Second-Hand-)Markt von Schischani Altkleider verkaufen. Heute ist er pensioniert, erhält eine Rente von 200 Euro und lebt in Anapa bei Krasnodar. (www.spiegel.de/politik/ausland/russischer-gift-erfinder-ugljow-toedliche-tropfen-im-telefonhoerer-a-1199699.html) Zu weiteren Instituten der Bio-Waffen-Entwicklung in Russland gehör(t)en das Staatliche Institut für experimentelle Militärmedizin (Gosudarstvennyy nauchno-issledovatel'skiy ispytatel'nyy institut [voyennoy meditsiny]) (GNIII VM) in Sankt Petersburg, das eng mit dem GU-Mordkommando „Einheit 29155“ zusammenarbeitet, und das Forschungszentrum „Scientific Center Signal“ (SC Signal) in Moskau (Natatinskaya 16).

- Chemische Waffen:

Der ukrainische Staatspräsident Wolodymyr Selenskyj forderte erneut schärfere Sanktionen gegen Russland. Europa dürfe mit einem möglichen Embargo russischer Öllieferungen nicht warten, bis Moskau Chemiewaffen einsetze: „Denken Sie mal, wie weit es gekommen ist. Auf Chemiewaffen warten.“ (https://www.spiegel.de/ausland/russland-ukraine-krieg-das-geschah-in-der-nacht-zu-dienstag-a-9e32c36e-11c1-4289-a15e-acb5d031c7ff)

BRD:

Die BRD plant die Beschaffung des israelischen IRON DOME-Raketenabwehrsystems in der Variante mit Abfangraketen ARROW 3. Diese haben eine Reichweite und eine Reichweite von 2.400 km und eine Gipfelhöhe von über 100 km. Das System soll eine Treffgenauigkeit bzw. Zuverlässigkeit von 90 Prozent aufweisen. Die bisher vorhandenen PATRIOT-Raketen haben lediglich eine Dienstgipfelhöhe von 30 km.

Das BKA registriert pro Woche etwa 200 Straftaten in Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg: Schmierereien, Beleidigungen und Bedrohungen.

Energieversorgung: Angesichts der russischen Drohung, den „Gashahn“ zuzudrehen, bereitet die Bundesregierung sich darauf vor, die Notfallpläne zu implementieren. Bei deren Aktivierung sollen in einem ersten Schritt bestimmte Wirtschaftsbranchen von einer Gasversorgung abgeschnitten werden. Die betreffenden Unternehmen müssten dann ihre Produktion (vorübergehend) einstellen und die Beschäftigten in Kurzarbeit schicken. Durch den dadurch bedingten Ausfall Lieferketten drohen kumulative Negativeffekte.

Betroffen wäre z. B. die chemische Industrie. So könnte kein Ammoniak mehr für Kunstdünger hergestellt werden, obwohl ein erhöhter Bedarf besteht, da die Ukraine keinen Kunstdünger mehr exportiert und Russland dies angekündigt hat. Ebenfalls erhebliche Einschränkungen würde nach Angaben der BASF eine Reduktion der Acetylen-Produktion bedeuten. Acetylen sei ein bedeutender Ausgangsstoff für viele Produkte des täglichen Lebens wie Kunststoffe, Arzneimittel, Lösemittel bis hin zu Textilfasern. Eine Reduktion der Produktion würden nachgelagerte Kunden aus der Automobil-, Pharma- oder Bauwirtschaft zu spüren bekommen. VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup warnte vor einem „katastrophalen Zusammenbruch unserer Produktionsnetzwerke“. Die chemisch-pharmazeutische Industrie sei die Basis fast aller Wertschöpfungsketten. Es drohten Sekundär- und Tertiäreffekte. (https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/gas-aus-russland-basf-warnt-vor-folgen-des-lieferstopps-17916730.html)

„Konsumlaune“: Der Ukrainekrieg und die deutlich steigenden Preise für Energie und Lebensmittel setzen der „Konsumlaune“ der deutschen Verbraucherinnen und Verbraucher stark zu. Das vom Marktforschungsinstitut GfK ermittelte Konsumklima wird daher im April um sieben auf minus 15,5 Punkte sinken. Die Einkommensaussichten der Deutschen schrumpften im März auf den niedrigsten Wert seit Januar 2009 in der Finanzkrise.

In der Ukraine leben noch etwa 10.000 Überlebende des Holocaust. Die KZ-Gedenkstätte Buchenwald erklärt offizielle Vertreter von Russland und Belarus zu unerwünschten Personen bei den diesjährigen Gedenkfeiern zur Befreiung des Konzentrationslagers am 10. April. Die Anwesenheit von Diplomaten beider Länder „wäre für uns eine unerträgliche Vorstellung“, sagt Jens-Christian Wagner, Leiter der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora in Weimar. Wegen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine seien Hunderte weitere KZ-Überlebende existentiell bedroht. (https://www.n-tv.de/politik/12-08-Verhandlungen-gestartet-Gibt-Russland-im-Anschluss-Erklaerung-ab--article23143824.html)

Tschechien:

Die tschechische entsendet fünf Kampfjets vom schwedischen Typ JAS 39 GRIPEN nach Litauen, um sich an der NATO-Luftraumüberwachung über dem Baltikum zu beteiligen. Die Maschinen vom Typ Saab JAS-39 starten vom Luftwaffenstützpunkt in Caslav bei Prag. Sie werden künftig auf dem Flughafen Siauliai stationiert sein. Die tschechische Verteidigungsministerin Jana Cernochova erklärte: „Die Verteidigung der NATO-Ostflanke war schon immer in unserem Interesse - selbst vor der russischen Invasion in die Ukraine." Die Gripen-Jets lösen in Siauliai ein dänisches Kontingent ab und werden bis Ende Juli bleiben. Die Staffelübergabe findet am Freitag statt. (https://www.n-tv.de/politik/16-18-Kehrtwende-Johnson-Johnson-liefert-keine-Drogerieartikel-mehr-nach-Russland--article23143824.html)

Russland:

Spionage (?): Russland weist zehn Diplomaten aus Estland, Lettland und Litauen aus. Das Außenministerium in Moskau reagiert damit auf einen ähnlichen Schritt der drei baltischen EU-Mitgliedsstaaten, die zuletzt in einer koordinierten Aktion zehn russische Diplomaten ausgewiesen hatten. (https://www.n-tv.de/politik/16-18-Kehrtwende-Johnson-Johnson-liefert-keine-Drogerieartikel-mehr-nach-Russland--article23143824.html)

Zensur: Die internationalen Internet-Dienste („Facebook“ und „Instagram“) sind weiterhin verboten. Zwar gab ein russisches Gericht am Montag einer Klage des US-Konzerns „Meta“ statt und erlaubte – theoretisch – den Zugang zu den Netzwerken, aber diese können weiterhin nur über sogenannte Virtuelle Private Netzwerke (VPN) aufrufen werden. Diese Systeme können dem Netz vorgaukeln, die Abfrage käme aus einem anderen Land, und so die Sperren der Seiten innerhalb Russlands umgehen. Russische Parlamentsabgeordnete hatten zuletzt erklärt, dass sie nicht planten, ein allgemeines Verbot der Nutzung solcher VPN zu erlassen. Das Gericht stufte Mark Zuckerbergs Konzern „Meta“ weiterhin als „extremistische Organisation“ ein. (https://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/facebook-und-instagram-duerfen-in-russland-wieder-genutzt-werden-a-71c5cc49-e8a1-48ce-9e0d-296083be15a9)

Versorgungsprobleme: Laut der Analysefirma DSM Group haben Russen in den ersten zwei Wochen nach Kriegsbeginn rund 270 Millionen medizinische Artikel gekauft – fast doppelt so viel wie normal. Sergei Shulyak, Geschäftsführer der DSM Group:

„Lastwagenladungen voll mit Medikamenten kommen zu uns. Ja, einige Hersteller haben Probleme mit der Lieferung der Inhaltsstoffe, Substanzen und einiger Zutaten, aber für diesen Fall haben wir viele Generika als eigene Alternativen. Leider ist die Situation, mit der wir konfrontiert sind, die Folge von Angst und Hamsterkäufen. Um ehrlich zu sein, wir sind alle Schuld.“ (https://www.spiegel.de/ausland/in-russland-werden-antidepressiva-knapp-wegen-hamsterkaeufen-a-45816a49-b885-45ee-8473-6aa8eef8ab55)

So haben 28.064.258 der Russen (49,82 %) bei den Parlamentswahlen am 17. bis 19. September 2021 die Putin-Partei „Einiges Russland“ gewählt und weitere 4.201.715 Russen die pro-Putin-Partei „Gerechtes Russland“ (7,46%), (https://de.wikipedia.org/wiki/Parlamentswahl_in_Russland_2021) nun aber können sie ihre Galionsfigur nur noch mit Wodka oder Anti-Depressiva ertragen. (https://www.spiegel.de/ausland/in-russland-werden-antidepressiva-knapp-wegen-hamsterkaeufen-a-45816a49-b885-45ee-8473-6aa8eef8ab55)

Gegensanktionen: Nach der von der EU/G7 weitgehend abgelehnten Bezahlung von Gaslieferungen in Rubel hat Kremlsprecher Dmitri Peskow mögliche neue Schritte Russlands angekündigt: „Keine Bezahlung – kein Gas!“ Und weiter: „Wir beabsichtigen aber auf keinen Fall, uns als Wohltäter zu zeigen und Westeuropa kostenloses Gas zu liefern.“ Außerdem hat die russische Regierung Restriktionen für die Einreise von Bürgern „unfreundlicher Staaten“, also auch für alle Deutschen, angekündigt.

EU:

Die EU bereitet sich – im Rahmen ihrer Vorsorge und ihrer Möglichkeiten - auf eine Gasnotversorgung vor, für den Fall, dass Russland die Gaslieferungen tatsächlich einstellt. „Wir bereiten uns ja seit Monaten auf diesen Fall vor“, behauptete ein ranghoher Eurokrat. Von den fünf wichtigsten Importeuren von russischem Gas sind Deutschland, Italien, Österreich und Frankreich betroffen; nur die Türkei gilt nicht als „unfreundlich“. Auf die „unfreundlichen“ Staaten entfielen im vergangenen Jahr laut der Zeitung RBK Zahlungen von 43 Milliarden Dollar für Pipeline-Gas aus Russland.

Für Russland wiederum bezweifeln Ökonomen, dass die Umstellung auf Rubel für die russische Währung spürbare Folgen haben wird. Schon jetzt müssen laut einer Regelung, die als Antwort auf die Sanktionen gegen die Zentralbank erlassen wurde, russische Exporteure 80 Prozent ihrer Dollar-Einnahmen in Rubel umwandeln, um die Währung zu stützen. Sollten Gaslieferungen künftig in Rubel bezahlt werden, würden statt bisher 80 Prozent der Einnahmen 100 Prozent für die Rubelstützung verwendet, was kein eklatanter Unterschied ist. (https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/russlands-rubel-drohung-eu-bereitet-sich-auf-gas-lieferstopp-vor-17918079.html)

Die Gesundheitsminister der EU-Länder beraten heute über die medizinische Lage in der Ukraine. Dabei soll es um eine mögliche Unterstützung durch die Mitgliedstaaten der Europäischen Union gehen. Auch die Versorgung der in der EU ankommenden ukrainischen Flüchtlinge diskutieren die Minister.

Sonstiges:

Generalmajor Michail Misinzew vom russischen Verteidigungsministerium hat vor der Gefahr gewarnt, die von ukrainischen Seeminen ausgeht. Die Minen hätten sich von ihren Verankerungen gelöst und würden vor den Küsten der Anrainerstaaten treiben. Da die Ukraine das Schwarze Meer als Seeweg nicht mehr nutzen kann, sind durch die Seeminen die russischen Kriegsschiffe und internationale Frachtschiffe bedroht, die die Anrainerstaaten beliefern. Rumänische Truppen haben vor ihrer Küste eine russische oder ukrainische Seemine entschärft.